Schuman, Die ewige Supermacht

Als ich vor einem halben Menschenleben erstmals die Provinz Chinas bereiste, unterschied sich das deutlich von meinen letzten Reisen dorthin. Zwar glitzerten noch nicht allerorten die Fassaden der Hochhäuser, an schnelle Züge war noch nicht zu denken und auf den Straßen dominierte neben der LKWs das Fahrrad. Es war die Zeit, als das Modell Mao peu a peu ausstarb. Hatte China damals seine Kunstfertigkeit für einen Hungerlohn verramscht, so begegnet einem heute ein fast schon überzogen wirkender Stolz, der wenig Widerspruch duldet. Mein erster Besuch war in einer Phase erfolgt, als China unter Deng Xiaoping auf diesen neuen Kurs gebracht wurde, der heute Früchte zeigt. Ignorieren konnte man die Leistungen Chinas auch damals nicht. In der Nähe Pekings zeigte die uralte Chinesische Mauer die großen Leistungen der Chinesen in der Vergangenheit, ein Besuch im Museum der Minoritäten demonstrierte die Vielfalt der Kultur, die das Land ausmachte und auch in der Provinz Sichuans faszinierte im kleinen Örtchen Sanxingdui Funde aus der aus dem Neolithikum bis hin zur frühen Shu-Kultur der Shang- und Zhou-Zeit, dass China schon vor mehr als 4.000 Jahren ein Kulturland war - in einer Zeit, als sich in Europa langsam von Kreta aus die ersten Hochkulturen entwickelten.

Diese große Vergangenheit macht stolz und führt auch dazu, dass China glaubt, westliche Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte ignorieren zu können. Gerade in Zeiten der aus China kommenden Corona-Pandemie, welche die Welt und ihre Geschichte massiv verändert, ist es wichtiger denn je, Chinas globalen Machtwillen zu verstehen, da er das Leben der nachfolgenden Generationen massiv und brutal beeinflussen kann und wird. China verhält es sich anderen Staaten gegenüber desto übergriffiger, je stärker seine Wirtschaft wird und macht Angst vor einer kraftstrotzenden, anderen Interesse beiseiteschiebenden Hegemonialmacht.

Chinas große Geschichte festigt die Machthaber und ihr Volk in ihrem Anspruch, alleinige Supermacht zu sein. Michael Schuman führt in der Einleitung seines Buchs diesen Machtanspruch mit der langen Liste der sich abwechselnden Dynastien vor Augen, die vor 3.575 Jahren mit der Shang-Dynastie ihren Anfang nahm, die dem Land unter anderem seine Schrift gab.

Es gab immer mal wieder Einbrüche, zum Beispiel als zwei Reiche um die Macht im Lande stritten oder als die Mongolen erst einen Teil und dann das gesamte Land beherrschten. Doch auch diese Jahrhunderte haben positive Spuren hinterlassen, denn auch wenn China unter einigen der fremden Herrscher litt, zog es seine Lehren für die weitere Entwicklung. Über Jahrtausende hinweg verfügte das Reich der Mitte über das stärkste Militär, die florierendste Wirtschaft, eine Erfindungs- und Innovationsfreude und den größten wissenschaftlichen und kulturellen Einfluss in seiner Region.

Die Weltgeschichte stellt sich aus Chinas Sicht also völlig anders dar als jene, die den westlichen Kanon bestimmt – und hieraus speist sich Chinas Verständnis davon, wie man als Supermacht mit Menschen und anderen Staaten umgeht. In diese Position der Stärke will es zurück, nach Jahrzehnten, in denen das Land durch die westliche Kolonialpolitik und den importierten Kommunismus vorübergehend in seine Schranken gewiesen war. Michael Schuman erzählt Chinas komplexe Historie: von großen Dynastien und faszinierenden Persönlichkeiten, epischen Konflikten und einflussreichen Denkern. Er macht deutlich: China hat sich stets als alleinige Weltmacht gesehen, nach der die anderen sich auszurichten haben. Können wir noch etwas gegen die Vorherrschaft Chinas tun? Wohl kaum, denn es geht nach Ansicht Schumans nicht um die Frage, OB China die Welt wieder beherrscht, sondern WANN und WIE.Der 52-jährige Michael Schuman kennt China aus dem Effeff und lebt seit einem Vierteljahrhundert im Peking. Der studierte Asienwissenschaftler schrieb als Asien-Korrespondent 23 Jahre lang für das „Wall Street Journal“ sowie das „Time Magazine“ und veröffentlichte außerdem bei der „New York Times“, der „Business Week“ und „Forbes“.

BMicael Schuman, Die ewige Supermacht - eine chinesische Weltgeschichte, Propyläen. Hardcover, 512 Seiten, ISBN 3549100363, 26 Euro

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