Ein Kurzbesuch in Istanbul

Blaue Moschee am Abend

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Istanbul ist eine faszinierende Stadt, die für ihre reiche Geschichte, ihre einzigartige Kultur und ihre atemberaubende Schönheit bekannt ist. Die Stadt liegt an der Grenze zwischen Europa und Asien und ist damit eine Brücke zwischen den beiden Kontinenten. Istanbul ist die größte Stadt der Türkei und eine der größten Städte der Welt, mit einer Bevölkerung von über 15 Millionen Menschen.

Die Geschichte Istanbuls reicht über 2000 Jahre zurück. Die Stadt wurde im Jahr 330 n.Chr. von Konstantin dem Großen als Konstantinopel gegründet und diente als Hauptstadt des Byzantinischen Reiches. Im Jahr 1453 eroberte Sultan Mehmed II. die Stadt und machte sie zur Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Istanbul war damit fast 500 Jahre lang das politische und kulturelle Zentrum des Osmanischen Reiches.

Hagia Sofia

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Die Hagia Sophia

Blick auf Hagia Sophia

(c) Michael Ritter

Heute gibt es in Istanbul viele Orte, die an diese reiche Geschichte erinnern. Eines der bekanntesten Wahrzeichen Istanbuls ist die Hagia Sophia. Dieses beeindruckende Gebäude wurde im Jahr 537 n.Chr. unter Kaiser Justinian I. als orthodoxe Kirche erbaut und später zur Moschee umgewandelt. Viele Jahre zog sie als Museum jährlich Millionen von Besuchern an. Der "Große Kirche" genannte Bau war über 900 Jahre lang die größte Kirche des Christentums.

Nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen wurde die Hagia Sophia zur Moschee umgewandelt und diente bis 1935 als islamisches Gotteshaus. In dieser Zeit nahm man einige Veränderungen an der Struktur vor, fügte Minarette, eine nach Mekka ausgerichtete Gebetsnische, den Mihrab und eine Minbar genannte Kanzel hinzu.

Im Jahr 1935 wandelte Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei, die Moschee in ein Museum um, das in den folgenden Jahrzehnten viele Besucher aus der ganzen Welt anzog und als eines der bekanntesten historischen Wahrzeichen der Türkei galt, da sie durch ihre beeindruckende Architektur und ihre reiche Geschichte die Besucher aller Glaubensrichtungen faszinierte. Ihre beeindruckende Kuppel galt einst als größte Kuppel der Welt und ist immer noch ein Meisterwerk der byzantinischen Architektur. Die Innenwände sind reich mit Mosaiken und Fresken von biblischen Szenen geschmückt. Das war den Machthabern ein Dorn im Auge und so wandelte die türkische Regierung unter ihrem Präsidenten Erdogan im Jahr 2020 die Hagia Sophia wieder in eine Moschee um. Trotz der darauf aufbrandenden internationalen Reaktionen und Kontroversen bleibt sie weiterhin ein wichtiges Symbol der Geschichte und Kultur Istanbuls.

Topkapi-Palast

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Der Topkapi-Palast und seine Umgebung

Blaue Moschee

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Unweit der Hagia Sophia liegt mit dem Topkapı-Palast ein weiteres bekanntes Wahrzeichen der Stadt. Mehr als 300 Millionen Besuchern kommen jedes Jahr in den Palast, der während der osmanischen Herrschaft den Sultanen als Wohnsitz diente. Heute gibt das Museum tiefe Einblicke in das Leben der osmanischen Herrscher. Im 15. Jahrhundert auf der Landspitze Sarayburnu erbaut, diente er den Osmanen fast 400 Jahre lang als Machtzentrum. 70 Hektar umfasst der Komplex aus zahlreichen Gebäuden, Gärten und Innenhöfen. Gut geschützt lag der kaiserliche Palast, der Harem, die Schatzkammer und der Justizpalast im Inneren. Auf der Ostseite des zweiten Hofs lag die große Palastküche, die Tag für Tag bis zu 6000 Mahlzeiten zubereiten musste.

Fast alle Besucher sind vom Kaiserlichen Palast mit seinen Nebengebäuden fasziniert, die für verschiedene Zwecke genutzt wurden. darunter der Divan, der Thronsaal, die Audienzhalle und die Bibliothek wo der Sultan wichtige Gäste empfing und man politische Entscheidungen traf. Übersetzt bedeutet Topkapı Kanonentor. Im Osmanischen Reich bezeichnete man mit dem Namen „Hohe Pforte“ nicht nur dieses Kanonentor des Palastes, sondern nutzte es als Metonym für den Sitz der Regierung.

Der Diwan der Hohen Pforte war lange Zeit der Staatsrat des Osmanischen Reiches, den man seit 1647 auch bei uns als Divan bezeichnete. Der Dichter Goethes, dessen Gedichtsammlung „Der ost-westliche Divan“ ebenso zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde wie der Topkapı-Palast, sah darin das Verbindende zwischen Ost und West. Anders sein 100 Jahre später lebender englischer Kollege Rudyard Kipling. Der schrieb „Ost ist Ost, West ist West, sie werden nie zueinanderkommen“. Goethe zeigte mehr Gelassenheit und betrachtete Ost und West als gleichberechtigt, als er schrieb „Wer sich selbst und andre kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen“. Personell wurde der Divan der Hohen Pforte mit seinen Wesiren vom mächtigen Großwesir geleitet, der den Sultan in seiner Abwesenheit vertrat. Auch der Anführer der Janitscharen, die die Leibwache des Sultans stellten, durfte teilweise an den Beratungen teilnehmen.

Im Justizpalast hielt der Sultan oder seine Untergebenen die wichtigen Gerichtsverfahren ab. Er diente auch als Gefängnis und Archiv. Den Reichtum demonstrierten die auf Expansion ihres Herrschaftsgebietes ausgelegten Osmanen gerne in der Schatzkammer mit einer beeindruckenden Sammlung von Schätzen und Reliquien, Juwelen, Gold- und Silberwaren, Keramik und Textilien.

Der privateste Teil des Palastes war der Harem, in dem die Frauen des Sultans zusammen mit ihren Dienerinnen lebten. Er umfasste auch den Privatbereich des Sultans und der Kaiserin sowie die Wohnungen der Konkubinen und ihrer Kinder. Im Kafes oder ‚Käfig‘, dem sogenannten „Prinzengefängnis“ hielt der Sultan osmanische Prinzen gefangen. Das war notwendig geworden, nachdem Sultan Mehmed II. das Brudermordgesetz erlassen hatte, das die Thronfolge regelte und präventiv zur Vermeidung von Erbstreitigkeiten und einer Aufteilung des Territoriums die Exekution der Kontrahenten vorsah. Da sich das Gesetz nicht immer als sinnvoll erwies, diente der Kafes quasi als Reservistenlager für legitime Nachfolger des Sultans, falls dieser verstarb. Manchmal betrachtete sie der Divan auch als Option für einen Austausch des Sultans. Osman III. landete dort schon als 5-jähriger, bevor er 51 Jahre in latenter Lebensgefahr in Gefangenschaft, bevor er den Thron bestieg. Auf eine vernünftige Ausbildung zur Übernahme des Sultanats hatte man verzichtet, doch erlernte er zumindest das Handwerk des Pantoffelmachers.

Heute würden viele der Prinzen vermutlich lieber im nahegelegenen ehemaligen Sultan-Ahmet-Gefängnis Quartier beziehen wollen. Vor gut 100 Jahren erbaut, diente das Gefängnis auch zur Inhaftierung intellektueller Kritiker und Künstler und verfiel nach seiner Schließung im Jahr 1969, bis man 1992 den Entschluss fasste, es als Hotel zu nutzen. 1996 nahm dort im restaurierten Bau das Four Seasons Hotel mit 65 Zimmern und schönen Suiten als eines der luxuriösen Hotels der Stadt den Betrieb auf. 1840 genügte der Topkapi-Palast nicht mehr den modernen Ansprüchen der osmanischen Herrscher, die dann in den neuen Dolmabahçe-Palast direkt am Ufer des Bosporus umzogen.

Der Garten des Topkapı Palastes dient heute als Gülhane Park vielen Istanbulanern als beliebtes Naherholungsgebiet. Die 15 m hohe monolithische Gotensäule erinnert an den Sieg Ostroms gegen die belagernden Goten. Neben dem Museum für Geschichte der Wissenschaft und Technik im Islam in den früheren Stallungen des Palastes. Der Garten ist zum Teil seit 1912 zugänglich. Er war in den letzten Jahrzehnten etwas heruntergekommen. Ich erinnere mich noch an einen der traurigsten Zoos, die ich je gesehen habe und der inzwischen zum Glück aufgelöst wurde und so bietet der Park mit seiner großen Fläche, seinen Blumengärten, Gewächshäusern, Terrassengängen, Cafés und Brunnen eine ruhige Atmosphäre inmitten der Stadt.

Auch die bei uns fast nur als Blaue Moschee ist eine weitere berühmte Sehenswürdigkeit Istanbuls. Eigentlich heißt sie Sultan-Ahmed-Moschee, da sie 1609 von Sultan Ahmed I. in Auftrag gegeben und bis kurz vor dem Tod des Sultans im Jahr 1617 von Mehmet Aga, einem Schüler des berühmten Architekten Sinan, errichtet wurde. Sie ist ein Hauptwerk der osmanischen Architektur und war zwischen der Umwandlung der nur 500 Meter entfernten Hagia Sophia in ein Museum und deren Wiedereröffnung Istanbuls Hauptmoschee. Einen Titel den seit dem 24. Juli 2020 wieder die Hagia Sophia übernommen hat. Den Namen Blaue Moschee trägt sie wegen ihrer blau-weißen Fliesen, die sowohl die Kuppel wie den oberen Teil der Mauern zieren. Diese sind allerdings jünger als der Bau selbst. Sehr interessant sind die Fliesen am unteren Teil der Mauern und an den Tribünen, die aus der Blütezeit der İznik-Fayencen stammen und traditionelle Pflanzenmotive zeigen. Schön ist auch hier die beeindruckende Kuppel und die vielen blauen Kacheln.

Doch neben diesen historischen Sehenswürdigkeiten hat Istanbul heute auch viele moderne Attraktionen zu bieten. Die Stadt ist bekannt für ihre exzellente Küche. Neben der traditionellen türkischen Küche findet man auch jede Menge international geprägter Restaurants. Nicht verpassen sollten Besucher den Besuch in einem der vielen Basare und Märkte der Stadt, wo man viele Produkte und Souvenirs erwerben kann. Bekannt ist die Stadt auch für ihre lebendige Kunstszene. Das Istanbul Modern ist das größte Museum für zeitgenössische Kunst in der Türkei und beherbergt eine spannende Sammlung von Werken türkischer und internationaler Künstler.

Galataturm

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Entlang des Goldenen Horns

Bummel durch Fatih

(c) Michael Ritter

Auf der anderen Seite des Goldenen Horns, einer gut sieben Kilometer langen und enger werdenden Bucht, die als Naturhafen dient, liegt der beliebte Stadtteil Beyoğlu. Die Galata-Brücke führt unweit des ehemaligen Hauptbahnhof Sirkeci darüber. Den Namen Goldenes Horn verdankt es seiner Form, die einer Hörnerkrümmung ähnelt. Als wichtige Wasserstraße für den lokalen Schiffsverkehr war sie einst der natürliche Hafen der Stadt.

Auch historisch spielt das Goldene Horn eine wichtige Rolle, denn dort hatten sich schon früh verschiedene Nationen mit Handelszentren angesiedelt, wie Römer, Byzantiner, Venezianer, Genueser und Osmanen. Von hier aus erfolgte auch die Eroberung Konstantinopels durch Mehmet den Eroberer, dem Gründer des Osmanischen Reiches. Schon die herrlichen Blicke, die man von den umgebenden Hängen auf das Goldene Horn hat, machen es zu einer Touristenattraktion. Links und rechts liegen auf beiden Seiten zahlreiche historische Sehenswürdigkeiten, wie der Galata-Turm und der Hügel mit dem Café Pierre Loti. Leider kann man ist die byzantinische Chora-Kirche, die mit ihren Mosaiken und Fresken aus der Spätphase der Byzantinischen Kunst im frühen 13. Jahrhundert zu den bedeutendsten Sakralzyklen weltweit zählt, nach der durch ein Dekret Recep Tayyip Erdoğans erfolgten Umwandlung in eine Moschee nur noch zum Gebet besuchen.

Man merkt den Wandel, den Istanbul gerade in den Zeiten erfahren hat, als Erdogans AKP nicht nur in der Türkei, sondern auch in Istanbul an der Macht war. Erst 2019 gelang es der oppositionellen und vom Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gegründeten CHP, mit Ekrem İmamoğlu wieder den Oberbürgermeister zu stellen. Dessen Ambitionen, ähnlich wie einst Erdogan 2023 bei der Wahl des Staatspräsidenten, das Amt des Oberbürgermeisters gegen die des Staatspräsidenten zu tauschen, brachte ihm eine Verurteilung wegen "Beleidigung der Wahlkommission" und ein Politikverbot ein. Kritiker stufen dies als politisch motiviert ein. Die CHP hat sich dem Motto "Veränderungen für eine zeitgemäße Türkei" verschrieben und bietet säkularen, religiös liberal eingestellten Türken eine Heimat.

Beim Bummel durch Fatih sieht man an manchen Stellen, dass Erdogan und die AKP während ihrer örtlichen Herrschaft gerne Tabula rasa gemacht haben. Einige der autokratisch geplanten Projekte kamen bei den Bewohnern gut an, wie die schnell und nachhaltig verbesserte Infrastruktur. Der neue Flughafen am Schwarzen Meer ist der größte Flughafen Europas und entstand - verglichen mit Deutschlands BER - in Rekordzeit. »Wenn der Mensch stirbt, hinterlässt er ein Denkmal« hatte Erdogan einmal gesagt. Manchmal fielen bei den Megaprojekten allerdings auch sehr viel Späne, wie im einstigen Zigeuner-Viertel Sulukule an der Theodosianischen Landmauer. Die Roma lebten dort schon seit rund tausend Jahren und es war das größte Romaviertel des Osmanischen Reichs. Dann entzog man ihnen in den 90er Jahren erst durch Schließung ihrer Lokale - wegen Prostitution - die Lebensgrundlage und vertrieb sie später in den 00er Jahren ganz, indem man fast des gesamten Viertel einebnete und eine Luxus-Gentrifizierung durchzog.

Das Goldene Horn ist auch ein wichtiger Ort für Festivals und Veranstaltungen, wie dem jährlichen Istanbul Film Festival und dem Istanbul Jazz Festival. Apropos Pierre Loti: Der einst gefeierte französische Bestsellerautor und Marineoffizier ließ seinen ersten Roman „Aziyadé“ in Istanbul spielen und war von Orient und Osmanischem Reich fasziniert. Im Stadtteil Eyüp benannte man ein zauberhaftes Café über dem großen moslemischen Friedhof nach ihm. Inzwischen kann man von der bei Muslimen als Wallfahrtsort sehr beliebten Eyüp-Sultan-Moschee mit einer Seilbahn hinauffahren, um den beeindruckenden Ausblick auf die Istanbuler Stadtteile am Goldenen Horn zu genießen.




Georgs-Kathedrale

Church of St. George, Istanbul (August 2010)

Zu Gast beim Ökumenischen Patriarchen

In der Georgs-Kathedrale

(c) Michael Ritter

Auch wenn man die Chora-Kirche nicht mehr besuchen kann, lohnt das umgebende Stadtviertel mit seinen engen Gassen und der einst sehr diversen Bevölkerung. Ganz in der Nähe liegt auch am Ufer der Sitz des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Derzeit ist die Bartholomäus I.. Als Primus inter pares regiert er auf Augenhöhe mit dem Papst als Oberhaupt von rund 350 Millionen orthodoxen Christen. Bis zur Eroberung durch die Osmanen diente die Hagia Sophia viele Jahrhunderte als, jetzt muss sich der Patriarch mit der kleinen Georgs Kathedrale an seinem Amtssitz zufriedengeben, in der auch ein Teil der Geißelsäule Christi ausgestellt ist. Das Verhältnis des Patriarchats zum türkischen Staat ist weiterhin schwierig, nachdem das letzte griechisch-orthodoxe Priesterseminar auf einer der nahen Prinzeninseln im Marmarameer 1971 von der Regierung zusammen mit anderen privaten Hochschulen verstaatlicht und dann geschlossen wurde. 2011 gab Erdoğan konfiszierte Immobilien und Sakralbauten an die christlichen Minderheiten zurück. Der Patriarch von Konstantinopel reagierte darauf positiv, doch es war eine Forderung der EU, um mit der Türkei Beitrittsverhandlungen zu eröffnen.

Mancher denkt angesichts des Kriegs in der Ukraine an die Orthodoxe Kirche Russlands, die den Krieg unterstützt. Als 2018 die konkurrierenden Kirchen der Ukraine dem Ökumenischen Patriarchen unterstellt wurden, gab es Widerstand des Moskauer Patriarchen, der ein Jahr später auf einer Synode einseitig die Gottesdienstgemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat aufkündigte.

Strassenbahn zum Taksim-Platz

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Beyoglu - das einstige Pera

Galataturm

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Das bereits erwähnte Viertel Beyoğlu hat in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Früher war es unter dem griechischen Namen Pera bekannt. Der markante Galataturm war einst Teil von dessen Stadtbefestigung, mit der die Genueser ihre Handelsniederlassung schützten. Heute liegt dort eine beliebte Aussichtsplattform. Das Viertel ist bekannt für seine zahlreichen gemütlichen Restaurants, Clubs und Bars, die bis spät in die Nacht geöffnet sind. Uns hat es sehr gut im kleinen Karaköy Dem Meyhanesi gefallen. Allein schon die kleinen Vorspeisen, die Mezeler, sind lecker und machen mit Preisen zwischen 3 und 5 Euro satt, die Fleisch- und Fischgerichte kosten zwischen 6 und 15 Euro. Alkohol ist überall in der Türkei teuer. 2022 hat die Regierung die Steuern auf Alkohol um 50 Prozent erhöht. Präsident Erdogan, selbst frommer Muslim, sprach sich öfter Alkoholkonsum aus und ermuntert seine Landsleute mit dieser Sondersteuer dazu, lieber Ayran statt Raki zu trinken. Als er 2002 die Macht übernahm, kostete eine Flasche Raki 8 Lira, heute 250 Lira.

Am Ende der Galatabrücke kann man mit der unterirdischen Standseilbahn Tünel, seit 1875 die älteste dauerhaft betriebene Standseilbahn Europas, den Hügel erklimmen. Im Gebäude über der Bergstation hat die Stadtverwaltung IBB das Metrohan Ausstellung- und Kulturzentrum eingerichtet, in dem immer wieder Wechselausstellungen stattfinden. Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu hat eine Reihe neuer Kulturzentren errichten lassen.

Als Fortsetzung der Standseilbahn wartet vor der Tür des Metrohan Kulturzentrums die nostalgische Tram, die Besucher und Einheimische alle halbe Stunde über die stets mit Menschen überfüllte Flaniermeile İstiklal zum Taksim-Platz bringt. Gleich zu Beginn liegen auf der rechten Seite der alte deutsch-türkische Buchladen, heute mit Café, von Thomas Mühlbauer. Dessen österreichischer Vater Franz war auf dem Weg nach Persien 1955 hier hängengeblieben, traf eine junge Deutsche und gründete erst eine Familie und dann den Buchladen im damals ziemlich heruntergekommenen Viertel, in dem man die Läden der zum Teil schon vertriebenen Griechen plünderte und der Mob marodierend durch die Gassen zog. 1992 hat Thomas die Buchhandlung nach dem Tod des Vaters übernommen. Daneben liegt der Jugendstil Bau Casa Botter, das der niederländische Designer Jean Botter vom italienischen Palastarchitekten Raimondo d’Aronco errichten ließ. Nachdem es später ziemlich heruntergekommen war, hat die Stadtverwaltung IBB es restaurieren lassen und im April 2023 mit einer Kunstausstellung wiedereröffnet hat. Immer sehr beliebt ist die kleine Cicek-Passage. In den 1940er Jahren wurden dort Blumen verkauft, die ihr den Namen gaben, heute sind Pubs und Restaurants in die restaurierte Passage eingezogen.

Taksim-Platz

TaksimSquareIstanbul

Taksim-Platz und Gezi-Park

Strassenbahn Istanbul

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Der Taksim-Platz bildet den Verkehrsknotenpunkt des stärker europäisch geprägten Teils der Metropole. Einst kam hier das Wasser aus dem Belgrader Wald in die Stadt und gab dem Platz seinen Namen. Schon früh waren viele der prachtvollen Paläste aber nur wenige Bürgerhäuser der Umgebung an die osmanische Fernwasserleitung angeschlossen. Die Mehrzahl der Bewohner versorgte sich aus den ebenfalls angeschlossenen öffentlichen Brunnen. Seit rund 10 Jahren hat man am Taksim-Platz den Durchgangsverkehr weitgehend unter die Oberfläche verlegt und ihn in eine Fußgängerzone verwandelt. Zahlreiche internationale Hotels wie Hilton, Sofitel, Interconti und Divan liegen in der Nähe. Am Ostende liegt das neue Atatürk-Kulturzentrum, ein Veranstaltungszentrum mit mehreren Bühnen für Oper und Ballett, das den Vorgängerbau ersetzt. Ein schicker Platz für ein Abendessen, sogar mit deutschen Top-Weinen, ist die im Kulturzentrum liegende Divan Brasserie. Vom der Dachterrasse hat man einen wundervollen Blick auf die Stadt und den Bosporus. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes liegt die neu errichtete Taksim-Moschee.

International bekannt wurde der Taksim-Platz durch den im Norden anschließenden Gezi-Park, einen knapp 4 ha großen Stadtpark mit Bäumen und letzten größere bewaldeten Platz in der Innenstadt.

2013 wurde er Ausgangspunkt von Protesten gegen Pläne, den Park zu bebauen. Doch der Protest galt mehr als nur den Bauplänen und sammelte die Protestierenden, die dort ihre allgemeine Unzufriedenheit mit der türkischen Regierung ausdrücken wollten. Schon früher hatte es Widerstand gegen die fortgesetzte Umweltzerstörung im Großraum Istanbul gegeben, mit der man die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben wollte. Nach einem Beschluss der Gemeinde aus dem Jahr 2011 hatte die türkische Regierung 2013 entschieden, dort ein neues Einkaufszentrum zu errichten und ließ im Mai die Bagger anrollen. Erst stellte sich ein Mann einem der Bagger entgegen, einen Tag später begann der Protest auf breiter Front. Der Versuch der Niederschlagung durch die Polizei ließ diesen Protest landesweit eskalieren und obwohl der Park zwei Wochen später von der Polizei gewaltsam geräumt wurde, untersagte des Verwaltungsgericht Istanbul den Bebauungsplan der Regierung auf Antrag der Istanbuler Architektenkammer. 2016 hatte Staatspräsident Erdoğan dann alle Hindernisse aus dem Weg geräumt, um sein umstrittenes Bauprojekt doch verwirklichen zu lassen, nachdem der türkische Verwaltungsgerichtshof alle vorher ergangenen Gerichtsurteile aufgehoben hatte. Ein Sieg Erdogans, ein Signal an die Welt, dass Demokratie hier vom Staat einen anderen Stellenwert eingeräumt wird. Noch ist der Gazi-Park allerdings ein Park.

Sultanahmet

Sultanahmet neighbourhood 2018

Rund um Sultanahmet

Warteschlange vor dem Restaurant

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Viele der Hauptattraktionen Istanbuls liegen im traditionell orientalisch geprägten Altstadt Istanbuls namens Sultanahmet. Hier schlägt das Herz des Tourismus. Schon als ich vor 50 Jahren zum ersten Mal Istanbul besuchte, kam man um einen Besuch nicht herum. Damals war es das Lale Restaurant der Brüder Colpan, meist nur unter dem Namen Pudding Shop bekannt. Junge Reisende aus aller Welt konnten dort mit schönem Blick auf die Hagia Sophia und die Blaue Moschee Tipps für die Weiterreise auf dem Hippie Trail austauschten und am Schwarzen Brett Nachrichten hinterlassen. Bill Clinton war hier, Joschka Fischer ebenfalls. Heute weckt das Restaurant bei manchem Senior die Erinnerungen an ihre wildere Jugend. Nach kurzem Besuch, bei dem uns der Sohn des einstigen Besitzers auf ein Glas Tee einlud, aßen wir nebenan im Sultanahmet Köftecisi zu Mittag. Hier geht alles Schlag auf Schlag. Große Auswahl gibt es nicht, braucht es aber auch nicht, denn die meisten essen hier seit mehr als 100 Jahren Köfte, flache Frikadellen mit Kalbfleisch, frisch vom Grill. Dazu einen gemischten oder Bohnen-Salat, einen Ayran oder Wasser.

Die Kosten für eine Mahlzeit sind mit knapp 10 Euro gering, die Besucher bunt gemischt. Dennoch fällt beim Blick auf noch gar nicht so alte Instagram-Bilder auf, dass sich die Preise deutlich erhöht haben, teilweise um fast 100 Prozent. Kein Problem für Touristen, die für den Euro im Mai 2023 21,5 türkische Lira bekommen, aber bei einem Durchschnittsgehalt von derzeit 410 Euro für Einheimische ein Riesenproblem, denn auch die Mietkosten rennen auch angesichts des Ansturms der Millionen Flüchtlinge allein aus Syrien davon. In den Wahlreden der Bewerber um das Präsidentenamt scheinen sich die Kontrahenten Erdogan und Kilicdaroglu mit Abschiebeversprechen beinahe überbieten zu wollen.

Doch zurück aus der manchmal bedrückenden Jetztzeit ins einstige Herz des Osmanischen Reichs. Das schlug wenige Meter entfernt im Topkapi-Palast. Wie Rom ist auch Istanbul auf sieben Hügeln erbaut. Sultanahmet ist davon die No. 1. Es macht es Spaß gut geschützt durch die omnipräsente Touristenpolizei über den Sultanahmet-Platz zu schlendern und die Atmosphäre zu genießen. Fast alle international bekannten Attraktionen Istanbuls liegen rund um den Platz: das Hippodrom, die Hagia Sophia, der Topkapi-Palast, die Blaue Moschee, die Cisterna Basilica, das Archäologiemuseum und das Museum für türkische und islamische Kunst.

Ich habe mir bei meinem letzten Besuch wieder einmal die Basilika-Zisterne aus dem 6. Jahrhundert angeschaut. Lange Schlangen warten trotz stark auf knapp 24 Euro gestiegener Eintrittspreise. Yerebatan nennt man sie auf Türkisch, was „zu Boden sinken“ bedeutet. Seit dem 1970ern hat sich viel getan. Damals konnte man mit dem Boot auf dem Wasser der Zisterne fahren, heute hat man fast das gesamte Wasser abgepumpt und Metallstege verlegt, die es ermöglichen auch die im hinteren Teil liegenden Medusen-Köpfe zu betrachten. Mit 140 mal 70 Metern ist es eines der mystischsten und beeindruckendsten Gebäude der Stadt. Gewaltige 9 m hohe Säulen, Spolien ehemaliger Gebäude aus römischer Zeit tragen die beeindruckenden Bögen. Einige Säulen sind wundervoll verziert. Gefüllt war sie einst mit bis zu 100.000 t Wasser.

Die Begeisterung der Besucher für die inzwischen obsolet gewordenen Zisternen führte dazu, dass in den letzten Jahren die Stadtverwaltung IBB auch die im bereits erwähnten Gülhane Park gelegene 12 mal 17 Meter große kleine Zisterne aus byzantinischer Zeit vom Abraum der Jahrhunderte befreite und darin kleine Konzerte aufführen lässt.

Bukoleon-Palast an Bahngleisen

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Byzantinisches Kleinod Bukoleon Palast

Archäologe zeigt Rekonstruktion Bukoleon-Palast

(c) Michael Ritter

Nicht weit entfernt von Sultanahmet ist auch der Bukoleon Palast, den die Stadt über Jahrzehnte verfallen ließ, ihn mit der Bahnstrecke entlang des Marmarameers nach Sirkeci zerschnitt und ihn zum Rückzugsort für Obdachlose machte. Einst war er einer der byzantinischen Paläste Konstantinopels und lag am Ufer des Marmarameers, unweit der Hagia Sophia. Erbaut wurde der Palast vermutlich im 5. Jahrhundert n. Chr. und war über die Jahrhunderte hinweg Residenz zahlreicher byzantinischer Kaiser. Von der einstigen Pracht des Bukoleon-Palast ist wenig übriggeblieben. Einst standen mehrere Gebäude um einen Innenhof, in dessen Zentrum sich ein Brunnen befand. Marmor und anderen wertvollen Materialien schmückten die Fassade und das Innere. Neben seiner Funktion als kaiserlicher Wohnsitz, diente er auch für Zeremonien und Empfänge. Er war, wie später der Diwan der Osmanen der Ort, an dem wichtige Staatsangelegenheiten diskutiert und Entscheidungen getroffen wurden. Auch wenn er nach der Eroberung nicht mehr in Gebrauch war, bleibt er ein wichtiges historisches Denkmal und Zeuge der glorreichen Zeit des Byzantinischen Reiches. Das sollte ihn später wieder zu einem beliebten Touristenziel machen, wenn sich die Besucher der Ruinen ein Bild von seiner ehemaligen Pracht machen können. Dafür hat die Stadtverwaltung IBB viel Geld in die Hand genommen und die Archäologen beauftragt, ihn Stück für Stück freizulegen. Leider bleiben die Bahngleise die Grenze der Ausgrabungen, weshalb ein Teil des Palastes wohl dauerhaft unter den Neubauten am Hang zur Blauen Moschee verborgen bleiben wird.

Er war einer der großen byzantinischen Herrscherpaläste von Konstantinopel und wurde vermutlich von Theodosius II. im 5. Jahrhundert erbaut. Einst lag er direkt am Ufer des Marmarameers. Kaiser Justinian I. ließ einen kleinen Hafen vor dem Palast bauen, an dem Statuen von Stieren und Löwen standen, die Hafen und Palast seinen Namen gaben. Kaiser Theophilos erweitere den Palast, fügte eine repräsentative Fassade an der Mauer vom Meer hinzu, an der man einst auf einem Balkon aufs Meer schauen konnte. Heute ist es noch eine ziemlich wacklige Kletterei, doch schon bald sollen die Überreste des Palastes wieder Besuchern offenstehen. Kaiser Nikephoros Phokas ließ Ende des 10. Jahrhunderts dort seinen Wohnsitz einrichten und im Innenhof hängende Gärten mit einer abschließenden Arkade anlegen. Im Laufe der Jahrhunderte hat man ihn dann mit dem Großen Palast verbunden, der sich dort befand, wo heute wo später die Blaue Moschee errichtet wurde. Im 13. Jahrhundert zog der Hof in den neuen Blachernen-Palast zwischen Chora-Kirche und Goldenem Horn um. Schon damals begann der Zerfall, doch Rekonstruktionen, die der Archäologe auf Bildern zeigt, lassen erkennen, was hier untergegangen ist. Bei den Ausgrabungsarbeiten, erzählt er, haben die Mitarbeiter mehrere Leichen gefunden, die in den vergangenen Jahrzehnten auf dem vernachlässigten Gelände verstorben sind oder dort deponiert wurden.

Yerebatan Zisterne

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Abseits des Zentrums

Ortakoy

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Unbedingt einen Besuch wert ist Ortakoy, wo man am Ufer des Bosporus in schicken Restaurants wie dem Feriye die neobarocke Große Mecidiye Moschee bewundern kann. Nur wenige Meter entfernt verbindet die 1973 eröffnete Bosporusbrücke in 64 Meter Höhe Europa mit Asien. Ihr neuer Name „Brücke der Märtyrer des 15. Juli“ erinnert an den Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs im Jahr 2016, bei dem die strategisch wichtige Brücke zum Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen zwischen dem oppositionellen Militär und Unterstützern Erdogans wurde. Es war die erste Brücke zwischen den beiden Kontinenten und wird Tag für Tag von rund 180.000 Fahrzeugen genutzt. Staus auf den Zufahrtstrassen sind trotz zwei weiterer Brücken und eines Tunnels an der Tagesordnung. Die Maut liegt durch die hohe Inflation und Entwertung der türkischen Lira im Cent Bereich.

Unterhalb vom Taksim-Platz liegt am Ufer des Bosporus das Fährterminal von Besiktas nach Kadıköy, zu den Prinzeninseln und zum direkt gegenüberliegenden Üsküdar. Sehr gut gefallen hat mir das ruhige und entspannte Kadıköy im asiatischen Teil Istanbuls. Der beliebte Stadtteil ist bekannt für seinen Fisch- und Lebensmittelmarkt. In den verwinkelten Straßen liegen die Bauten im farbenfrohen Street-Art nebeneinander, man findet nette Boutiquen, trendige Cafés und gute Lokale. Es ist ein schöner Spaziergang zum Ufer von Moda, von wo man einen herrlichen Ausblick auf das Nobelviertel Fenerbahce mit seinem Fußballstadion und auf das Marmarameer hat.

Insgesamt bietet Istanbul eine einzigartige Mischung aus alter und moderner Kultur. Besucher können die reiche Geschichte der Stadt erkunden, die lokale Küche genießen, Kunstwerke bewundern und das Nachtleben erleben. Istanbul ist eine Stadt, die für jeden etwas zu bieten hat und damit definitiv einen Besuch wert ist.

© Michael Ritter

(c) Magazin Frankfurt, 2024