Fasnet in Oberschwaben

Bad Waldseer Schorrenweible
Bad Waldseer Schorrenweible
Narrensprung Bad Waldsee
Narrensprung Bad Waldsee
Alte Gazemaske aus dem Museum
Alte Gazemaske aus dem Museum
Hexenspuk in Bad Saulgau
Hexenspuk in Bad Saulgau
Der Führer von Werners Esel in Bad Waldsee
Der Führer von Werners Esel in Bad Waldsee
Narrensprung in Bad Waldsee
Narrensprung in Bad Waldsee
Maskenschnitzer Günther Wetzel mit einer seiner Masken
Maskenschnitzer Günther Wetzel mit einer seiner Masken
Schrättele mit ihren zwei Gesichtern
Schrättele mit ihren zwei Gesichtern

Die Narren sind los Fasnet in Oberschwaben

Wer in den nächsten Tagen zur Fastnacht durch das malerisch zwischen den Seen gelegene Bad Waldsee spaziert, den begrüßen die gastfreundlichen Bewohnen mit einem am Anfang ungewohnten Gruß. Doch seien Sie versichert – spätestens nach ein paar Stunden haben auch Sie sich an das überall zu hörende fröhlich-laute „Aha“ gewöhnt und werden es selbst ebenso großzügig verwenden.

Die gesamte mittelalterliche Stadt ist zu den Fasnetstagen geschmückt und die Bewohner auf den Beinen, um zielstrebig die Gaststätten anzusteuern. Der Narrenruf der Waldseer Narrenzunft begleitet Gäste und Einheimische durch die fünfte Jahreszeit und vor Ort kann man den Narren eigentlich nicht entkommen.

Der Ort hat in diesen Tagen besonders viel zu bieten. Kein Wunder also, dass das närrische Treiben Gäste fast magisch in die wunderschön hergerichtete historische Innenstadt zieht. Bad Waldsee ist erklärte Hochburg der schwäbisch-alemannischen Fasnet in der beliebten Ferienregion Oberschwaben. Man sollte ein bisschen Zeit mitbringen, denn im Lauf der Tage zwischen dem „Gumpigen Donstig“, der in diesem Jahr auf den 4. Februar fällt und Aschermittwoch ist viel los in Bad Waldsee und vielen Orten Oberschwabens.

Südamerikanisches Flair in Bad Waldsee

In diesem Jahr geht es in Bad Waldsee unter dem Motto „Samba, Salsa, Cha Cha Cha... AHA in Südamerika“ südamerikanisch zu. Fasnet hat im Ort eine lange Tradition und reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Damals tauchte das Wort Fasnet erstmals – na wo wohl – in der Steuerliste des Chorherrenstifts auf. 1935 gründete man dann die örtliche Narrenzunft und startete auch gleich mit eigenständigen Masken.

Zunächst war es nur ein„Federle“, der aus den Waldseer Hexenprozessen bekannt war und ein „Faselhannes“, dessen Name aus dem Buch „Waldsee und seine Vorzeit“ stammt, dem im folgenden Jahr der „Narro“ und weitere Maskengruppen, wie “Werners Esel“ gesellten. Heute ist mehr als jeder Zehnte der rund 20 000 Waldseer Mitglied der Narrenzunft und den besten Einblick in die Geschichte bekommt man in der Zunftstube zur Ölmühle mit eigenem Museum.

Die Einforderung des Narrenrechts

Die Fachwerkhäuser der Innenstadt sind mit bunten Wimpeln geschmückt, die die Straßen überspannen. Schon am Vorabend ist der ganze Ort auf den Beinen, denn dann senden die Narren vom Gasthof „Zum Kreuz“ einen Kurier zu Pferd zum Rathaus, um das Narrenrecht einzufordern und die Übergabe der Stadt an seine närrische Hoheit Prinz Karneval. Zwar versucht so manches Mitglied des Magistrats das mit viel Lamento zu verhindern, aber am Schluss müssen sie sich doch geschlagen geben und den Narren Platz machen die dann für eine knappe Woche die Herrschaft übernehmen. Überall im Ort kommen dann meist traditionell verkleidete Zuschauer aus den Häusern und unterstützen die Narren bei der Machtübernahme.

Vor allem gefällt den Zuschauern, dass die Narren kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn es um die politischen Vorkommnisse des vergangenen Jahres geht. Man darf gespannt sein, was in diesem Jahr den Bürgerinnen und Bürgern missfiel.

Rund um den Rathausplatz sind die Wirtshäuser dicht gedrängt und man muss schon Glück haben oder Hausgast sein, um überhaupt Platz zum Essen und Trinken zu finden. Meist sind es oberschwäbische Spezialitäten, wie Kutteln mit Bratkartoffeln oder Linsen mit Spätzle und Würstchen, die serviert werden

Vom Schrättelestanz zum Ausrufen der Fasnet

Wenn alle satt sind, zieht alles hinaus auf die Gassen und Plätze, denn zur Geisterstunde sind die Schrätteleshexen mit ihren kunstvollen Masken unterwegs und tanzen rund ums Feuer auf dem Rathausplatz den Schrättelestanz, bei dem die Mächte des Winters gegen die immer stärker werdenden Mächte des Frühlings kämpfen. Irgendwann glaubt man dann seinen Augen nicht zu trauen, denn schneller als er kam ist der Hexenspuk vorbei und die Weißnarren tanzen vergnügt mit den Faselhannes und Narros durch die Gassen der Stadt.

Immer wieder wärmt man sich dann in den Gasthöfen auf, bekommt von der Wirtin für ein Liedchen Speis und Trank und an eine Sperrstunde mag an diesem Abend niemand denken. Doch lange schlafen sollte man nicht, denn schon um 8 Uhr am Morgen läuten die Nachtwächter mit dem Ausrufen der Fasnet die Hochzeit ein. Sollten noch Spuren der vorangegangenen langen Nacht zu sehen sein, werden diese überschminkt und mit falschen Bärten, wer keinen echten hat, kaschiert. Vom Wurzacher Tor kommen sie lautstark in die Stadt mit Trommeln und Tröten.

Vom Wächsebrauch und dem Narrenbaum

Und was machen die Kinder? Auch sie werden aus ihren Schulen und Kindergärten und Schulen befreit und wenn ihre Lehrer nicht freiwillig die weiße Fahne hissen werden sie gefesselt und ins nächste Gasthaus entführt. So gewinnt man die Jugend. Die Kinder machen sich dann umgehend auf den Weg zum Wächsebrauch gegenüber der Schule. Einst hatte ein örtlicher Wachszieher mit großen Schwellköpfen die Kinder angelockt und ihnen für ihre laut gerufenen Narrensprüche Wurst, Wecken, Äpfel oder Süßigkeiten zugeworfen. Das kam nicht nur bei den Kindern gut an und heute ist er fester Bestandteil der Bad Waldseer Fasnet.

Nicht nur in Bad Waldsee, sondern auch in vielen anderen Orten Oberschwabens wird dann der Narrenbaum aufgestellt.

Zuvor zieht der Nachwuchs des Zunftrats mit einem in der Vorwoche gefällten Baum mit einem Pferdegespann durch die engen Gassen der Stadt, begleitet von närrischen Zimmerleuten und Landvermessern, die immer wieder umständlich ausmessen, ob der rund 25 Meter lange Baum auch um die nächste Straßenbiegung gefahren werden kann. Kein leichtes Durchkommen, doch zum Glück werden die Aktiven auch auf diesem schweren Weg immer wieder von den ansässigen Gasthäusern verköstigt.

Ab und zu stoppt der Zug auch, damit der Zimmermeister auf den Wagensteigen und eine närrische Begebenheit des vergangenen Jahres vortragen kann. Der „Delinquent“ wird dabei vorgeführt und erhält eine frisch abgesägte Scheibe vom Narrenbaum, die um den Hals tragen muss. Wenn der Zug die Hofstatt erreicht hat, wird der Baum fachmännisch und mit Narrensprüchen aufgestellt.

Das Highlight der Narrensprung

Nach dem Mittagessen folgt dann als Highlight am Nachmittag des Gumpigen Donstig der Narrensprung. Dabei haben sich die Zünfte der Region abgestimmt und veranstalten ihre Narrensprünge in der Zeit bis zum Fasnetsdienstag. Berührungsängste kennen sie Narren nicht. Mal streichen sie den Zuschauern durchs Gesicht, bringen die Haare mit Konfetti in Unordnung, verknoten ihre Schuhe – doch dann wieder erfreuen sie Groß und Klein mit Süßigkeiten oder einem Schnäpschen. Damit es in der Anonymität der Maske niemand zu bunt treibt, haben alle Masken Nummern, über die man etwaige Übeltäter erkennen kann.

Es sind nicht nur die Bad Waldseer Narren, die beim Narrensprung teilnehmen, sondern auch die närrischen Zünfte der Region, die an diesem Tag frei haben.

Allein in Bad Waldsee sind inzwischen fast 3.000 Masken von der Zunft zugelassen. Alles handgeschnitzte Unikate aus Lindenholz, die für gewöhnlich in der Familie bleiben und zwischen den Generationen weitervererbt werden. Noch immer gibt es Maskenschnitzer wie Günther Wetzel aus Bad Saulgau, die ihren Kunden seit Jahrzehnten originelle Masken schnitzen.

Doch es darf nicht jeder mit. Die Zunft bestimmt, wer beim Umzug das Häs genannte Kostüm anziehen darf. Beliebt ist vor allem die knorrige Maske der Schrätteleshexe, die dem Bewerber bei dem am Weg getriebenen Schabernack eine gute Kondition abnötigt. Ein flotter Narrenspruch geht da schon leichter über die Lippen und wird vom Publikum mit dem ortstypsichen Aha beantwortet.

(c) Magazin Frankfurt, 2024