Camilleri, Das Ende des Fadens

Ein gutes halbes Jahr vor dem Corona-Lockdown, der sein Heimatland schockierte, starb Andrea Camilleri hochbetagt im Alter von 94 Jahren in Rom. Aufgewachsen war er im sizilianischen Agrigent. In Rom arbeitete er als Drehbuchautor, Theater- und Fernsehregisseur und Schriftsteller. Schon mit seinen ersten Romanen hatte er in seiner Heimat Erfolg und sammelte Preise ein, doch einem internationalen Publikum wurde er erst durch seine erfolgreiche Krimiserie um den sizilianischen Commissario Montalbano bekannt, deren erster Band erschien, als der Autor sich mit knapp 70 Jahren eigentlich bereits seine Rente verdient hatte. Seinen Protagonisten benannte der Literaturkenner nach seinem von ihm verehrten spanischen Kollegen und Kriminalautor Manuel Vázquez Montalbán, dessen in Barcelona ermittelnder Privatdetektiv Pepe Carvalho, schon allein wegen seiner Leidenschaft für die Küche seiner Region und seine für klassische Kriminalromane so untypischen Charaktereigenschaften, durchaus an Camilleris Commissario erinnern. Ob er seine Leser mit dem unwiderstehlichen Salvo Montalbano in den Bann zieht, ihnen mit kulinarischen Köstlichkeiten den Mund wässrig macht oder ihnen unvergessliche Einblicke in die mediterrane Seele gewährt: Dem Charme der Welt Camilleris vermag sich niemand zu entziehen. In Deutschland kam der erste Band der insgesamt 28 Bände und einige Kurzgeschichten umfassenden Krimiserie um Montalbano erst 1999. Nach dem Erfolg, den seine Krimis auch in Deutschland hatten, folgten bis 2002 weitere acht Bände, die anderen meist im Abstand eines Jahres. Auch in anderen Ländern kam Montalbano gut an und die Kriminalromane wurden in 30 Sprachen übersetzt. Für den deutschsprachigen Markt warten noch sechs seiner Kriminalromane auf die Übersetzung.

"Das Ende des Fadens" erschien in Italien 2016. Wie auch in den anderen Werken finden wir auch hier immer wieder Anklänge von Montalbanos Privatleben, in dem seine langjährige Verlobte Livia ihn dazu veranlasst hat, sich für einen feierlichen Anlass einen Anzug maßschneidern zu lassen. Er ist selbst nicht sonderlich begeistert von der Idee, doch die allseits hochverehrte Schneiderin Elena überzeugt ihn mit Effizienz und Charme. Mit der Fertigstellung wird es allerdings nichts, denn am nächsten Tag findet man Elena tot in ihrem Atelier, erstochen mit einer Schneiderschere. Die widersprüchlichen Aussagen mehrerer Verdächtiger abzuwägen erinnert Montalbano bald an das Entwirren eines verhedderten Wollknäuels ... Die Kollegen von La Stampa urteilten: "Montalbano-Romane lesen ist wie Urlaub an einem Lieblingsort im Süden"

Andrea Camilleri, Das Ende des Fadens, Lübbe, Hardcover, 304 Seiten, ISBN 978-3785727522, 22 Euro

(c) Magazin Frankfurt, 2024