Auf Weintour in der Toskana
Die Toskana
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Entspannung der COVID19-Lage
Italien ist eine der Lieblings-Destinationen deutscher Urlauber, gehört aber auch zu den europäischen Ländern, die am stärksten von der Corona-Pandemie getroffen sind. Aktuell liegt die Sieben-Tage-Inzidenz dort landesweit bei 26,3 - und damit unter der kritischen Grenze von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner – weshalb das Auswärtige Amt jetzt seine seit November 2020 geltende Einstufung als Risikogebiet wieder aufgehoben hat. Zwar raten Fachleute vor unnötigen Reisen nach Italien ab, aber inzwischen können neben Geschäftsreisen auch touristische Reise wieder stattfinden, ohne allzu große Einschränkungen über sich ergehen lassen zu müssen. |
Wer mit dem PKW unterwegs ist, sollte das nächtliche Ausgehverbot beachten, das in manchen Regionen, die nicht als weiße Zonen gekennzeichnet sind, zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens auch für Autofahren und sogar auf Autobahnen gilt. Zu den weißen Zonen gelten derzeit nach Sardinien, Friaul-Julisch-Venetien und Molise auch Ligurien, Venetien, Umbrien und die Abruzzen. Dort gelten keine nächtlichen Ausgangssperren mehr und nur Masken- und Abstandspflicht. Zur eigenen Sicherheit empfiehlt man den Gebrauch der italienischen Corona-App „Immuni“. |
Besuch in der Toskana - Volterra
Es bietet sich also an im gegen Ende Juni wieder einen Besuch in unserem Lieblingsland Italien zu planen. Ich erinnere mich noch gerne zurück an meine Studientage, die ich zum Teil vor Ort in der Toskana verbringen durfte. Von unserer Wohnung am Rande von Florenz luden an den Wochenenden immer wieder die Weingüter der Umgebung und die uralten historischen Städte mit ihrem reichen Kulturprogramm zum Besuch ein. Da an der Universität die Etrusker eines meiner Themen war, boten sich deren alte Siedlungen für einen Besuch an. Am schnellsten waren dabei zwei Städte in dem vor mehr als 2.500 Jahren so mächtigen Zwölfstädtebund zu erreichen: Arezzo und Volterra. |
Volterra ist schon seit Zeiten der Etrusker ein Zentrum der Alabasterverarbeitung. Während des Studiums lernte ich die schönen Urnen kennen, mit den fein bearbeiteten Deckeln, die das Leben der Toten nacherzählen und noch immer liebe ich mein Alabaster-Schachspiel, dass ich bei meinem ersten Besuch in einem der Handwerksländen des Orts kaufte. |
Slow Food in der Gefängnisküche
Die heutige Stadt wird beherrscht durch die ehemalige Festung Fortezza Medicea, die heute als Staatsgefängnis dient. Bei einer meiner Toskana-Reisen hatte ich auf der Insel Gorgona dessen Direktorin, die Juristin Maria Grazia Giampiccolo kennengelernt. Sie betreibt dort zusammen mit den Marchesi de‘ Frescobaldi einen kleinen Weinberg, der einen Teil der auf der Insel lebenden 70 Schwerverbrecher in den letzten Jahren ihrer Haft langsam an das normale Leben heranführen soll. Kaum viel größer als ein Hektar liegt er in einem vor starken Winden geschützten Bereich und ist überwiegend mit Vermentino und Ansonica bepflanzt, die dort unter streng ökologischen Kriterien zum feinen "Gorgona" gekeltert werden. Mit rund 2.700 Flaschen pro Jahr ist der 89 Euro teure Wein einer der Renner in der Gastronomie der Marchesi Frescobaldi und eine echte Rarität. |
Als wir auf Gorgona zusammensaßen und den Wein und die kleinen Gerichte probierten, die von den Gefangenen gekocht wurden, erzählte sie mir von den mittelalterlichen Festen und Abendessen im Gefängnisrestaurant, die mehrmals Jährlich stattfinden und bei denen Gefängnisinsassen die externen Gäste bekochen und bewirten. Volterra ist ein Gefängnis für Schwerverbrecher wie Gorgona. Maria Grazia hat dort dem Gefängnisrestaurant zusammen mit Aktivisten der Slow Food Bewegung eine neue Ausrichtung gegeben. Wie bei Gesprächen mit den im Weingut arbeitenden Gefangen zeigt sich, dass die sinnvolle Arbeit an für die Natur wertvollen Produkten sich sehr positiv auf das Selbstwertgefühl der Gefangenen auswirkt. Viele der in dem Projekt beschäftigten Gefangenen fanden nach Ende ihrer Haft Platz in der Gastronomie. Die Plätze beim mehrfach jährlich stattfindenden Gefängnisdinner sind ebenso begeht wie der Wein. Gäste müssen sich rechtzeitig anmelden, denn ihre Personalien werden zuvor genaustens geprüft. |
Kochen, Sprache und Kultur - Villa Palagione
Ein Vertrauter der Medici war der Graf Girolamo di Minucci, der die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Großherzöge vertrat und sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts anstelle der burgartigen Befestigung rund sieben Kilometer vor den Toren der Stadt eine prachtvolle Villa als Landsitz errichten ließ: die Villa Palagione. Nach zahlreichen Umbauten durch die Minucci und andere Familien aus Adel verwahrloste die Villa im letzten Jahrhundert, bis sie ein deutsch-italienischer Freundeskreis erwarb, restaurierte und seit Mitte der 90er Jahre dort ein Bildungszentrum im Verbund der Europäischen Bildungs- und Begegnungszentren betreibt, in dem Gäste bei Antonella Stillitano und ihrem Team ein- bis dreiwöchige Kurse in italienischer Sprache und Kultur, aber auch Alabaster-Workshops oder Kochkurse für die toskanische Küche buchen können.
Neue Toskana-Bewohner aus dem Ausland
Der Zauber der Toskana wirkt nach wie vor. Der Trend erinnert etwas an einige Regionen in Deutschland. Während viele Italiener wegen der Arbeit in die Städte ziehen, übernehmen Ausländer die meist ruinösen Gebäude, die sie inmitten von Zypressen und sanften Hügeln zurücklassen. Meist sind es einzelne Häuser, die von Menschen meist aus dem Norden Europas gekauft und liebevoll restauriert werden. Manche davon aus dem Besitz alter Adelsfamilien, die im vergangenen Jahrhundert durch das Ende der Mezzadria, der Halbpacht, ihre Pächter verloren. |
Alberghi Diffusi, nennt man solche seit den 1980er Jahren entstandene Anlagen in Italien, was übertragen „ausgedehntes Hotel“ bedeutet und es gibt inzwischen rund 100 davon, die auch von Italienern betrieben werden. Als ich vor Jahren eine Recherchereise zum Safran aus Abruzzen machte und dabei das Campo Imperatore, ein Hochplateau unterhalb des Gran Sasso besuchte, fand ich ein Zimmer im Sextantio im zauberhaften darunter liegenden Örtchen Santo Stefano di Sessanio. Dort hatte Daniele Kihlgren vor gut 20 Jahren auf einer Tour mit dem Motorrad Station gemacht. Sein Vorname ist Italienisch und stammt von seiner Mutter, der aus Norditalien stammenden Erbin einer Zementdynastie, der Nachname von seinem Vater einem wohlhabenden schwedischen Zellulosehändler mit Faible für Italien. Damals lebten kaum noch 70 Menschen in dem entlegenen Bergdorf, das ihm gefiel und in dem die Zeit seit einem guten Jahrhundert stillgestanden zu sein schien. Arbeit gab es nicht und im Winter ist der kleine Ort so gut wie abgeschieden von der Welt. Mit dem modern eingestellten Bürgermeister einigte er sich auf den Kauf des halben Dorfs für einen Spottpreis, dennoch hielten ihn nicht nur viele der dort lebenden Menschen für einen Spinner. Doch der junge Erbe hatte nicht nur das Geld für den Kauf des Ortes, sondern auch für die behutsame Restaurierung und komfortable Möblierung mit Mobiliar, das in die Zeit passt und dennoch eine gewisse Kargheit verströmt. Inzwischen ist sein Sextantio das international wohl bekannteste albergo diffuso Italiens, da es Kihlgren um die Bewahrung von Formen, Traditionen, Wissen und Handwerk ging. Und es rentiert sich zwischenzeitlich mit passendem gastronomischem Angebot auch ökonomisch. |
Das Weingut MonteRosola
Für Daniele war Wein nicht der Auslöser für sein Immobilien-Geschäft, wie für seinen Halb-Landsmann Bengt Thomaeus. Der Schwede kam vor einigen Jahren in die Toskana und war begeistert vom 1999 gegründeten Weingut, das bis dahin einer deutschen Familie gehörte, die das Farmhaus La Rosola renoviert hatte und auf dem sich schließlich unter dem Namen MonteRosola etablierenden Anwesen Wein produzierte. |
Der 2019 in die Tat umgesetzte Plan wurde 2020 erst einmal durch die Corona-Pandemie ausgebremst – wie so viele an Besucher ausgerichtete Aktivitäten in Italien und an anderen Stellen der Welt, die vom Virus nach wie vor fest umklammert werden. Doch mit der Öffnung der Toskana hin zur weißen Zone zeigt sich auch für Bent Thomaeus und seine Familie ein Silberstreifen am nahen Horizont. |
Gut zu erreichen
Volterra und das Weingut sind auf den malerischen Sträßchen von Florenz, Siena und Pisa schnell zu erreichen und machen MonteRosola zu einem attraktiven Ziel für Weintouristen. Vom Weingut aus hat man einen schönen Blick auf das mittelalterliche Volterra. Die dort seit 17 Jahren produzierten Bio-Weine machen MonteRosola zu einem der Pioniere des Bioanbaus in der Region. Ein Fakt, der für viele der deutschen Weintouristen, die sich mehr und mehr dem Trend der Nachhaltigkeit öffnen, sehr gelegen kommen dürfte. |
Dabei hat man beim Bau der Kantine darauf geachtet, dass die im Einklang mit der Umwelt arbeitet und traditionelle Weinbereitung mit modernsten Kontroll- und Regeltechniken vereint, um so optimale Bedingungen für die biologische Weinbereitung zu schaffen. |
Die Weine von MonteRosola
Einer der charakteristischen Weine von MonteRosola ist der Crescendo, ein granatroter Sangiovese mit schönen Kirsch- und trockenen Kräuteraromen, der nach 15 Monaten im französischen Eichenfass nach schwarzem Tee und gerösteten Mandeln duftet und mit seinen schönen runden Tanninen und ein gutes Alterungspotenzial besitzt. |
Mit dem Indomito wagt sich das Weingut an eine Rebsorte, die mancherorts in der Toskana angebaut wird und ordentliche Ergebnisse zeigt, wie ich schon bei Elisabetta Gepetti in ihrer Maremma-Fattoria Le Pupille erfahren durfte oder beim zauberhaften Rosé Alié vom Frescobaldi-Weingut Ammiraglia |
(c) Magazin Frankfurt, 2024