Manchmal möchte man das Leben einfach nur genießen, ohne sich hinterher Vorwürfe machen zu müssen – zum Beispiel wegen des dabei genossenen Alkohols und seiner Folgen. Diese Haltung findet man bei den Verbrauchern in der modernen Konsumwelt immer öfter. Zwar gibt es nach wie vor vieles in Hülle und Fülle, aber manch einer möchte bewusst einen Schnitt machen und nicht alles davon ausschöpfen. Mäßigung muss ja keine Selbstkasteiung sein – und so ist es längt ein Trend, bewusster mit sich umzugehen und entsprechend zu genießen. Das trifft vor allen Dingen beim Essen und Trinken zu, wo die Ökotrophologen des Landes längst warnend zu vernehmen sind, wenn es darum geht mit Fleisch sparsamer umzugehen, Zucker zu reduzieren und auf Tabak und Alkohol möglichst oft zu verzichten. Waren es früher die Moslems oder Autofahrer, die Bier-, Wein- und Sektproduzenten dazu veranlasst haben, sich Gedanken darüber zu machen, weitgehend auf Alkohol in einigen ihrer Produkte zu verzichten, so ist die Nachfrage inzwischen auf breiter Front gewachsen.
Wie bei den Fleischprodukten, von denen die Verbraucher fleischlose Alternativen forderten – und nicht nur von einigen Nischenanbietern, sondern auch von den Marktführern geboten bekamen, ist die Nachfrage auch bei Bier, Wein, Sekt und sogar bei Spirituosen inzwischen nicht mehr zu ignorieren. Verständlich, denn die Menschen fragen sich zunehmend, warum sie zum Beispiel bei einem erfrischenden Cocktail unbedingt einen 40%igen Gin verwenden müssen, wo es ihnen doch vornehmlich um die geschmackgebenden Botanicals geht.
Ganz klar die Vorreiter bei alkoholfreien Getränken sind die Brauereien, die wegen der Nachfrage der Wirte für die Autofahrer schon früh auf den Markt kam. Die Frankfurter Binding-Brauerei war dabei mit ihrem Clausthaler seit 1979 für lange Zeit der Vorreiter. So etwas gab es zuvor auf deutschen Boden nur in der DDR, wo man bereits zuvor ein Autofahrerbier auf den Markt gebracht hatte, da dort die strengere 0,0-Promille-Grenze galt. Im Westen hingegen wurde das Clausthaler längere Zeit ebenso belächelt wie seine Konsumenten, die man sofort im Verdacht hatte Anonyme Alkoholiker, schwanger oder ein Weichei mit Angst um den Führerschein zu sein. Geschmeckt hat es anfangs nicht wirklich gut, denn Alkohol ist als Geschmacksträger wichtig. Doch mit dem Einstieg anderer großer Player im Markt und der verbesserten ´geschmacklichen Qualität nahm der Durst auf normales Bier kontinuierlich ab und mache Brauerei sieht bereits ihr Heil im neuen «bleifreien» Sortiment.
Beim Vergleich mit Brauereien sind Wein- und Sekt-Hersteller erst spät auf den „Low-Alkohol“-Zug aufgesprungen, doch inzwischen finden sich in den Regalen bereits einige alkoholfreie Produkte. Das trifft bei kleinen Herstellern ebenso zu wie bei den Marktführern. |
Jetzt ist auch im Premiumsegment einiges aus dem nahen Rheingau auf dem Markt. Johannes Leitz hat zum Beispiel mit dem Riesling und Sekt „Eins-Zwei-Zero“ den Weg beschritten. Dabei hat er an den Schrauben Temperatur, Qualität und gedreht und die Methode der Vakuumdestillation gewählt, bei der dem Wein sehr schonend der Alkohol entzogen wird ohne dabei die Weinaromen zu zerstören. Nur so können man die hohe Qualität halten. Auch das Staatsweingut Kloster Eberbach hat als VDP-Mitglied mit dem „Sparkling Riesling Alkoholfrei“ einen alkoholfreien Schaumwein auf den Markt gebracht, für den einer Spätlese über Vakuumverdampfung der Alkohol entzogen wurde.
Ein paar Kilometer entfernt liegt in Eltville das Schloss Vaux, in dem man sich auf das traditionelle Sekthandwerk und klassische Flaschengärung konzentriert. Dort hatte man bereits mit dem Secco „Träublein“ einen prickelnden alkoholfreien Publikumsliebling aufgelegt. Sekt war das allerdings nicht, weshalb Geschäftsführer Christoph Graf mit dem „Nouvaux“ einen neuen Sekt auf den Weg gebracht, der zwar für Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen keinen Alkohol trinken dürfen, nicht das Richtige ist, aber dennoch die breite Gruppe derer erreicht, die Alkohol reduzieren wollen, ohne auf andere Genussfaktoren verzichten zu müssen.
Zwar ist auch der „Nouvaux“ kein Sekt im herkömmlichen Sinne doch bietet er mit seinen zwei Prozent Alkohol viel was wirklich guten Schaumwein ausmacht. Bei der Restsüße konnte man reduzieren ohne an Expression zu verlieren. Durch die Gärung zeigt er seine schöne feine und lange Perlage. Auch die hefige Briochenote eines guten Sekts ist vorhanden und es fehlen die oft störenden Noten, die durch die Entalkoholisierung verursacht wurden. Auch hier hat man den Grundweinen den Alkohol technisch entzogen, aber ihn danach einer klassischen Flaschengärung unterzogen. Dadurch stieg der Alkohol auf die vorhandenen zwei Prozent, aber er besitzt gleichzeitig den Charakter eines echten Sekts. Bei der Entalkoholisierung hat sich Vaux der Expertise von Carl Jung aus Rüdesheim bedient und nicht komplett entalkoholisiert, bevor er durch Tirage mit Hefe und Traubensaft aufgefüllt wird und eine zweite Gärung auf der Flasche erfährt. Neun Monate hat die Flaschengärung gedauert, bevor der „Nouvaux“ auf den Markt gebracht wurde.
Uns hat das Resultat gefallen, da es stärker an Sekt erinnert als die bisher verkosteten Produkte. Es scheint der richtige Weg zu sein, den Alkohol merklich zu reduzieren, ohne auf Aromen zu verzichten oder Störtöne durch den Alkoholentzug zu erzeugen. Für 16 Euro ist der neue „Nouvaux“ im Online-Shop und bei einigen Gastronomen zu erhalten und kostet damit etwa genau so viel wie der normale Sekt aus dem Haus Schloss Vaux. |