Festspielstadt Göttingen
Das Gänseliesel ist das Wahrzeichen der Stadt
(c) Michael Ritter
Die Universitätsstadt Göttingen liegt im Leinetal. Rings umher sanfte Höhenzüge mit Wäldern, welche die malerische Landschaft Südniedersachsens prägen. Mit der Georg-August-Universität beherbergt die Stadt die größte und älteste Hochschule Niedersachsens und man spürt den Charakter einer Studentetstadt auch in den Maitagen, wenn wieder einmal die Internationalen Händel Festspiele Göttingen die Kirchen, Theater und diversen Säle mit barocker Kultur füllen. Die Veranstaltungen sind meist gut besucht, denn Göttingen lädt zu einem Besuch ein. Mancher hat dort studiert oder besucht Freunde, die sich dort niedergelassen haben, denn die Region zählt mit dem angrenzenden Nordhessen und dem meist zu Thüringen gehörenden Eichsfeld zum Herzen Deutschlands, in dessen Mitte es liegt. Auch viele Logistikunternehmen nutzen diese bevorzugte Lage für ihre Verteilzentren. |
Das begann mit der Hildesheimer Stiftsfehde vor 500 Jahren, als sich der Territorialadel mit dem Hildesheimer Hochstift um verpfändete Ländereien stritt, ging ein Jahrhundert später mit dem verheerenden Dreißigjährigen Krieg weiter und fand am Ende des Zweiten Weltkriegs sein vorläufiges Ende, als Sowjets und Westmächte um die Grenzen ihrer Einflusszone stritten. Als nach dem Krieg die mit Stacheldraht und Minen gesicherte Zonengrenze das Land durchschnitt, rutschte die Region in die wirtschaftliche und politische Randlage ab. Vielleicht gut so, denn so verharrten beiderseits der Grenze zahlreiche kulturelle Schätze im Dornröschenschlaf und wurden nur zum Teil für den Tourismus erschlossen. Apropos Dornröschen: das Märchen stammt aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, die es mit der jenseits der Weser liegenden Sababurg verknüpften. Überhaupt spielen viele ihrer gesammelten "Kinder- und Hausmärchen" in der Region. |
Im alten Karzer im Göttinger Rathauskeller
(c) Michael Ritter
Universitätsstadt Göttingen
Die sympathische Universitätsstadt ist mit Zug und PKW gut zu erreichen und bietet einige gute Hotels. Traditionalisten werden sich im Romantik-Hotel Gebhards wohl fühlen, das lange Zeit als erstes Haus am Platze brillierte und zahlreiche Bundespräsidenten und natürlich auch Nobelpreisträger zu seinen Gästen zählt, bei anderen steht wohl das ebenso nah am Bahnhof gelegene neue Design Hotel FREIgeist höher im Kurs. |
Die 1732 von Gerlach Adolph von Münchhausen im Auftrag des auch über Großbritannien und Irland herrschenden König Georg II. im damals stark von den Folgen des Dreißigjährigen Kriegs leidenden Göttingen gegründete Hochschule, war damals mit fast 1.000 Studenten eine der größten Universitäten Europas und auch heute ist sie mit gut 30.000 Studierenden und fast 13.000 Mitarbeitern der wichtigste Wirtschaftsfaktor für die rund 116.000 Einwohner der Leinestadt. |
Reichskanzler Otto von Bismarck
(c) Bundesarchiv
Der spätere Reichskanzler im Universitäts-Karzer
Auch der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck war als 17-jähriger alles andere als ein folgsamer Student. "Ich langweile mich auf eine ganz unerhörte, polizeiwidrige Weise; man lebt hier ungemein beschränkt, auf jeden Schritt beobachtet von Pedellen, Polizisten, Landdragonern", beklagter es sich in einem unveröffentlichten Brief aus dem Archiv der Otto-von-Bismarck-Stiftung gegenüber seinem Bruder Bernhard, den der Bismarck-Biograf Volker Ullrich in einem Beitrag zitierte. Bismarck war ein geeignetes Ziel für seine Beobachter, die Unruhen von Seiten der Studenten befürchteten. Er versoff sein Geld, schwänzte Vorlesungen und musste sich während seines Studiums und seiner Zeit in der schlagenden Verbindung insgesamt neunmal wegen verbotener Duelle und Rauchen in der Öffentlichkeit vor dem Universitätsrichter verantworten, die ihn zu insgesamt 18 Tagen im früheren Karzer im inzwischen abgerissenen Konzilienhaus einsitzen ließ. |
Aus dem Corps Hannovera wird er mit den Worten "Ich werde entweder der größte Lump oder der erste Mann Preußens" zitiert. Nach seinem Umzug nach Berlin war Göttingen für den Fürsten ein rotes Tuch und auch Widmungen konnten ihn nicht dazu veranlassen, die Universitätsstadt, die ihn fast drei Wochen einsperrte, ein weiteres Mal zu besuchen. |
Burg Hardenberg und das Burghotel
(c) Michael Ritter
Burg Hardenberg und die Kunst der Destillation
Das Freigeist-Hotel, dass übrigens neben dem Hotel am Hauptbahnhof auch in der Nordstadt mit dem Freigeist Home im Sartorius-Viertel - direkt neben der Sheddachhhalle, einem der Veranstaltungsorte der Händel Festspiele und weiteren Hotels in Northeim und Einbeck gehört der Familie der Grafen von Hardenberg aus dem benachbarten Nörten-Hardenberg, die mit Novalis selbst einen literarischen Freigeist in der Familie hatten. In ganz Deutschland ist die Familie durch ihre bereits 1700 gegründete Kornbrennerei bekannt, deren Weizenkorn mit dem Keilerkopf zu den Traditionsspirituosen des Landes gehört. Hatte man vor einigen Jahrzehnten noch damit geliebäugelt, das Brenngeschäft aufzugeben, da es bei den niedrigen Preisen der Konkurrenz keine ausreichende Lukrativität versprach, geht es nach der Wiedervereinigung, anlässlich derer der Graf die sächsische Traditionsbrennerei Wilthen kaufte und in den Betrieb integrierte. Deren Wilthener Goldkrone ist mit 26 Millionen verkauften Flaschen pro Jahr die meistverkaufte deutsche Spirituose. Schon 1971 hatte Hardenberg die traditionsreiche Danziger Likörfabrik Der Lachs übernommen, deren Danziger Goldwasser mit seinen Blattgoldflocken europaweit seine Liebhaber hat. |
Nicht alle Zutaten des Gins sind bekannt, aber Deutscher Ingwer, Zitronenverbene und eine besondere Fuchsienart sind unter den Botanicals. Der Ingwer verleiht dem 44 % vol. starken Gin eine leichte Schärfe, aber die verwendeten frischen Früchte machen ihn zu einem spritzigen Cocktailpartner. In der Brennerei in Nörten-Hardenberg hat man dafür in den vergangenen Jahren in neue Brennkessel investiert, in denen der Von Hallers Gin besonders langsam und schonend destilliert wird, um den Geschmack zu verfeinern. |
Außergewöhnliche Pacific Rim-Küche im Freigeist
(c) Michael Ritter
Freigeister in Südniedersachsen
Auch kulinarisch geht man in Göttingen mit dem Intuu ungewohnte Wege, denn Küchenchef Alexander Zinkes ist seit seinem frühen Berufsleben als Koch ein Fan der lebendigen Nikkei-Küche, die das Beste aus dem Land des Lächelns und dem fernen Lateinamerika vereint. Gelungen ist ihm ein spannender Mix mit Fusions-Küche vom Feinsten, die Gault & Millau schon kurz nach der Eröffnung 2019 mit 15 Gault & Millau Punkten auszeichnete. Dabei werden die Teller als Sharing Plates zum gemeinsamen Teilen serviert, die das Herbarium mit passenden Weinen und Cocktails begleitet.
Die Beckensaline
(c) Michael Ritter
Die Bedeutung des Salzes
Zinkes verwendet auch eine Spezialität aus Göttingen in seiner Küche: das Salz der Saline Louisenhall. Inzwischen sind leider alle anderen noch in Europa existierenden Pfannensalinen verschwunden und nur noch der in die Jahre gekommene Backsteinbau produziert nach wie vor Salz wie vor hundertfünfzig Jahren. Jörg Bethmann, der die Leitung der Saline seiner Familie vor einem guten Vierteljahrhundert übernahm und seine inzwischen ins Geschäft eingestiegenen Söhne sehen ihren Betrieb als ein Relikt aus einer anderen Zeit. Groß ist die Produktion nicht: „Im Lauf eines Jahres produzieren wir gerade mal so viel Salz wie die Großen unserer Branche vor der Frühstückspause“ scherzt man, ist aber zugleich stolz auf das unvergleichliche Salz, das aus der konzentrierten Sole aus gewonnen wird, die man aus 450 Metern Tiefe ans Göttinger Tageslicht fördert. In riesigen flachen Pfannen heizt man sie dann richtig auf, bis sich das Salz kristallisiert und abgeschöpft werden kann – ein Verfahren, das andernorts schon seit dem Mittelalter betrieben wird. |
Besonders im Fernhandel hatte das „weiße Gold“ seine Bedeutung. Die Salzstraßen auf denen edle und sehr begehrte Waren transportiert wurden bescherten den an der Route liegenden Städte oft einen Aufschwung. Auf den Märkten fanden die fahrenden Händler Kunden nicht nur in den Grafen, Klöstern und Bischöfen der Region gute Kunden. Damals gab es noch keinen Euro als weitverbreitetes Zahlungsmittel und oft diente Silber und Gold als Zahlungsmittel, die Geldwechsler kenntnisreich und lukrativ in die landesüblichen Münzen tauschten. |
Soumela Alrutz in ihrem Garten
(c) Michael Ritter
Melis Essbare Blüten und das Blütensalz
Wenige Kilometer westlich der Saline lebt jenseits der Nord-Süd-Autobahn Soumela Alrutz im ländlich geprägten Ortsteil Groß-Ellershausen. Die gebürtige Griechin liebt Blumen und schätzt das Salz der Saline Louisenhall, das sie mit ihren essbaren Blüten in Blütensalz verwandelt. Blumen auf dem Teller sehen nicht nur attraktiv aus, sondern haben auch ihre geschmacklichen Besonderheiten und erobern deshalb völlig zurecht mit ihren gesunden Inhaltsstoffen die frische Genießerküche. Gerade jetzt in Zeiten von Corona, wo der Restaurantbesuch lange Zeit ausfallen musste, empfinden mehr Menschen Freude am eigenen Herd und lernen dabei die Alltagsküche durch innovative Rezepte zu einem Erlebnis zu machen und durch neue Geschmacksvariationen aufzupeppen. |
Besonders attraktiv ist dabei die Goldmelisse, Indianernessel oder Monarde, die schon im Garten mit ihrem Duft die Sinne des Gartenfreunds betört. Manche bereiten aus ihren tiefgrünen, lanzettlich ausgeprägten Blättern Tee, der vom Geschmack an Earl Grey erinnert. Die prächtigen scharlachroten Blüten sind etagenartig angeordnet und bieten einen schönen Kontrast zum grünen Laub. Wenn sie im frühen Juni zu blühen beginnt, läutet ihr Duft den beginnenden Gartensommer ein, der bis Ende Juli mit einem wahren Feuerwerk der Blüten einhergeht. Mit einer Größe bis zu 1,50 Metern ist sie eine vornehme Zierde jedes Gartens. |
Die Festpielorte in und um Göttingen
Das Highlight jedes Jahrs der Internationalen Händel Festspiele Göttingen ist die Festspieloper, die traditionell im Deutschen Theater aufgeführt wird. In diesem Jahr hat der Künstlerische Leiter George Petrou mit Sarrasine keine der 42 bekannten Opern des Komponisten ins Programm genommen, sondern selbst Hand angelegt und zahlreiche und teilweise noch recht unbekannte Arien Händels in Form einer Pasticcio-Oper mit der gleichnamigen Novelle von Honoré Balzac verbunden. Diese Form ältere und neuere Stücke neu zu arrangieren war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr beliebt und Händel, der auch sein Oratorium Deborah, das die Händel-Festspiele als Prolog im April eröffnete, mit bereits vorhandenen Musikstücken ergänzt hatte, nutzte diese Methode auch in seinem Spätwerk, wo er sogar eigene mit geeigneten fremden Kompositionen zu einem Pasticcio vereinte. |
Erbaut wurde sie von 1835 bis 1837 im Stil des Klassizismus als Stiftung des Königs zum 100. Geburtstag der Universität. Im Giebelfeld des Bildhauers Ernst von Bandel sind die Fakultäten Theologie, Jura, Medizin und Philosophie dargestellt. Auch der spärlich möblierte Karzer, das historische Universitätsgefängnis, hat hier ihren Platz und die Wände der Zellen sind über und über mit sehenswerten Kohle- und Kreidezeichnungen der ehemaligen studentischen Übeltäter bedeckt. Ein Denkmal erinnert an den Stifter des Ensembles. |
(c) Magazin Frankfurt, 2024