Bizet, Les Pecheurs de Perles
Viele kennen von Georges Bizet nur eine einzige Oper: Carmen, die bezaubernde Bearbeitung einer Novelle Prosper Mérimées. Doch der französische Komponist der Romantik, der schon 36jährig nur drei Monate nach der nicht so erfolgreichen Uraufführung an seinem Hochzeitstag einem Herzanfall erlag, hat der Welt mehr gegeben und man kann es nur bedauern, dass er so früh vor seinen Schöpfer gerufen wurde. Schon mit 16 Jahren schrieb er seine erste Sinfonie, die Sinfonie in C, wohl als Aufgabe am Konversatorium, die lange verschollen war, 1935 erstmals aufgeführt wurde und dann unter der Choreographie George Balanchines zu einem der erfolgreichsten Ballets des vergangenen Jahrhunderts aufzustieg. Erst nach Bizets Tod wurde Carmen zu enem der erfolgreichsten Werke der Opernliteratur. Brahms besuchte über zwanzig Aufführungen und sah sie als die beste Oper an, die damals in Europa aufgeführt wurde. Noch vor Carmen komponierte Bizet 14 Opern und Operetten, von denen aber heute wohl nur die Perlenfischer etwas häufiger oder gar szenisch aufgeführt werden. Schon die Uraufführung 1863 von Les Pecheurs de Perles war kein großer Erfolg. Auch zu seinen Lebzeiten erlebte sie nur 18 Vorstellungen und geriet schon bald in Vergessenheit. Bizet selbst bezeichnete sie als "ehrenvollen Fehlschlag". Erst nach seinem Tod und dem riesigen Erfolg von Carmen erinnerte man sich auch an der Perlenfischer, überarbeitete Schwachstellen und führe alternative Schlussszenen ein. Die Originalpartitur ist verschollen, nur ein Klavierauszug seines Verlags Choudens ist noch erhalten, weshalb heute, trotz neuer musikwissenschaftlicher Erkenntnisse, meist die daraus rekonstruierte Fassung ausgeführt wird.
Die Oper spielt in Ceylon, wo der Perlenfischer Zurga nach einem alten Ritual Zurga zum Oberhaupt der Zunft gewählt wird. Leila, die neue Preisterin im Tempel, soll Tag und Nacht für deren Heil beten und bei Brahma Schutz vor Unwetter und den Gefahren der See erflehen. Der Kult sieht vor, dass sie stets verschleiert bleibt. Nadir, ein Jäger und alter Jugendfreund Zurgas erneuern ihre Freundschaft und den alten Treueschwur, denn als sie jung waren, drohte ihre Freundschaft an einer Liebe zu einem Mädchen zu zerbrechen. Um ihre Freundschaft zu erhalten, verzichteten damals beide auf das Mädchen. Als Nadir hinter dem Schleier der Tempelpriesterin ihre gemeinsame Jugendliebe Leila erkennt, bricht er seinen Treueschwur und auch Leila verstößt gegen ihr Gelübde. Jetzt fordern die Perlenfischer und Zurga die Hinrichtung der Treulosen. Vor der Hinrichtung gibt Leila dem Gemeindealtesten Nourabad eine Kette, um sie vor den Flammen zu retten. Sie war das Geschenk eines Flüchtlings, dem Leila einst das Leben rettete. Als Zurga seine Kette erkennt bereut er seinen Hass und sinnt nach einen Plan, um die beiden Liebenden zu befreien und ziehen zu lassen. Er legt im Dorf Feuer und während alle den Brand löschen, löst er ihre Fesseln. Er gesteht Nadir, dass er schon damals deren innige Liebe bemerkt habe und sie aus Eifersucht habe zerstören wollen. Dies sei der wahre Grund für den Treueschwur gewesen. Zurga bleibt allein zurück. Die exotische Umgebung der Oper spiegelt sich auch in ihrer Rhythmik und Melodik wider. Wegen des Klavierauszugs ist allerdings die Instrumentation wohl nicht unbedingt so, wie sie Bizet komponierte.
Auch die Aufführung aus dem Teatro di San Carlo in Neapel folgt der Version aus dem alten Klavierauszug. Am Pult steht dort Gabriele Ferro, der frühere musikalische Leiter des Opernhauses Die Inszenierung Fabio Sparvolis, die sie in einem imaginären Orient spielen ließ, begeisterte Pubikum und Kritik. Mit Turbanen und Saris begleitete Sänger und der große Chor und die Tänzer aus der Geisterwelt beherrschen die Bühne. Ein monumentaler Buddha-Kopf und Ruinen im Dschungel geben den Rahmen der Handlung. Eindrucksvoll die Leistung der Sänger, wie des urugayanischen Baritos Dario Solari als Zurga und des jungen russischen Operalia-Preisträgers Dmiry Korchak als Tenor Nadir. Auch Patrizia Ciofi als Leila wirkt ausgesprochen lebendig und mitreissend. Dem ständig präsenten Chor der Perlenfischer kommt die wichtige Aufgabe zu, die emotionale Entwicklung der Charaktere zu begleiten. Die Oper beinhaltet auch eines der Knüller im Repertoire jedes Tenors: "Je crois entendre encore" und das wundervolle Duett Zurga-Nadir "Au fond du temple saint". Mit der Veröffentlichung als DVD und Blu-ray macht man jetzt eine wahrhaft kostbare Perle der Opernliteratur einem breiteren Publikum zugänglich.
(c) Magazin Frankfurt, 2024