Dem inzwischen 60-jährigen Schweden Jonas Jonasson, der lange als Journalist arbeitete und dann eine eigene Medien-Consulting-Firma gründete, die er nach zwanzig Jahren in der Medienwelt verkaufte, um seinen ersten Roman zu schreiben, begeisterte schon damals mit seiner skurillen Erzählung die Menschen weltweiit. »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« avancierte schnell zum Weltbestseller und verkaufte sich allein bei uns in Deutschland 4,4 Millionen Mal. Auch seine weiteren Bücher stürmten schnell die Bestsellerlist bis zur Spitze. Auch sein neues Buch beschreibt eine abenteuerliche Reise, eine geheime Mission und eine fast perfekte Rache – ein echter Jonasson also! Die Story ist wunderbar verrückt und respektlos komisch: Ein profitgieriger schwedischer Galerist, der für Geld über Leichen geht, trifft auf einen kenianischen Massai-Krieger, der nicht genau weiß, was Geld ist, dafür aber ein millionenschweres Gemälde besitzt, das von der deutsch-afrikanischen Künstlerin Irma Stern stammen könnte …
In seiner einzigartigen Erzählweise beschreibt Jonasson einen Kultur-Clash der Extraklasse und hält den Menschen den Spiegel vor. Wie in seinen bisherigen Weltbestsellern umgarnt Jonasson seine Leserinnen und Leser mit überbordendem Ideenreichtum und zeichnet seine Figuren mit so viel Witz und Charme, dass es eine wahre Freude ist!
In einem Interview verrät er ein paar seiner Ideen und Hintergünde:
Wie kamen Sie zu Ihren beiden sehr gegensätzlichen Protagonisten - einem fremdenverachtenden Galeristen und einem kenianischen Massaikrieger?
Das frage ich mich, ehrlich gesagt, auch oft. Als der schwedische Komiker Hans Alfredson mal gefragt wurde, wie „das alles zu ihm komme“, sagte er immer: „Es kommt aus einer kleinen Fabrik in Norddeutschland!“ Das klappte bei mir auch gut, bis eine italienische mal Journalistin mit ernster Miene nachhakte: „Sehr interessant. Und wie heißt diese Fabrik?“
Wenn ich mit dem Schreiben beginne, habe ich immer eine vage Idee im Kopf. Aber wenn ich meine Figuren dann aufeinander loslasse, weiß selbst ich nicht, was daraus wird. Dieses Mal wollte ich, dass die heitere Seite von mir (das Konzept der Rache bietet große humoristische Möglichkeiten) auf die besorgte Seite von mir (die pandemische Ausbreitung des so genannten „Nationalismus“) trifft. Obendrein: Ein ziemlich skurriler Massaikrieger. Ich verrate nur so viel: Die heitere Seite gewinnt immer. Zumindest in meinen Büchern. In der Wirklichkeit? Tja, da kommt jetzt wieder die besorgte Seite zum Vorschein…
Die Gemälde, um die sich ein großartiges Chaos entspinnt, sind von der deutschafrikanischen Künstlerin Irma Stern, die hier kaum bekannt ist …
Ja, meine liebe Irma Stern! Eine der Größten! Südafrika ist seit Jahrzehnten mein zweites Zuhause. Meine engsten Freunde leben dort. Afrika im Allgemeinen, aber Südafrika im Besonderen, ist voller Wärme, Hoffnung, Verzweiflung, Tragödie, Armut, Schönheit …. Ich bin mit Irma Stern schon seit langem vertraut. Und dann, als ich einen Künstler brauchte, um wie geplant über die „Freiheit der Kunst“ zu schreiben, da war Irma Stern für mich da! Je mehr ich über ihr Leben und ihre Werke las, desto offensichtlicher wurde es. Und durch den Afrika-Bezug konnte ich eine Verbindung zwischen ihr und meinem lieben Massaikrieger entstehen lassen. Außerdem wollte ich einen Bezug zu Deutschland herstellen, wo der Expressionismus aus der Taufe gehoben (und von Adolf Hitler zu Grabe getragen) wurde. |
Alle Ihre Romane changieren zwischen überbordendem Humor und ernsthaftem Hintergrund. Wie gelingt Ihnen dabei das richtige Verhältnis?
Hm, ich glaube, das ist einfach harte Arbeit. Am Ende des Schreibens muss ich immer die richtige Balance austarieren. Ein Beispiel: In meinem neuen Buch versuche ich, mich in den Kopf eines schwedischen „Nationalisten“ zu begeben, stellvertretend für das, was gerade in Demokratien wie Ungarn, Polen, Brasilien passiert – in Ländern, in denen die Freiheit der Kunst (und noch viel mehr) unter Druck gerät. In den Dreißigerjahren geschah das in Deutschland, das nächste Mal wird es woanders passieren. Die Geschichte lehrt uns, dass es immer ein „nächstes Mal“ geben wird. Meiner Meinung nach eine beängstigende Entwicklung. Also ein heftiger Stoff zum Schreiben – und erst recht zum Lesen! Also habe ich einfach eine Ziege im Keller des schwedischen Nationalisten platziert. Und jetzt stellt Euch mal vor, was eine deplatzierte Ziege in einer Geschichte so alles anstellen kann! Plötzlich ist es ein Jonas-Jonasson-Roman!
Rache ist ein wichtiger Auslöser für die Verwicklungen Ihrer Helden. Ist das eine so starke menschliche Antriebskraft?
In meinem ersten Interview zu diesem Buch wurde ich gefragt, ob ich selbst jemals Rachegedanken hätte. Ich antwortete: „Nein! Rache ist doch etwas Böses.“ Die nächste Frage war: „Aber wenn jemand z. B. jeden Tag Ihre lecker gefüllte Lunchbox stehlen würde? Da antwortete ich ohne zu zögern: „Dann würde ich einfach eine besondere Lunchbox vorbereiten, mit Spaghetti und Soße aus Hackfleisch, Sand und Hundekacke.“ Würde ich das wirklich machen? Oder reicht es schon, es in der Fantasie zu tun? Jesus sagte: „Wer euch auf die rechte Wange schlägt, dem haltet auch die andere hin.“ Naja, ganz so weit bin ich wohl noch nicht. Im besten Fall bin ich ein Beispiel für den Durchschnittsmenschen. Und dann wurde mir plötzlich bewusst: Ich habe fünf Bücher über die Dummheit und die Unzulänglichkeiten der Menschheit geschrieben ohne zu merken, dass ich selbst ein Teil davon bin! Wie deprimierend! Oder – nein, Moment: Vielleicht wär das was für mein sechstes Buch ….
Jonas Jonasson, Der Massai, der in Schweden noch eine Rechnung offen hatte, C. Bertelsmann, Hardcover, 400 Seiten, ISBN 978-35701041001, 22 Euro |