Frings, Gott funktioniert nicht...

In Köln, aber nicht nur dort, ist der Name Frings vielen älteren Bürger wohlbekannt, wurde er doch sogar zum Verb - fringsen. Entstanden ist es in der Trümmerwüste nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Stadt voll war mit Flüchtlingen. Es ging den Menschen fast nur um die Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Heizen. Als der damalige Erzbischof Joseph Frings zu Silvester 1946 eine Predigt hielt, machte diese ihn unsterblich. Es war an diesem Abend eisig kalt und der der Kardinal predigte über die zehn Gebote. Das siebte Gebot lautet „Du sollst nicht stehlen“. Frings sagte „Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.“ Revolutionär und lebensnah. Voila, ein neues Wort war geboren: „fringsen“ für stehlen aus blanker Not.

Frings Großneffe Thomas kam 14 Jahre später in Kleve zur Welt, wo er auch seine Jugend verbrachte. Danach studierte er Theologie in Münster und München, wurde er zum Priester geweiht und dann erst Diakon, dann Kaplan und studierte dann noch einmal Kunstgeschichte und Archäologie und arbeitete als Pfarrer in Münster in verschiedenen Gemeinden. 2016 gab er diese Stelle auf und zog in ein kleines Kloster in den Niederlanden um. Als er diesen Schritt öffentlich erklärt, ist das Echo gewaltig. Nicht nur in den Medien, auch unter Amtsbrüdern und Gläubigen. Tausende Followers auf Facebook liken seinen Schritt, denn sie spüren, dass dort jemand nicht aus Trotz oder Angst, sondern aus tiefer Liebe zur Kirche eine schwere Entscheidung traf.

In einem ersten Buch redet er Klartext, benennt Missstände und gibt Einblick in sein Seelenleben als Pfarrer. Er kritisiert, zeigt aber auch neue Wege auf und liefert Erklärungen und Lösungsansätze, denn er will, dass Kirche wieder mehr Kirche ist, wenn sie überleben soll.

Gut drei Jahre nach seinem Rücktritt als Pfarrer, mehr als ein Jahr nach seiner Rückkehr aus dem Kloster und nach dem Bestsellererfolg seines ersten Buchs meldet sich Thomas Frings jetzt erneut zu Wort. Diesmal geht es ihm nicht so sehr um Teile der Kirche, sondern um das Ganze: er schreibt über sein Gottesbild, seinen eigenen Weg und seine Spiritualität. Dabei grenzt er sich von Vorstellungen ab, die Gott reduzieren und den Glauben erstarren lassen. Frings zeigt, dass ein Glaube, der Gott ernst nimmt, nicht verkitscht oder instrumentalisiert, so radikal ist, dass er auch die gesamte Kirche radikal verändern kann. Nicht durch oberflächliche Debatten, sondern durch Diskussionen über die wichtigsten Elemente des Christentums. Frings denkt über dogmatische Grenzen hinaus und in das Leben hinein: Nur so kann der Glaube lebendig sein – und die Kirche überleben.

Thomas Frings, Gott funktioniert nicht: Deswegen glaube ich an ihn, Herder, Hardcover, 192 Seiten, ISBN 978-3451380266, 20 Euro

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