Kultur und Natur in der Pontinischen Ebene

Strand bei Sabaudia

(c) Michael Ritter

Die Cireceo-Halbinsel von Sabaudia

(c) Michael Ritter

Die Römer lieben die Dünen und Strände des Tyrrhenischen Meers entlang der Pontinischen Ebene. Einst verpesteten Sümpfe über Jahrhunderte das Klima und schon Cäsar versuchte die Versumpfung zu stoppen. Selbst Goethe hat seine Faust gegen dessen Ende von einer Trockenlegung fantasieren lassen. Gelungen ist dies erst vor rund 90 Jahren dem faschistischen Diktator Benito Mussolini.






Rathaus von Latina

(c) Michael Ritter

Die Architektur des Faschismus im Latium

Marktplatz von Sabaudia

(c) Michael Ritter

„Die allermeisten Italiener sind keine Faschisten“, sagt der italienische Journalist Aldo Cazzullo vom Corriere della Sera, „aber sie verbinden auch nichts Negatives mit dem Faschismus“. Wesenzöiche Umbauten von Gebäuden aus der faschistischen Ära in Italien, hat es aus diesem Grunde in den Jahren danach nicht gegeben und so konnte der Faschismus in weiten Teilen des Landes eine unverkennbare und kontroverse Spur in der Architektur hinterlassen. Nicht nur hier in der Region Latium, die das politische und kulturelle Zentrum des faschistischen Regimes bildete, findet man zahlreiche Beispiele für diese spezifische Ästhetik der Macht. Bei einer kurzen Reise kann man von Rom aus einige herausragende Bauwerke betrachten und die Ideologie und die ästhetischen Prinzipien untersuchen, die hinter der faschistischen Architektur in Latium steht. Eigentlich war Mussolini Journalist und bei den italienischen Sozialdemokraten Chefredakteur ihres Parteiorgans Avanti. Den Titel hatten die Italiener von den Parteifreunden in Deutschland kopiert, deren Vorwärts nur schlicht und einfach ins Italienische übersetzt wurde. Nachdem man Mussolini später als Chefredakteur ablöste und wegen nationalistischer Positionen aus der Partei ausschloss, gründete er mit finanzieller Unterstützung der Regierung, einiger Industrieller und ausländischer Diplomaten die Zeitung Il Popolo d’Italia und gründete 1919 die radikal nationalistische und antisozialistische faschistische Bewegung, als deren Führer oder Duce er sich in den nächsten Jahren etablierte. Mussolini unterstütze im Zweiten Weltkrieg Adolf Hitler. Auch Italiens jetzige Regierungschefin Giorgia Meloni startete ihre politische Karriere 1992 in der faschistischen Nachfolgepartei Movimento Sociale Italiano und ihre Partei steht auch heute, wenngleich man sich dem Ausland gegenüber gerne als gemäßigt präsentiert, dem faschistischen Erbe des Duce nahe. Schon 1922 berief König Viktor Emanuel III. Mussolini nach seinem Marsch auf Rom an die Spitze eines Mitte-Rechts-Koalitionskabinetts. Durch Fusion mit der Associazione Nazionalista Italiana war seine Partei zur rechten Sammlungsbewegung geworden. Eine Reform des Wahlrechts sicherte ihm 1923/24 die Mehrheit der Parlamentssitze. Mit einer Ausschaltung des Parlaments, Verbot der antifaschistischen Presse und aller Parteien mit Ausnahme des PNF und dem Aufbau einer politischen Polizei setzte er Zeichen, die wenige Jahre später Adolf Hitler ebenfalls gerne als Blaupause zur Errichtung einer Diktatur nutzte. Als Regierungschef und Inhaber mehrerer Ministerposten erließ er Dekrete mit Gesetzeskraft und war - formal - nur dem Monarchen verantwortlich.

Eines der bedeutendsten Beispiele faschistischer Architektur in Latium ist das Foro Mussolini in Rom, das heute als Foro Italico bekannt ist. Es wurde ab 1928 als Sportkomplex konzipiert und diente zunächst der paramilitärischen, auf körperliche Ertüchtigung ausgerichteten Jugendorganisation des Regimes, der Opera Nazionale Balilla und sollte die Macht und den imperialen Glanz des faschistischen Regimes repräsentieren. Die monumentalen Bauten, die breiten Straßen und die heroischen Skulpturen schufen eine imposante Atmosphäre, die die Ideale des Faschismus verkörpern sollte. Geplant war die Bewerbung um die Olympischen Sommerspiele 1940, die schließlich nach Japan vergeben wurden – ebenfalls eine der kriegsführenden Achsenmächte.

Natürlich hat man es auch nach dem Zweiten Weltkrieg weiterverwendet und dort zahlreiche Sportveranstaltungen wie die Sommerolympiade 1960, die Fußball-Weltmeisterschaft 1990 und die Schwimmweltmeisterschaften 2009 stattfinden lassen. Überlebensgroßen „heroische“ Sportlerfiguren säumen das Stadio dei Marmi, das Marmorstadion. Ein Mussolini-Obelisk und die Piazzale del Impero mit einem marmornen Sphärenbrunnen mit der 3 Meter dicken steinernen Weltkugel. Alles zusammen bietet ein typisches und gut erhaltenes Beispiel der Instrumentalisierung des Sports für die faschistische Ideologie mit ihrem Herrenmenschentum.

In Italien nennt man den Baustil, für die zum Beispiel Enrico Del Debbio als einer der Schöpfer des Foro steht, Rationalismus. Del Debbio, der auch den benachbarten Palazzo del Littorio als faschistische Parteizentrale errichten, die heute unter dem Namen Palazzo della Farnesina Sitz des Außenministeriums ist. Auch der Architekt Luigi Moretti war einer der Väter des Foro. Schon in jungen Jahren hatte er Pläne für das Haus der Faschistischen Jugend eingereicht, die die Machthaber um den Duce beeindruckten, der ihn zu seinem persönlichen Favoriten erwählte und mit der Gestaltung seiner persönlichen Räumlichkeiten beauftragte. Mit monumentalem Neoklassizismus ließ er dann am Foro die Antike neu erstehen.

Auch der als quadratisches Kolosseum bekannte Palazzo della Civiltà Italiana ist ein schönes Beispiel für faschistische Architektur. Mit kubischer Form und klassizistischen Säulen verkörpert er die Idee dauerhafter Macht und Stärke des Regimes und stand als Symbol für neue italienischen Imperien in Afrika und Europa. Gescheitert ist ein weiteres monumentales Denkmal, mit dem sich Mussolini mit dem Auditorium della Conciliazione ein Mausoleum errichten wollte. Das Projekt wurde zwar nie vollständig umgesetzt, doch mit der Vorbereitung schlugen die Faschisten mit der Via della Conciliazione eine 500 Meter lange breite Bresche durch das mittelalterliche Borgo-Viertel, die von der Engelsburg zum Petersdom führt. Beeindruckend sind die breiten Treppen und monumentalen Fassaden, sollte die Macht und Autorität der katholischen Kirche und des faschistischen Staates symbolisieren, die sich durch die Lateranverträge 1929 miteinander über das weitere Zusammenspie der Mächte geeinigt hatten. Angelegt hatte die neue Bebauung Marcello Piacentini, Mussolinis Staatsarchitekt, der auch die Planungen für die nur in Teilen umgesetzte E.U.R. der für 1942 geplanten Weltausstellung Rom, gelegt hatte.


Foro Italico in Rom

Le Foro Italico (Rome) (5905922261)

Kathedrale von Latina

(c) Michael Ritter

Mussolinis Planstädte in der Pontinischen Ebene

Palazzo M - M wie Mussolini

(c) Michael Ritter

Knapp 70 Kilometer sind es von Rom ins Herz der Pontinischen Ebene nach Latina, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, die 1932 von den Faschisten als Città di fondazione, als Planstadt angelegt wurde. Damals hieß die Stadt noch Littoria, was an das Liktorenbündel Fasces anknüpft, das in der Antike als Machtsymbol der Liktoren genutzt wurde und später von den Faschisten wieder aufgegriffen wurde. Heute wird das Fasces in Italien als faschistisches Symbol nicht mehr verwendet, auch wenn es zum Beispiel in den USA oder Frankreich und auch in einigen deutschen Stadtwappen nach wie vor verwendet wird. Bei Littoria liegt ein deutlich erkennbarer Plan zugrunde. Das war leicht, denn man konnte auf eine frisch freigelegte Ebene zurückgreifen und „auf der grünen Wiese“ eine Stadt nach eigenen Vorstellungen aufbauen. Neben Latina sind auch Pomezia und Sabaudia solche faschistischen Retortenstädte. Eigentlich stand Latina im Widerspruch zur anti-urbanistischen Propaganda, die das bäuerliche Landleben feierte. Sie war aber notwendig geworden, um Verwaltung und Versorgung sicherstellen zu können. Angesiedelt hatte man hier Siedler aus Venetien, aber auch Umsiedler aus dem südlichen Latium. In den 60er Jahren setzte man hier auf Atomkraft, eine Technologie, die zwar das erste Atomkraftwerk brachte, den noch ein zweites folgen sollte, das allerdings auch 1987 durch das Referendum über den Atomausstieg Italiens obsolet wurde.

In Latina zeichnete der Architekt Oriolo Frezzotti für die Stadtplanung und einige der wichtigsten Bauten verantwortlich. Der in Groben Zügen von der Parteiführung konzipierte Plan sah ein zentrales, strahlenförmiges Planmodell vor. Zunächst sah man ein kleines Dorf auf dem Lande vor, dass typische dörfische Merkmale aufgreifen sollte, die bei einer Urbarmachung entstanden waren. Im Laufe der Jahre gab es mache Überarbeitung der einstigen Pläne, da es nicht um eine ländliche Vorstadt ging, sondern um ein eigenständiges großes Projekt bei dem die Achsen monumentalisiert wurde. So entstand ein System von Plätzen mit riesigen Kolonnaden und Säulengängen, die das Ländliche mit dem Monumentalen verband. Politisch-administrativ liegt die Piazza del Littorio im Zentrum und bietet mit Rathaus, der Kaserne der Karabinieri, dem Post- und Telegrafengebäude und einem Hotel den Mittelpunkt. Alle anderen Hauptgebäude gehen strahlenförmig davon weg.

Frezzotti entwarf fast alle wichtigen zentralen Gebäude, auch den neben der Kathedrale liegenden Kulturpalast der Baillia, der italienischen Variante der Hitlerjugend, in das 1998 das Museo Duilio Cambellotti einzog, dass an den 1960 verstorbenen gleichnamigen Künstler erinnert.

Mehr als 500 Werke zeigen sein Werk, darunter auch Skizzen und Gemälde, die etwas von dem damaligen Gedanken rund um die Anlage der Gründungsstädte erahnen lassen. Drahtige Arbeiter sind darauf beschäftigt, die Ebene trocken zu legen und die neuen Städte für sich und neue Bürger zu errichten. Es war mehr als andernorts Propaganda für den revolutionären Charakter des neuen Regimes, den Bauern Land zu geben. Mussolini wollte diese neuen "Landkommunen" anlegen, um "antistädtische" Ausrichtung des Faschismus zu demonstrieren. Die großen Städte sollten nicht expandieren, sondern das Land sollte neu besiedelt werden, um dort ein starkes Bevölkerungswachstum zu begünstigen.

Ein paar Meter weiter liegt die ebenfalls von Frezzotti geplante feierliche Casa del Fascio, der sogenannte Palazzo M. Durch die Teilnahme Italiens am Zweiten Weltkrieg blieb der Plan, dort ab 1939 einen größeren Komplex zu errichten, auf die Casa del Fascio, den lokalen Sitz der Nationalen Faschistischen Partei Mussolinis beschränkt. Eigentlich müsste man das Gebäude aus der Luft betrachten, denn nur so erkennt man das M wie Mussolini, das als Bauplan diente und dem Personenkult des Duces feierte. Es sollte, wie bei allen Case del Fascio, Dreh- und Angelpunkt der Planstadt werden und den Bürgern und Bauern zentral aber nah ein System von Dienstleistungseinrichtungen zur Verfügung stellen, um die zu versorgen. Eigentlich sollte hier noch ein Turm errichtet werden, der mit einer Verkleidung aus grünem Marmor, roten Porphyr und weißem Travertin, die Trikolore widerspiegeln sollte.

In der Nähe der Stadt liegt der Nationalpark Circeo, Italiens ältester Nationalpark entlang des Tyrrhenischen Meers zwischen Pontinia und Sabaudia. Mussolini lies so letzte Reste der Sümpfe erhalten. Während er den Rest der Pontinischen Ebene radikal trockenlegen ließ, verhinderte der Park, die vollständige Abholzung des antiken, unwirtlichen Terracina-Waldes, der aber auf ein knappes Drittel seiner einstigen Größe zusammenschrumpfte. Nach den Faschisten hat man den ursprünglichen Park stark erweitert und zu einer Schatztruhe der Biodiversität entwickelt. Eine einzigartige Küstendüne zieht sich bis zum Capo Portiere im Norden. Den Abschluss im Süden bildet der Monte Circeo, ein steil aufragender Kalkberg am Meer. Einst war er eine Insel, auf der nach der Überlieferung die aus der Odyssee bekannte Zauberin Circe lebte. Schon lange vor dieser Legende gab es schon Leben auf der Insel, was ein in einer Höhle am Strand gefundener Schädel eines Neandertalers belegt. Nach weiteren Funden in jüngster Vergangenheit gehört sie weltweit zu den bedeutendsten archäologischen Stätten der Altsteinzeit. Vorm Gipfel hat man einen schönen Blick auf die Küste und die vorgelagerten kleinen vulkanischen pontinischen Inseln rund um Ponza.

Die Cireceo-Halbinsel von Sabaudia

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Idyllisches Seebad Sabaudia

Strand bei Sabaudia

(c) Michael Ritter

Zauberhaft, leider im Sommer von den Römern sehr gut besucht sind die Strände von Latina und Sabaudia. Vor allem Sabaudia ist mit dem Küstensee, der die Stadt umschließt, ein zauberhaftes Ferienziel und durch den Nationalpark weitgehend naturbelassen. Das hat auch Veränderungen verhindert, weshalb nur noch Sabaudia fast unverändert die ursprüngliche Gestaltung erleben lässt, die architektonisch spannend zwischen wuchtigem Klassizismus und Moderne changiert. Ein zauberhaftes Städtchen mit guter Gastronomie und vielen Möglichkeiten für Wanderungen und Radtouren durch den Nationalpark. Vogelfreunde finden entlang der Küstenseen verschiedene Beobachtungsstellen.

Auch einige Weingüter haben sich in den Jahren wieder in der Region angesiedelt, die zu Zeit den alten Römer einen geradezu legendären Ruf genossen, Sowohl der im alten Rom hoch geschätzte Caecuber wie der Falerner, von denen man in alten Schriften viel lesen kann, stammten aus der heutigen Provinz Latina. Rund um den kleinen Ort Gaeta wird als kleine Reminiszenz der Cècubo erzeugt, ein durchaus spannender Rotwein.

Mahlzeit im Il Forno di Procolio

(c) Michael Ritter

Küche und Weine von Latina

Weinprobe im Il Forno del Procoio

(c) Michael Ritter

Überhaupt hat die regionale Küche der Provinz südlich von Rom einiges zu bieten. Carbonara, Saltimbocca, Spaghetti all'Amatriciana, Gnocchi alla Romana, Artischocken römische Art ... so gut klingt die Liste der Spezialitäten aus der Region rund um die Hauptstadt Rom. An der Küste gibt es frische Meeresküche, im Landesinneren leckere Pastagerichte, die trotz aller Schlichtheit jede Menge Geschmack rüberbringen. Wie stets kommt es dabei auf die richtigen Zutaten an: Ein guter Käse aus der Region und Tomaten von ansässigen Bauern bringen oft das i-Tüpfelchen auf dem reich gedeckten Tisch im Latium. Viele Spezialitäten kommen dabei sehr würzig daher.

Auf Käse will in Italien ja eigentlich niemand verzichten. Bekannt ist dabei eine Käsespezialität, die man auch viel in dem südlich gelegenen Kampanien herstellt: der Mozzarella di Bufala Campana oder Büffelmozzarella, die man aus der Milche des Wasserbüffels gewinnt. Er ist kräftiger im Geschmack und feiner von der Struktur als normaler Mozzarella. Seinen Namen hat er durch die mozzatura“, durch die man per Hand die Käsemasse in einzelne Portionen trennt. Auch Pecorino darf nicht fehlen und der hiesige Pecorino Romano ist ein Schafskäse, der in unterschiedlichen Reifegraden genossen wird. Er ist verglichen mit Pecorino aus anderen Regionen etwas salziger. Zusammen mit Brot, Olivenöl und Wein ist er eine köstliche Leckerei, die man auch als Urlauber schnell als Picknick zaubern kann. Ebenfalls Schafsmilch verwendet man für den Ricotta Romana D.O.P., einen kegelförmigen Frischkäse mit leicht säuerlichem Aroma. Im Restaurant sollten sie auf die Variation Crostata di Ricotta Romana achten, die man gerne als Dessert serviert,

Weltbekannt ist das Fleischgericht Saltimbocca alla Romana, kleine zarte Kalbsschnitzelchen, die mit Parmaschinken und Salbeiblatt belegt und in Butter gebraten werden. Lammliebhaber finden besonders im Frühjahr Abbacchio a scottadito auf den Speisekarten: scharf gegrillte Lammkoteletts mit Salz, Rosmarin, schwarzen Pfeffer und Zitrone. Auch sonst verwendet man Speck und Schinken gern in der Küche der Region und geben der Pasta den richtigen Pfiff. Simple und überaus lecker ist die Carbonara, bei der Spaghetti mit Eiern, Speck und Käse zubereitet werden.

Da wir in der Pontinischen Ebene immer nur ein paar Kilometer vom Meer entfernt sind, stehen dort Fisch und Meeresfrüchte hoch im Kurs. Köstlich sind Seppie con i Piselli, also mit Erbsen zubereiteter Tintenfisch.

Gerne verwendet man Rosinen und Pinienkerne. Die man bei der Meerbarben-Gericht Trigliette con Uvetta im Ofen zubereitet. Auch gerne verwendet wird wie vielerorts entlang der Küsten der wilde Spargel, gegrillt, gebraten oder frittiert. Und natürlich darf auch Oktopus nicht fehlen, gerne auch mit einem Teller Pasta oder schlotzigem Risotto.

Von den Gemüsen lässt der unverwechselbare Geschmack, der Duft und die gesunden Inhaltsstoffe die Artischocke zum beliebten gastronomischen Highlight auf den Speisekarten werden. Gebraten, gedünstet, gefüllt, eingelegt, gekocht, geröstet oder gebraten ist sie eine wahre Delikatesse. Klassisch ist die Carciofi alla Romana, die mit Knoblauch, schwarzem Pfeffer, Minze, Salz, Zitrone und Olivenöl zubereitet und als Ganzes serviert wird. Etwas ganz Besonderes ist auch die Puntarelle, eine Art Endivie, die man gerne mit Sardellen kombiniert. Bei uns ist sie mancherorts als Vulkanspargel bekannt.

Die Weine aus der Provinz Latina sind international weitgehend unbekannt, aber für den regionalen Tourismus nicht minder interessant. Am Rande des Nationalparks haben wir Rast eingelegt bei der Familie Ganci, deren authentischen Weine quasi eine Brücke zwischen Antike und Moderne sind. Gegründet Ende des 19. Jahrhunderts, hat man in der malerischen Umgebung das Weingut in ein Bauernhaus umgewandelt, wo man Gäste empfängt und mit Wein und lokalen Speisen verköstigt und sie auch ein paar Fremdenzimmern unterbringt. Die Gancis setzen ganz auf biologischen Anbau. Gerne verwendet man Malvasia Puntinata, Greco und Trebbiano bei den Weißweinen und Merlot und Cabernet Sauvignon bei den Rotweinen.

Fast schon ein Star der Weinszene der Region ist Marco Carpinetti mit seinem Spumante Kius, der reinsortige aus Bellone-Trauben gekeltert wird. Die spätreifende autochthone Rebsorte hat ihren Namen von „schön“ und war schon den alten Römern bekannt. Die kräftige Rebe ist nicht sehr anfällig für Krankheiten und Carpinetti hat viel Zeit und Energie verwendet, um daraus Schaumwein nach der klassischen Methode herzustellen. Mit großem Erfolg. Das Weingut in Cori liegt näher an Rom und hat vulkanische Böden. Rund zwei Jahre bleibt der Sekt nach der zweiten Gärung auf der Hefe und bringt dann einen leuchtend strohgelben Schauwein mit lebhafter und feiner Perlage hervor, der nach Apfel duftet, eine leichte Menthol- und balsamische Note zeigt.

Festa in Privorno

Fest in Priverno

(c) Michael Ritter

Privorno und Fossanova

Am Abend wird gefeiert in Priverno

(c) Michael Ritter

Nach Nordosten hin wird die Pontinische Ebene umrahmt von den Lepinischen Bergen, die man einst nach den dorthin aus Etrurien ausgewanderten vorrömischen Stamm Volskerberge nannte. Jahrhundertelang lagen sie sich mit den Römern kriegerisch in den Haaren, bis es denen gelang, sie im 4. Jh vor Christus zu unterwerfen, ihnen dann das Bürgerrecht zu geben und zu Bundesgenossen zu machen. Priverno war eines ihrer Zentren. Nachdem Rom es mit der Via Appia an das Straßennetz anband prosperierte die Stadt auf dem Hügel und blieb bis zur Zerstörung durch die Sarazenen fast ein Jahrtausend lang ein wichtiges Handelszentrum.

Die gut erhaltene mittelalterliche Altstadt lohnt den Besuch, besonders, wenn man das Glück hat beim Palio del Tributo in der Stadt zu sein, wenn die Bewohner zu mehreren Terminen in alter Tracht durch die Stadt ziehen und an der Piazza Giovanni XXIII. vor den Stufen der Kathedrale beim alten Rathaus aus dem 13. Jahrhundert feiern. Im gegenüberliegenden Bischofspalast hat inzwischen das Archäologische Museum Platz bezogen, dass Ausgrabungsstücke aus der Region zeigt. Etwas nördlich der Altstadt hat man nämlich das antike Privernum ausgegraben und die dabei entdeckten Schätze an Statuen, Mosaiken und Schmuck zeugen vom einstigen Wohlstand der Stadt, die kaum einen Vergleich mit Rom scheuen müssen. Bei allen Festen, die Privernum im Laufe des Jahres feiert, erinnert man auch an die kulinarischen Traditionen. Seien es die Weine Latiums, das Olivenöl oder – eine besondere Spezialität Privernos: die bereits erwähnte Artischocke. In Priverno ist es besonders die kugelförmige grün-violette Romanesco-Artischocke, die in der ersten Jahreshälfte angebaut und geerntet wird und als regionale Spezialität IGP-Schutz genießt. Früher hat man sie in nach der Ernte in einem kleinen Kessel mit Wasser und Essig gekocht, auf großen Tüchern getrocknet und nach der Trocknung in Plastiktüten verpackt im nahen Rom verkauft. Heute ist eine lokale Industrie daraus geworden.

Nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt liegt das ehemalige Benediktinerkloster Fossanova, ein italienisches Nationaldenkmal. Unter den Zisterziensern, die ab dem 13. Jh. hier lebten, war 1274 der wichtige Kirchenlehrer Thomas von Aquin hier auf seiner Reise zum zweiten Konzil von Lyon hier zu Gast. Der Grafensohn aus dem nahen Roccasecca schloss sich den Dominikanern an und hat als Doctor Angelicus philosophisch wichtige Impulse in der Scholastik entwickelt, die ihm die Erhebung zum Heiligen einbrachten. Lyon sollte er nicht erreichen und starb im Kloster.

In seiner monomentalen Schlichtheit in Travertin begeistert der Bau in burgundischer Gotik, den ich besonders am frühen Morgen noch vor dem Frühstück genießen konnte und bevor die quirligen jungen Nonnen, die den Franziskanern nahestehen, vor einigen Jahren eingezogen sind und zeigen, dass dieses Dasein nicht unbedingt immer kontemplativ sein muss. In der Krankenstation des Klosters hat man die Zelle in der der heilige Thomas von Aquin starb in eine Kapelle umgewandelt. Im Kloster erinnert noch ein leeres Grab an ihn, nachdem ihn die Dominikaner in 15. Jahrhundert in ein Mausoleum im Jakobinerkonvent in Toulouse umbetteten. Freunde des mittelalterlichen Lebens können in einem der sehr vorsichtig renovierten Zimmer im Red Palazzo absteigen, einem alten Palast eines Kardinals unmittelbar neben dem Kloster. Das Forno del Procoio bringt in alten Lagerräumen des Klosters in rustikalem Ambiente, die die Jahrhunderte der Geschichte wach werden lässt, die lokalen Gerichte der Region auf den Tisch. Im Winter wärmt der Kamin im Inneren, im Sommer lädt die von Lauben überdachte Garten zum Genießen ein. Die Speisekarte wechselt nach der Saison und man serviert lokale Spezialitäten mit den besten Weinen der Region. Oberhalb laden in Le Casette ein paar hübsch renovierte Zimmer zur Übernachtung ein. Viele Gäste nehmen sich nach dem Besuch fest vor, wiederzukommen. Ich kann mich ihnen nur anschließen.

© Michael Ritter

Klosterkirche

(c) Michael Ritter

Impressionen

(c) Magazin Frankfurt, 2024