Kollwitz im Städel

Es sei vermutlich der kürzeste Ausstellungstitel des Städel, bestätigte dessen Direktor Philipp Demandt bei der Pressevorbesichtigung. Kein Vorname, keine nähere Erklärung - einfach Kollwitz. Als Künstlerin ging die 1867 in Königsberg geborene Käthe Kollwitz eigene Wege. Statt Malerei, die sie in ihrer Heimatstadt und in München studierte, entschied sie sich ebenso kühn wie zielstrebig vor allem für Druckgrafik und Zeichnung und fand darin zu einer eigenständigen Bildsprache von eindringlicher Unmittelbarkeit. Schon eine frühe Radierfolge über den Weberaufstand, die sie nach der Uraufführung des mit ihr bekannten Gerhard Hauptmann angefertigt hatte, erregten bei der Gro0en Berliner Kunstausstellung die Aufmerksamkeit der Presse, der Kollegen und der Sammler Max Liebermann war davon so beeindruckt, dass er die junge Künstlerin für eine Goldmedaille vorschlug, was Kaiser Wilhelm II. allerdings ablehnte, der mit moderner Kunst nichts anfangen konnte und Historismus und Salonmalerei bevorzugte. Auch als Bildhauerin war sie später aktiv.

In ihrer Kunst verhandelte sie aus neuer Perspektive existenziell menschliche Fragen, auch unbequeme Themen, und wollte damit auf die Gesellschaft einwirken - was ihr auch stets gelang. Künstlerin und Werk wurden nicht zuletzt deshalb in Deutschland nach ihrem Tod kurz vor Kriegsende 1945 politisch vereinnahmt – eine Rezeption, die in der breiten Öffentlichkeit bis heute nachwirkt. Ihr Werk hat aber bis heute nichts an Aktualität verloren.

Für die Ausstellung konnte das Städel auf eine eigene große Sammlung an Arbeiten von Käthe Kollwitz zurückgreifen. Bereichert hat sie die Kuratorin Regina Freyberger um Werke aus führenden Museen und Privatsammlungen zu einer Ausstellung von mehr als 110 eindrucksvollen Arbeiten auf Papier, Plastiken und frühe Gemälden der Künstlerin. Herausragende Leihgaben kamen unter anderem aus dem Berliner Kupferstichkabinett, dem Kölner Käthe Kollwitz Museum, dem Art Institute of Chicago, dem Sprengel Museum Hannover und der Staatsgalerie Stuttgart. Sie zeigen gekonnt Kollwitz’ Entscheidung für das Medium Grafik und ihre Experimentierfreude und Unangepasstheit. "Sie offenbaren die Besonderheit ihrer Themen, ihres Formenvokabulars und ihrer kompositorischen Dramaturgie. Darüber hinaus befasst sich die Ausstellung mit dem Spannungsfeld zwischen Ästhetik und Politik in ihrem Werk. Ein Überblick über die deutsch-deutschen Lesarten der Künstlerin nach 1945 reflektiert abschließend die Wirkmacht kulturpolitischer Erzählungen", betont Freyberger. L'art pour l'art war nicht ihr Ding, sie bevorzugte radikale Entscheidung, die oftmals zu Diskussionen anregten.

(c) Magazin Frankfurt, 2024