Gerhard Haderer wurde im österreichischen Leonding am 29. Mai 1951 geboren. Schon als Kind war für ihn das Zeichnen die unmittelbarste Sprache, mit der er sein Umfeld über die bloße Abbildung hinaus kommentierte. Seine Eltern förderten sein Talent. Sie ermutigten ihn, dieses beruflich zu nutzen und ermöglichten ihm eine Ausbildung zum Grafiker an der Linzer Fachschule für Gebrauchs- und Werbegrafik. Eine daran anschließende Lehre als Graveur in Stockholm brach er ab. Kurzzeitig arbeitete er als Dekorateur bei der Quelle AG, ab 1974 dann sehr erfolgreich als freier Grafiker und Illustrator für verschiedene Werbeagenturen. Insbesondere seine fotorealistischen Arbeiten in allen Bereichen der Werbeillustrationen waren auch bei großen Unternehmen und Marken schnell gefragt. Wirtschaftlich auf der Sonnenseite haderte der Künstler jedoch immer mehr mit dieser Erwerbsform und der vermeintlich heilen und strahlenden Werbewelt.
Mit 30 Jahren entschied er sich für einen radikalen Neuanfang. Er kündigte seine Dienste in der Werbebranche, zog mit Frau und Kindern nach Linz, wo er bis heute lebt. Hier widmet er sich fortan der Komischen Kunst. Bereits 1984 erschien Haderers erste Karikatur auf dem Cover der Salzburger Satirezeitschrift „Watzmann“. Dadurch wurde die Chefredaktion des österreichischen Nachrichtenmagazins „profil“ auf den Zeichner aufmerksam. Bis 2009 zeichnete er regelmäßig für das Magazin. Einem Millionenpublikum wurde er durch seine Kolumne „Haderers Wochenschau“ im „Stern“ bekannt, die er 1991 bis 2016 zeichnete. Ebenso arbeitete er für den „Wiener“, „Titanic“, „GEO“ und „trend“ und zuletzt für die „Oberösterreichischen Nachrichten“, seit 2017 für das österreichische Nachrichtenmagazin „news“.
Neben diesen Tätigkeiten suchte Haderer immer weiter nach neuen künstlerischen Herausforderungen und Ausdrucksformen. So erschien 1991 sein erstes Kinderbuch „Das große Buch vom kleinen Oliver“, dem weitere folgen sollten. Für die Wiener Kabarett-Gruppe „maschek“ entwarf er 2006 erstmals Handpuppen für ihre als Kasperltheater inszenierten Stücke. 2014 brachte er seinen Bestseller „Der Herr Novak“ auf die Bühne. Von 1997 bis 2000 erschien erstmals Haderers eigenes Comic-Format mit dem lautmalerischen Titel „MOFF“, das er 2008 gemeinsam mit seinem Sohn und dessen Frau wiederbelebte. In „MOFF“ konzentriert sich der Karikaturist im Gegensatz zu seinen detailreichen Arbeiten auf schnelle Schwarz-Weiß-Comic-Strips im Kleinstformat. Konträr dazu übte sich Haderer in den vergangenen Jahren in der Ölmalerei. Mit Großformaten von 250 cm x 180 cm zitiert er dort in karikaturesker Überspitzung die dramatischen Inszenierungen der Alten Meister.
2017 gründete Haderer die „Schule des Ungehorsams“ in Linz mit dem Ziel, durch alle gesellschaftlichen Schichten einen kritischen Diskurs zu etablieren. Vorträge, Ausstellungen, Lesungen und Workshops bis hin zu Publikationen und Aktionen im öffentlichen Raum sollen Menschen mit künstlerischen Mitteln aktiv werden lassen. Andere Angebote, die Haderers Freiheit und damit seine Unabhängigkeit eingeschränkt hätten, lehnte der Künstler hingegen kategorisch ab, darunter lukrative Angebote der Privatwirtschaft wie beispielsweise Red Bull oder das millionenschwere Angebot der FIFA, Nutzungsrechte einer Zeichnung zu erhalten. |
Haderers Arbeiten kommentieren mit ihrem hintersinnigen Witz gesellschaftliche und politische Missverhältnisse. Sie fordern heraus, provozieren. Insbesondere diejenigen, die sich von den Karikaturen ertappt fühlen. Das zeigen viele öffentliche und teils heftige Reaktionen auf seine Werke. Sein Bestseller-Comic „Das Leben des Jesu“ zog internationale Proteste seitens der Kirche und der Politik nach sich und mündete in Anzeigen in Österreich und der Tschechischen Republik. In Griechenland verurteilte man ihn 2005 in Abwesenheit wegen Blasphemie zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, in einer Berufungsverhandlung wurde er freigesprochen. Zusammen mit der Initiative „Courage – Mut zur Menschlichkeit“ sorgte er zuletzt im März 2021 für internationale Aufmerksamkeit: Als Protest gegen die Migrationspolitik der damaligen österreichischen Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz zierte der Cartoon des „Herzlosen Kanzlers“ ein 230 Quadratmeter großes Plakat an einem der meist frequentierten Verkehrsknotenpunkte in Wien.
Haderer beobachtet, zeichnet das, was ihm auffällt, was ihn alltäglich umgibt. Intensive Gespräche und exakte Beobachtungen seines Umfeldes liefern ihm die Inspiration für ein vielfältiges Themenspektrum. Sein Figurenensemble ist vielgestaltig, neben den Großen und Mächtigen fängt er auch immer wieder Stimmung und Empfindlichkeiten der Bevölkerung ein.
Haderer ist Perfektionist. Seine Arbeiten entstehen in seinen Ateliers, am Wohnort in Linz und im Ferienhaus am Attersee. Auf Skizzen folgt eine erste Zeichnung, dann die Ausarbeitung mit Buntstiften in einer gekonnt eingesetzten Mischung aus zarten und kräftigen Strichen. Nie vernichtend, sondern geradezu liebevoll und mit größter Genauigkeit nähert er sich seinen Szenerien, sucht die Zwischentöne in den großen Themen. Das erfordert Zeit. Im Schnitt benötigt er 10 - 12 Stunden bis zum fertigen Werk, für seine großformatigen Ölgemälde benötigt er gute drei Monate. Seine Erfahrungen als Werbegrafiker schlagen sich in der fotorealistischen Ästhetik seiner Arbeiten nieder. Gekonnt weiß er die Sehgewohnheiten der Betrachtenden zu bedienen, zum Hinschauen zu verführen. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich ihnen der hintersinnige Humor, der die trügerische Idylle als Fassade des Grauens und des alltäglichen Wahnsinns durchbricht.
Dass dies Haderer nicht nur mit seinen Zeichnungen im kleineren Format gelingt, zeigt die Werkschau im Caricatura Museum Frankfurt. Auch die Ölgemälde, die die Besuchenden in der Ausstellung willkommen heißen, bestechen nicht allein durch ihre beeindruckende Größe, sondern auch durch ihre künstlerische und handwerkliche Fertigkeit. Als Mittelpunkt der Ausstellung bezeugen sie die exzeptionelle Position des Zeichners auch in der Komischen Malerei. Komplettiert wird die Werkschau durch eine breite Auswahl an Cartoons des vielfach ausgezeichneten Künstlers. Verschiedene Arbeitsskizzen sowie eine Medienstation, die den Entstehungsprozess ausgewählter Zeichnungen zeigt, gibt zudem Einblicke in die Arbeitsweise Haderers. |