Mit ihrer Tragikomödie "Toni Erdmann" gewann in dieser Woche die deutsche Regisseurin Maren Ade den Lux-Filmpreis des EU-Parlaments. Die deutsch-österreichisch-rumänische Koproduktion konnte sich dabei gegen "Kaum öffne ich die Augen", ein im Tunesien der Endzeit von Präsident Ben Ali Drama spielendes Drama der Tunesierin Leyla Bouzid, das in einer Kooperation mit den VAE und Frankreich entstanden ist und den Animationsfilm "Mein Leben als Zucchini" des Schweizers Claude Barras durchsetzen, die ebenfalls in die engere Auswahl gekommen waren.
Die Titelrolle des Toni Erdmann verkörpert der Wiener Burgschauspieler Peter Simonischek als Alter Ego des Alt-68ers Winfried, der nach dem Tod seines Hundes bei einem Besuch seiner in Bukarest als Beraterin arbeitenden Tochter Ines (Sandra Hüller) sich dieser mit schlecht sitzendem Anzug und Perücke und mit falschen Zähnen nähert.
Der vom EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im gut gefüllten Plenarsaal des Europaparlaments in Straßburg an die erfolgreiche deutsche Filmemacherin überreichte Preis, hat die Form einer Filmrolle und ist nicht dotiert. Schulz beschrieb "Toni Erdmann" als einen "absurd und urkomischen" Film, eine "Kombination aus düsterer Komödie und witzigem Drama", in dem sich die komplexen Beziehungen der Hauptdarsteller zueinander in einer alternden und wettbewerbsrientierten Gesellschaft beeinflussen. Der im Frühjahr in Cannes erstmals präsentierte Film konnte dort nicht nur die Herzen des Publikums und der Kritiker erobert. Obwohl der überraschende Favorit für die Goldene Palme am Ende bei den Wettbewerbspreisen in Cannes leer ausging holte er dort den FIPRESCI-Preis der Filmkritiker. Maren Ade freute sich über die Auszeichnung der Mitglieder des Euopaparlaments, in dem viele Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund vertreten seien. Neben der Untertitelung des Films in alle Sprachen der EU-Mitgliedsländer, die auch die anderen beiden Nominierten erhalten, darf sich Ade über eine zusätzliche Version für Blinde und Sehbehinderte freuen.
In Deutschland ist der Film seit dem 14. Juli in den Kinos. Produzent Jonas Dornbach, der zusammen mit Maren Ade die Berliner Produktionsfirma Komplizen Film leitet, frohlockt über den Erfolg des Films. Rund zehn Jahre seien seit der ersten Idee für den Film vergangen. "Mutig, mutig, mutig!" habe er damals unter das Expose geschrieben. Nach den Dreharbeiten im Sommer 2014 in Aachen und Bukarest hatte Ade Material für über 120 Stunden. Vieles davon musste geschnitten werden, am Ende dauert der Film aber immer noch 2 1/2 Stunden. Für den vorgesehenen Verleih war das zu lang, weshalb Dornbach ihn kurzfristig wechseln musste. |
"Noch am Tag bevor wir nach Cannes gefahren sind, haben wir die letzten Schneidearbeiten erledigt", gesteht er. Inzwischen ist Toni Erdmann auch bei anderen Filmfestivals erfolgreich dabei. Für den Europäischen Filmpreis wurde er fünfmal nominiert, neben dem besten Film und besten Hauptdarstellern konnte sich die deutsche Oscar-Hoffnung auch in den Kategorien Regie und Drehbuch positionieren. Auch auf eine Nominierung für die Golden Globes bestehen realistische Aussichten.
Der Lux-Filmpreis wird vom Europäischen Parlament inzwischen bereits zum zehnten Mal verliehen. Dabei sollen die prämierten Filme die Werte der europäischen Identität und kulturellen Vielfalt des Kontinents widerspiegeln. Verschiedene Nominierte und Preisträger des Lux-Filmpreises konnten sich später auch über eine Oscar-Nominierung freuen, wie das im vergangenen Jahr siegreiche Coming-of-Age-Drama "Mustang" der türkischen Regisseurin Deniz Gamze Ergüven. Der 2014 siegreiche polnische Schwarz-Weiss-Film Ida, gewann sogar den Oscar als Bester fremdsprachiger Film.
Antonio Tajani, als Vizepräsident des Europäischen Parlaments Antonio Tajani zuständig für die Organisation betonte: „Der LUX-Filmpreis bringt Erfolge, weil er symbolisch, aber auch ganz konkret, der Hauptschwäche des europäischen Films - dem schwierigen Vertrieb - entgegenwirkt. Während Nordamerika einen einheitlichen Markt für Filmproduktionen hat, ist Europa durch physische und sprachliche Hindernisse fragmentiert. Das europäische Kino spiegelt wider, was Europa und seine Institutionen sein sollten: Eine erfolgreiche Synthese all unserer Stärken auf der Grundlage einer auf Innovation, Kreativität und Werten aufbauenden Filmindustrie.“ Auch Silvia Costa als Vorsitzende des Ausschuss für Kultur und Bildung freut sich über den Erfolg des Preises: „In zehn Jahren wurden hundert Filme in den Kinos in ganz Europa gefördert, dank dem LUX-Preis, der Europas Geschichte eine Stimme und Augen verleiht. Mit dem LUX-Preis sind viele unabhängige Regisseure und ihre jungen Autoren dank der Untertitelung in den 24 Amtssprachen der EU in anderen Ländern bekannt geworden. Der Preis hat die Vielfalt und den Reichtum des europäischen Kinos, seine Themen, Empfindlichkeiten und Sprachen erweitert. Investitionen in den europäischen Film sind ein wichtiger Schritt beim Aufbau des "Europas der Kultur", an das wir glauben. Unser Engagement für die Zukunft ist es, die Reichweite des Preises auszubauen und die Finalisten auch außerhalb Europas bekannt zu machen, vor allem zunächst in den Mittelmeerländern.“
Damit Euopa die Filme auch zu sehen bekommt, werden sie im Rahmen der "LUX Film Days" bis Dezember in allen 28 Mitgliedstaaten der Öffentlichkeit vorgeführt. Ziel ist, Debatten über die in den Filmen behandelten Themen anzustoßen. |