Sinn, Die wundersame Geldvermehrung

Sinn, die wundersame Geldvermehrung

(c) Herder

Der Großteil der deutschen Bevölkerung schaut im Moment wohl sehr genau auf seine Finanzen – wenn er denn solche ansammeln konnte. Im Land grassiert die Inflation, die offiziell mit knapp 5 Prozent benannt wird, aber in wichtigen Lebensbereichen der Menschen förmlich zu explodieren scheint. Da ist das Gas rund 73 Prozent teurer als 2021, der Strom verteuerte sich um 12,5 Prozent und auch hohe Benzinpreise sorgen für Frust bei den Bürgern. Das wird noch dadurch verstärkt, dass Christine Lagarde, die französische Präsidentin der EZB und deren deutsches Direktoriums Mitglied Isabel Schnabel nicht müde werde, zu verkünden, dass die Inflation nicht längerfristig sein wird und deshalb auch keine Notwendigkeit sehen, die O-Zins-Politik ihres Hauses aufzugeben.

Natürlich fällt das auch Fachleuten auf, wie dem ehemaligen Präsidenten des renommierten ifo-Instituts und emeritierten Professor an der Ludwig-Maximilian-Universität München, Hans-Werner Sinn, der sich jetzt des Themas angenommen hat und das Wirtschaftsbuch der Stunde schrieb.

Das unverantwortliche Lamentieren der Ex-Kanzlerin, dass Deutschland ein reiches Land trifft heute bei weitem nicht mehr zu. Traf es wohl auch nicht damals, als sie milliardenteure Fehlentscheidungen getroffen und das Land zunehmend an die Wand gefahren hat. Nicht nur Deutschland ist heute so gut wie nicht mehr regierbar, auch das restliche Europa ist durch fatales Zusammenspiel unfähiger Politiker zum »Kranken Mann« geworden. Schwere Krisen haben die Wirtschaft erschüttert. Ob es der EZB gelingt, mithilfe der Druckerpresse den Patienten am Leben zu halten ist ausgesprochen fraglich, denn die Nullzinsen, die immense Staatsverschuldung und eine Inflation, die an die schlimmsten Tage vor einem Jahrhundert denken lässt und bei der – man sieht es bei den Corona-Protesten – die Menschen immer aggressiver und gewalttätiger werden. Ein Bürgerkrieg, dem sich die Regierung nur noch mit zunehmend diktatorischeren Maßnahmen zu erwehren weiß, scheint in naher Zukunft ebenso wenig auszuschließen zu sein, wie ein neuer von den Atommächten provozierter Weltkrieg. In seinem Buch warnt der Ökonom Hans-Werner Sinn eindringlich vor den Folgen.

Europa schwimmt zwar im Geld, ist aber deswegen nicht reich. Drei Wirtschaftskrisen machen der Europäischen Union zu schaffen: die Finanzkrise, die 2007 und 2008 ausbrach, die Eurokrise, die durch die Finanzkrise entstand und seit 2020 die Coronakrise.

Zur Überwindung dieser Rückschläge hat sich die Europäische Zentralbank zur Rettungsinstanz erhoben. Sie versuchte mit diversen Rettungsschirmen, Konjunkturpaketen und Staatsanleihekäufen den Euroraum auf Kurs zu halten. Diese Finanzpolitik ist aber keine Dauerlösung, sondern birgt immense Risiken, denn Staatsverschuldung, Negativzinsen und Inflation sind ein giftiger Cocktail.

Die Schulden der Euroländer sind zwischen 2008 und 2021 explodiert. Im gleichen Zeitraum hat sich die Geldmenge versiebenfacht und die Zinsen sind in den Keller gerauscht. Das belastet nicht nur die Sparvermögen der Kleinsparer. Es droht zusätzlich eine Zombifizierung der Wirtschaft, wie das Beispiel Japan zeigt. Und noch dramatischer: Es schürt eine enorme Inflationsgefahr.

Die Inflation hat bereits begonnen. Und schaut man sich die Situation der Betriebe an, die mit Preissteigerungen für ihre Rohstoffe um teils mehr als 100 Prozent zurechtkommen müssen, ist es nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr wahrscheinlich, dass sie nicht wie von der EZB angekündigt reduziert, sondern sich in Wellen weiter aufschaukelt. Wenn es dazu kommt, kann die EZB diese Entwicklung nicht mehr bremsen. Schon in dem Jahr der Corona-Krise wurde das Vermögen des Volks zu Gunsten der Reichen umgeschichtet, die künftige Inflation wird die Einkommen und Vermögen der unteren Mittelschicht ähnlich erodieren lassen, wie kurz vor dem zweiten Weltkrieg. Erhebliche politische Konsequenzen sind nicht auszuschließen, aber in dieser Situation ist ein Kanzler, der in krummen Cum-Ex-Geschäften ein schlechtes Erinnerungsvermögen besetzt, quasi unauffindlich.

Für Hans-Werner Sinn ist klar: Europa muss schleunigst wieder auf den Pfad einer soliden Geldpolitik zurückkehren. Nur dann kann das Vertrauen in den Euro bestehen bleiben und der europäische Traum von Wohlstand und Frieden gerettet werden. Ob dies gelingt, ist fraglich, denn die mitspielenden Akteure beweisen wenig Einfühlungsvermögen.

Hans-Werner Sinn, Die wundersame Geldvermehrung - Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation, Herder Verlag, Hardcover, 432 Seiten, ISBN 978-3451391279, 28 Euro

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