Wir haben uns ein wenig schwer getan, in welcher Sparte wir das Buch vorstellen sollen und uns dann für die Kunstrubrik entschieden, denn der Kehrer-Verlag, bei dem das Buch von Ulrich Seidl erschienen ist, hat sich in Sachen Fotografie und zeitgenössische Kunst einen Namen gemacht.
Der afrikanische Kontinent ist berühmt für die vielen exotischen Tiere, die er beherbergt und die seit jeher Menschen aus aller Welt in ihren Bann ziehen: Elefanten, Zebras, Gnus, Löwen und viele andere Arten haben hier ihre Heimat. Doch wo sich manche Besucher Afrikas mit einer Fotosafari begnügen, die Tiere also in freier Wildbahn beobachten, reicht es anderen nicht, nur zu gucken und zu filmen – sie wollen die exotischen Vierbeiner erlegen und als Andenken mit nach Hause nehmen. Geleitet von Einheimischen, die sich auskennen, und bewaffnet mit großen Gewehren mit Zielfernrohren begeben sich die Jäger auf die Pirsch. Für seinen Dokumentarfilm „Safari“ begleitete Regisseur Ulrich Seidl deutsche und österreichische Jagdtouristen bei ihren Ausflügen in Afrika und geht in Gesprächen ihrer Motivation auf den Grund…
Schon bei seinen früheren Filmen ging Ulrich Seidl oft dahin, wo es weh tut. Es ist keine schöne Welt, die der österreichische Regisseur in Filmen über Sextourismus, Kindesmissbrauch und extreme Tierliebe zeigt. Stets hat er einen nüchternen Blick auf die Materie und lässt sich auch von abwegigen Verhalten nicht stoppen, sondern filmt seine Protagonisten, hört ihnen zu, lässt sie reden und unterbricht sie nicht, wenn sie ihr Verhalten rechtfertigen. Auch das Thema Jagd wirft überraschende und ungewöhnliche Fragen auf. Es muss nicht Afrika sein, um zu jagen. Zur Jagd geblasen wird zwar in Mitteleuropa, doch stattfinden tut sie dort, wo lasche Gesetze und das Interesse am Geld der Touristen die Jagd im weiteren Umfeld ermöglichen: im südlichen Afrika, wo Safari-Lodges diversen Touristen aus Österreich als Basis dienen, ihrem Jagd-Hobby zu frönen. Zusammen mit einheimischen Guides pirschen sie sich heran und schießen. Die im Film gezeigten Jagden filmt er mit einer mobilen Handkamera. Da landen Gnus, Impalas und Giraffen vor der Flinte, die wegen der schlechten Schützen oft einen langen Todeskampf erdulden müssen. Der Film tut dem Betrachter innerlich weh.
Zwar zeigen die Jäger einen gewissen Respekt für das Tier, wenn sie mit nur einem Schuss versuchen, das Tier zu töten, was vermutlich besser ist, als es mit einem Maschinengewehr zu durchlöchern. Wenn einer der Jäger kommentiert „Wir erlösen die Tiere doch“, dann möchte man am liebsten den Sprecher und die Welt ebenfalls erlösen. |
Andere Jäger gehen sehr viel pragmatischer an die Jagd heran und haben es aufgegeben, ihr Verhalten rechtfertigen zu wollen. Etliche Szenen des Films sind schwer zu ertragen. „Urlaubsfilm über das Töten, ein Film über die menschliche Natur“ hatte Seidl seinen Film genannt. Jetzt ist es auch im Buch festgehalten, wie man Tod und Natur, westlichen Kolonialismus und eine unterdrückte „dritte“ Welt im Rahmen fotografischer Einstellungen wertfrei für sich sprechen lässt. Seidl sagt, dass die Erfahrung, wie sich Menschen nach dem erfolgreichen Schuss gegenseitig umarmen, gratulieren und sich küssen, die prägendste Erfahrung bei seiner Reise war. „Der Akt des Tötens scheint eine Art emotionaler Befreiung zu sein“ Schon bei der Finanzierung des Films hatte es seitens der TV-Anstalten Zweifel gegeben, ob man das Töten der Tiere den Fernsehzuschauern zumuten könne. Für Seidl waren diese Einwände heuchlerisch und scheinheilig. Das Beharren auf Vertuschung zum Wohle des Zuschauers wollte er nicht als Zensur gelten lassen. „Tierschutz kann nicht heißen, das Töten von Tieren nicht zu zeigen“.
Der Bildband Safari stellt streng komponierten, jäh dem Moment abgerungenen Aufnahmen Essays von Autoren wie Michael Köhlmeier und ein Interview mit Ulrich Seidl gegenüber. Der knapp 70-jährige Seidl gewann 2001 den Großen Preis der Jury bei den Filmfestspielen von Venedig mit seinem Spielfilm-Debüt Hundstage.
Wenn Sie das Buch verschenken wollen, sollten Sie sich Gedanken machen, ob der Adressat die schwere Kost gut verkraftet. Schon das Cover mit einem ausgenommenen Zebra im blutverschmierten Schlachtraum mit abgeschnittenen Unterschenkeln schmerzt. Aber Seidl hat Recht mit seinem Statement „Tierschutz heißt unter anderem, das Töten zu zeigen, den Zuschauer mit der Realität zu konfrontieren“. Das trifft auf die Safari in Afrika ebenso zu, wie auf das Leid und die Qual der Tiere in der deutschen Massentierhaltung. Zwar versucht unsere Regierung immer wieder Vergleiche mit dem Nationalsozialismus unter Strafe zu stellen, aber wer sich die Bilder aus deutschen Mastbetrieben anschaut, der fühlt sich zwangsläufig an die Leider der Juden in den Konzentrationslagern erinnert und fragt sich, ob es bei uns mental wirklich eine Abkehr von der damaligen Ideologie gegeben hat oder sie jederzeit wieder denkbar wäre.
Ulrich Seidl, Safari, deutsch/englisch, Kehrer Verlag, Hardcover, 176 Seiten, ISBN 978-3868288223, 39,90 Euro |