Seibt, Gestohlenes Kind

Seibt, Gestohlenes Kind

(c) dp Digital Publishing

Schon bei "Tatort Nord 2" haben wir Ihnen einen Preisträger des renommierten Glauser-Preises des Syndicats vorgestellt. Auch Caroline Seibt wurde für das Debüt ihrer Thriller-Serie um den Polizisten Theo Weiland aus dem letzten Jahr in eben dieser Kategorie Debüt ausgezeichnet. In dem Buch geht es um zwei rätselhafte Tode und einen Wettlauf gegen die Zeit …

Regel Nummer 1: Sprich mit keinem Fremden.
Regel Nummer 2: Folge niemals einem Fremden.
Regel Nummer 3: Geh nie, unter gar keinen Umständen, in das Auto oder das Haus eines Fremden.
Wenn du diese Regeln befolgst, wird dir nichts passieren, dachte Jakob, denn diese Regeln hatte er von seiner Mutter gelernt und ihr fest versprochen, sich daran zu halten. Doch schon bald muss er lernen, dass keine Regel der Welt ihn vor dem Bösen retten kann … Zwanzig Jahre später verbrennt sich auf offener Straße ein Familienvater bei lebendigem Leib. Alles deutet auf einen Selbstmord hin, doch in seinem Portemonnaie wird eine über fünfzehn Jahre alte Visitenkarte von Polizist Theo Weiland gefunden. Auf der Rückseite ist ein einziges Wort notiert: „Hilfe“. Weiland ahnt, dass an dem Fall nichts so offensichtlich ist, wie es scheint. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …

Caroline Seibt konnte mit ihrem Debütroman die Jury durch Spannung, Struktur und Sprache überzeugen. Thematisch geht es um Vergeltung, aber auch um Familie. Das Buch erzählt eine Geschichte aus den Jahren zwischen 1985 und 2008. Dem Leser wird schnell klar, dass die Lösung des Falls in der Vergangenheit liegen muss. Schon am Ende des ersten, sehr kurzen Kapitels liegt Jakob Heins alkoholkranke Mutter halbtot geschlagen in ihrer Wohnung, der Zehnjährige selbst ist in den Fängen dubioser Männer.

Als sich dann 23 Jahre später am Berliner Hauptbahnhof ein Mann verbrennt, übernimmt Kommissar Theo Weiland die Ermittlungen – auch wegen der alte Visitenkarte Weilands. Die kurzen, prägnanten Sätze von Seibt erzeugen Tempo und Spannung. Das Heim, in dem Jakob landet ist keine Heimat sondern eine Aufbewahrungsanstalt, in der Kinder gequält und misshandelt werden. Ohne Chance, dieser Hölle zu entgehen. Geschickt verbindet die Autorin aktuelle Ermittlungen mit Rückblenden. Der Stoff ist aktuell und berührend, weil es um Kinder geht, denen Unrecht geschieht und die ein Leben an einem Ort führen müssen, an dem sie niemand schützt. Die andere Erzählebene zeigt auf beeindruckende Weise, was es mit Menschen macht, die psychische und physische Gewalt erfahren.

Caroline Seibts Krimi war kein Anzug von der Stange, wie die meisten der Einreichungen, mit denen sich die Jury herumschlagen muss, sondern eher wie das handgemachte Kleidungsstück, manche Naht nicht ganz exakt, aber ein Unikat. Auch deswegen bekam sie den Glauser-Preis für ihr Debüt, denn darin steckt ein großes Potential, dass wir Leser in den kommenden Jahren hoffentlich noch in den Fortsetzungen oder anderen Büchern entdecken können. Die aus dem hessischen Korbach stammende 31-jährige Autorin entdeckte schon als Kind ihre Liebe zum Lesen und begann mit neun Jahren erste eigenen Geschichten aufzuschreiben. Sie merkt, dass sie beim Schreiben auf der richtigen Spur ist, wenn sie nachts vorsichtshalber doch noch einmal kontrolliert, ob alle Türen und Fenster verschlossen sind. Inspiration findet sie vor allem bei längeren Spaziergängen in Wald und Feld mit ihrer Hündin Maya.

Caroline Seibt, Gestohlenes Kind, dp Digital Publishers, Broschur, 4320 Seiten, ISBN 978-3987781742, 14.99 Euro

(c) Magazin Frankfurt, 2024