Auch wenn man mit der jungen Generation der deutschen Winzer vor allen Dingen den Riesling verbindet – nicht umsonst nennt sich die weltweit größte Jungwinzervereinigung „Generation Riesling – haben auch andere Rebsorten in unseren Breiten einen guten Auftritt.
Wir waren kürzlich bei einigen vom Deutschen Weininstitut organisierten virtuellen GR #weinbuden, bei denen jeweils drei Jungwinzer unter 36 Jahren zusammen mit der der bayrischen Sommelière Conny Ganß einen Schwerpunktwein und einen anderen Lieblingswein präsentierten und über ihre Arbeit im Weingut erzählten.
Conny arbeitet seit über 10 Jahren als Sommelière und kommt aus der Gastronomie. Wein ist für sie mehr als „nur“ ein Genussmittel, sondern Geschichte verpackt in flüssiger Form. Die möchte sie ihrem Publikum näherbringen, als Weinexpertin beim Bayerischen Fernsehen und im Radiosender Bayern 1 oder auf ihrem Blog #ganssimglück, auf dem sie über Weingüter und Weinverkostungen informiert
Connys erster Gast ist der 27-jährige Patric Rummel, der das Familienweingut Rummel aus Hochstadt in der Südpfalz vertrat, für dessen 16 ha Weinberge, die Traubenverarbeitung und Vinifikation er seit 2016 die Verantwortung trägt und er zwei Jahre später die Leitung übernahm. Wein produziert man dort in dritter Generation, doch in den Jahren davor, verkaufte die Familie die meisten Trauben und vinifizierte nur im Nebenerwerb. Auch Patric hatte anfangs andere Pläne und absolvierte zuerst eine Ausbildung zum Mechatroniker, bevor er seine Begeisterung für gute eigene Weine entdeckte und die Ausbildung zum Winzer anschloss. Seine Kenntnisse als Mechatroniker kann er sicherlich sinnvoll auch bei seiner Arbeit im Weinberg einsetzen.
Patric hat sowohl fruchtige, frische Alltagsweine, sortentypische und charakterstarke Goldkapseln, bis hin zu kräftigen Lagenweinen mit hohem Reifepotenzial im Angebot. Alle Weine gedeihen in der Rheinebene rund um Hochstadt, weshalb er statt Ortswein lieber die Goldkapsel für die mittlere Qualitätslinie verwendet. Rummel konzentriert sich besonders auf die Burgundersorten, die auf den kalkhaltigem flachen und sehr tiefgründigen Löss-Lehm-Böden seines Heimatorts gut gedeihen und ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Rund zwei Drittel Weißweine stehen einem Drittel Rotwein gegenüber. Neben Burgunder stehen moderne Sorten wie Sauvignon Blanc und Gelber Muskateller neben traditionellen Sorten wie Riesling, Müller-Thurgau, Kerner, Portugieser und Dornfelder.
Dem jungen Winzer liegt viel an einer nachhaltigen Bewirtschaftung, weshalb er nach Übernahme der Verantwortung von seinem Vater auf Herbizide verzichtet und stattdessen auf mechanische Unterstockbearbeitung setzt und mit verschiedenen Begrünungsmischungen mit Leguminosen, Tiefwurzlern und Blütenpflanzen neue Lebensräume für Mikroorganismen schaffen möchte, die ihm beim Erhalt gesunder, fruchtbarer Böden unterstützen können und den auch den Lebensraum für Bienen und andere Lebewesen erhalten.
Besonders der Grauburgunder hat es Patric angetan, von dem er acht verschiedene Varianten quer durch das Angebot ausgebaut hat und sich selbst als großer Fan bezeichnet. Er hat es mit viel Engagement und Liebe zum Wein geschafft, die Qualität der Weine in wenigen Jahren deutlich zu verbessern, so dass sie heute viel Trinkgenuss bieten.
Einen Grauburgunder präsentierte er hier nicht, sondern einen trockenen 2021er Chardonnay Goldkapsel (7,10 €), den er in der mit 22 Jahren ältesten Anlage gelesen hat. Bis ins Jahr 2010 hatte man in der Gegend eine Flurbereinigung durchgeführt, weshalb wenige alte Reben den Weg ins 21. Jahrhundert geschafft haben. Der sehr angenehme und süffige Wein hat eine frische Nase, eine lebendige Säure und ist durch den Kalkboden schön würzig mit einem Hauch saftiger Melone, Apfel und Mandel und bietet ein gutes Preis-Genuss-Verhältnis.
Als Fokus-Wein präsentierte Patric einen trockenen Lagenwein, den 2019er Spätburgunder vom Roten Berg (14 €). Der Wein hat animierende Säure und ist ein erstklassiger Lagenwein mit Reifepotenzial. Seine Frucht erinnert an Kirsche, Erdbeere und Preiselbeeren. Geschmacklich ist er schwer, intensiv und vielschichtig, wobei die Säure gut in die charmante Frucht eingebettet ist.
Lisa Bunn-Strebel hat ihr Weingut 80 Kilometer weiter nördlich im rheinhessischen Nierstein. Mit 34 ist sie die älteste der Runde, da die 530 darin versammelten Jungwinzer die Generation Riesling mit dem 36. Geburtstag verlassen müssen. Schon vor 11 Jahren legte sie zusammen mit ihrem Mann Bastian den Grundstein für das 2013 gegründete Niersteiner Weingut, das die beiden elterlichen Weingüter, den seit drei Generationen in Familienbesitz befindlichen ehemaligen Margaretenhof und das Weingut Strebel mit insgesamt 21 ha Rebfläche zusammenfasst. Die Weine von Lisa stammen von den steilen Hängen des Roten Hang nördlich von Nierstein, wo die Rebhänge ganz dicht an den Rhein heranrücken und aus dem höhergelegenen Wintersheim. So kann Lisa den Riesling vorrangig in den Niersteiner Lagen Hipping, Oelberg und Orbel pflanzen, während der Spätburgunder im kühleren südlicheren Wintersheim zu großer Form auflaufen.
Lange Zeit hatte man in der Familie auf die Marke „Lisa Bunn“ gesetzt, obwohl sie mit ihrem Mann alles gemeinsam macht und wichtige Entscheidungen immer zusammen getroffen werden, da sie nur gemeinsam die Herausforderungen meistern können, die die Natur für sie bereithält. Inzwischen hat man erkannt, dass sich Weinfreunde offenbar etwas schwer damit tun, wenn die Frau im Fokus steht und Bastian immer wieder gefragt wurde, was er denn beruflich mache. Deshalb haben sie inzwischen auch beim Wein auf Weingut Bunn-Strebel umgestellt. Im Weingut experimentiert man gern, spielt mit dem Holzeinsatz im großen und kleinen Fass, mit Spontangärung und langen Maischestandzeiten.
Die beiden kennen sich bereits seit ihrer Schulzeit. Bastian wollte anfangs Polizist werden, doch mit dem Abitur kam die Konzentration auf den Wein. Während Bastian eine Weinbautechnikausbildung absolvierte, studierte Lisa in Geisenheim. Bei den vorhandenen Weinbergen, exzellente Voraussetzungen für die Produktion erstklassiger Weine.
Die hatte sie auch in der #weinbude dabei. Der gelbfruchtige 2018er Riesling Orbel Nierstein (25 €) ist ein Großes Gewächs. Die Reben in den Niersteiner Toplagen sind über 30 Jahre alt und wachsen am nach Süden ausgerichteten Steilhang auf rotem Ton-Sandstein. Nach der Lese per Hand werden die Trauben leicht eingemaischt und stehen dann 24 Stunden. Lisa setzt bei ihren Weinen auf Spontangärung mit weinbergseigenen Hefen und ein Vollhefelager im 600-l-Fass bis zur Abfüllung im Sommer des Folgejahrs, doch bis zum Verkaufsstart lassen Lisa und Bastian den Wein noch ein Jahr in der Flasche reifen. Der markante und wohlig füllige Wein duftet nach frischen Kräutern, Walderdbeeren und Thymian, aber auch exotischen Früchten wie Kumquat und weist dezente Muskatnoten auf. Auf der Zunge machen sich Minzaromen, eine kräftige Salzigkeit und eine gleichsam filigrane wie saftige Säure bemerkbar und der volle, ausdrucksstarke Körper sorgen für einen langen Geschmack. Eigentlich ist der Wein noch viel zu jung und kann gut noch ein paar Jahre liegen. |
Als Fokuswein brachte Lisa einen 2018er Spätburgunder Réserve (25 €) mit in die #weinbude, ein wahres Kraftpaket, der zeigt, was mach auch in Deutschland aus Spätburgunder herausholen kann. Gelesen werden die Trauben im 15 Kilometer entfernten höher gelegenen Wintersheimer Fraugarten von Reben, die dort seit 40 Jahren auf Kalk wachsen. Hier lässt man die Trauben nach der Lese knapp zwei Wochen im 600-Liter-Gärtank auf der Maische gären und konzentriert Farbe und Aroma durch einen 20-prozentigen Saftentzug. Dabei überschwallt man die Maische immer wieder mit dem Saft von unten, ähnlich wie man es beim Wiener Schnitzel in der Pfanne mit dem heißen Fett macht. Das ist notwendig, damit der vom CO⊃2; nach oben gedrückte Hut aus Schalen und Kernen nicht austrocknet und dadurch den Geschmack des Weins beeinflusst. Danach reift der Wein zwei Jahre lang in zu einem Drittel neuen französischen Barrique. Der Jahrgang 2018 war perfekt für Rotwein und sorgte für Öchslewerte über 100 Grad: viel Sonne, sehr wenig Regen und dadurch die Chance, die Trauben sehr lange am Stock reifen zu lassen. Natürlich mussten auch Bastian und Lisa aufpassen, dass der Wein dadurch nicht zu marmeladig wurde und haben deshalb früher gelesen, als in früheren Jahren in einer solchen Situation, denn Spätburgunder ist empfindlicher als Merlot & Co. Der Wein begeistert durch seine schöne tiefrote Farbe, duftet nach Süßkirsche und Erdbeere und nach einiger Zeit kommen die zarten Karamellnoten hervor. Geschmacklich prägen den Wein seine schöne Frucht, Röstaromen und die lebendige Säure. Am Gaumen hinterlässt er einen langanhaltenden warmen Eindruck mit großem Geschmack und komplexer Substanz. Auch hier ist der Wein nach vier Jahren noch sehr jung und kann auch noch ein weiteres Jahrzehnt liegen.
Als dritter Jungwinzer in der Runde nahm Philipp König vom Assmannshäuser Weingut Robert König an der #weinbude teil. Zwar ist der Rheingau ein wahres Paradies für Riesling, die schon seit vielen Jahren die Weinfreunde begeistern, doch der Rüdesheimer Stadtteil Assmannshausen mit seiner renommierten Lage Höllenberg war schon von gut 100 Jahren eine international sehr beliebtes Spätburgundergebiet, dessen Flaschenpreise vor den Weltkriegen die französische Konkurrenz preislich hinter sich ließen. Nach wie vor bleiben die Weine dieser Weinberge bei Rotweinfans nachhaltig im Gedächtnis. Auch Philipp hatte, wie Patric, nicht sofort Wein als Fokus, sondern wollte sich eigentlich stärker dem Sport widmen, bis ihn der frühe Tod seines Vaters 2018 im Alter von nur 20 Jahren zur Übernahme des Weinguts brachte. Parallel studiert er Weinbau und Önologie im benachbarten Geisenheim.
„Am Ende der Welt“ liege sein Weingut mit dem 8.5 ha Rebfläche, oberhalb des Höllenbergs, sagt er, fernab vom Gedrängel der Rüdesheimer Drosselgasse, durch die sich, wenn nicht gerade die Pandemie den Tourismus einschränkt, jährlich bis zu drei Millionen Besucher zwängen. 80% seiner Weine stammen aus den berühmten Steillagen Assmannshäuser Höllenberg, Assmannshäuser Frankenthal und vom Hang im Rüdesheimer Drachenstein unterhalb der „Germania“, 85 Prozent davon sind Spätburgunder. Philipp setzt auf Liebe zum Detail und stete Bodenständigkeit, wenn es darum geht, hier anspruchsvollen Spätburgunder herzustellen, wie es ihm sein Vater Robert beigebracht hat, den er seit seiner Kindheit über die Schultern geschaut hat. Der hatte das gleichnamige Weingut aufgebaut und den Spätburgunder bekannter gemacht. Schon als Schüler hatte Philipp die ersten Weinberge gekauft und sich auf Spätburgunder konzentriert. Der sehr von seiner Arbeit überzeugte Philipp brennt für den Spätburgunder und ist selbst davon überzeugt, zu den besten Weingütern für Spätburgunder in Deutschlands zu gehören.
Für ihn ist Spätburgunder der König unter den Rotweinen, den schon 1335 die Zisterzienser aus dem Burgund mit in den Rheingau brachten, wo er auf den Steinberg des Klosters Eberbach eine neue Heimat fand und sich von dort ausbreitete. Im Assmannshäuser Höllenberg kann man ihn urkundlich bis ins Jahr 1470 nachweisen. Es war der erste verbriefte Anbau von Rotwein im Rheingau. Die Schieferböden sind dafür erstklassiges Terroir. Beim Ausbau seiner Weine spielt er mit den verschiedenen Spielarten, mit Holz und Stahl, um einen neuen zeitgemäßen Spätburgunder zu produzieren, der in drei Qualitätsstufen auf den Markt kommt, die sich auch von den Weinbergen unterscheiden. Als sommerlicher Begleiter hat er einen lachsfarbenen leichten trockenen 2020er Spätburgunder Rosé (8,90 €) mitgebracht, der für den süffigen zugänglichen Stil der Einstiegsweine steht.
Als Fokus-Wein hat er mit einem 2019er Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg (16,90 €) einen Wein aus der mittleren Empor-Linie dabei, der nach schwarzen Johannisbeeren und Sauerkirschen duftet und eine dezente Würze besitzt. Er stand 10 Tage auf der Maische bevor er 10 Monate ins große Holzfass wanderte, Bei der Empor-Linie selektiert er die Trauben bei der Lese und lässt ihnen mehr Zeit am Rebstock und später im Keller. Weinliebhaber, die die Weine des Weinguts bei WirWinzer bestellen, könnten etwas irritiert durch den veralteten Eintrag sein. Dort wird das Weingut als Mitglied im Verband der Qualitätsweingüter VDP genannt, was momentan nicht der Fall ist. Klar wurde bei der Weinbude aber auf jeden Fall, dass Spätburgunder auch für Deutschland eine wundervolle Rebsorte ist. |