Zu Gast in Wien beim Essigpapst
Wer Erwin Gegenbauer kennt, weiß, dass ihn außergewöhnliche Projekte anziehen. Ein spezieller Reiz lag für ihn in dem 1899 gebauten Hauskomplex, in dem er aufgewachsen ist. Dort stellt er nicht nur weltweit geschätzte Essige her, sondern presst auch Öle und braut Bier. Als logische Klammer für die verschiedenen Geschäftszweige hat der Provokateur im ersten Stock ehemalige Wohnungen zu fünf Gästezimmern umgebaut, die den Blick auf das Wesentliche lenken und die Baugeschichte des Hauses erleben lassen.
Steckdosen hängen an Kabeln von der Decke, Wasserleitungen verlaufen frei innerhalb der Räume, durch einfache Metallarmaturen fließt Wasser in Emaille-Lavoirs und selbstkonstruierte Lichtschalter werden mit Eisenketten betätigt. Dieser extraordinäre Anblick bietet sich Gästen im ersten Stock der Waldgasse 3 im Wiener Stadtbezirk Favoriten. Zusammen mit dem Bauherrn Erwin Gegenbauer ließen die Architekten heri&salli, Heribert Wolfmayr und Josef Saller, fünf Zimmer zuerst aushöhlen und legten dann rote Ziegelwände, massive Holzdecken und Stahlträger frei. Gegenbauers Ziel war es, die Historie des Gebäudes und die Handwerkskunst sichtbar zu machen.
Wie bei seinen Produkten, bei denen kompromisslose Qualität im Mittelpunkt steht, konzentriert sich der umtriebige Wiener auch bei seinem neuesten Projekt auf das Wesentliche. „Wir verzichten bewusst auf technologische Verführungen und setzen dafür die Rohheit der verbauten Werkstoffe in Szene. Luxushotels mit allem möglichen und unmöglichen Schnickschnack gibt es zuhauf. Ich will Genussmenschen ansprechen, die Sinnlichkeit und Handwerk als harmonisches Ganzes betrachten und das Spiel mit unterschiedlichen Materialien mögen“, erklärt Erwin Gegenbauer. Neben rauem Purismus halten die Zimmer einige Annehmlichkeiten für einen komfortablen Aufenthalt bereit: feine Bettwäsche und Handtücher, selbstgemachte Seife aus Gegenbauer Ölen, Fußbodenheizungen und sogar beheizbare Toilettensitze. Den Mittelpunkt der Wiener Gäste Zimmer bildet jeweils ein ausladendes Bett aus sibirischer Lärche, in das Regal, Ablage und Schreibtisch integriert sind. Dort können Bücher und Laptops untergebracht werden, auch eine Kindermatratze findet innerhalb vorspringender Holzstaffeln Platz
Erwin Gegenbauer möchte mit seinen Zimmern aus der Flut von Privathoteliers herausstechen, einerseits mit dem Industriecharme und der zeitlosen Ästhetik der Räumlichkeiten überzeugen, andererseits auch durch das Umfeld. Die mit Profiequipment ausgestattete Gemeinschaftsküche, die Kuchl, wird mit verschiedenen Gegenbauer-Produkten zum urbanen Genussort. Kaffee aus der eigenen Rösterei, selbstgebackenes Brot, Wiener Bier, Säfte aus fast vergessenen Apfelsorten, Bregenzerwälder Juni-Alpbutter, Bergkäse und natürlich Essige und Öle gehören zum Standard. Da das Dach seit Sommer 2014 nicht nur die Balsamessigfässer, sondern auch Bienenvölker beherbergt, können Genießer am großen Holztisch der Kuchl auch aromatischen Honig probieren. Für Kochkurse oder Feiern mit maximal 14 Personen kann die Küche gemietet und bei Bedarf ein erfahrener Koch hinzugezogen werden. „Hier leben wir die Wertschätzung der uns umgebenden Rohstoffe vor, Genuss darf dabei aber auf keinen Fall auf der Strecke bleiben. Wir füllen Räume mit Leben und Geschmack“, so Erwin Gegenbauer.
Im Rahmen des Craft Beer Festivals im November 2014 überzeugten sich bereits einige Bierbrauer von den Vorzügen der Wiener Gäste Zimmer: „Die Zimmer sind einmalig und strotzen nur so vor Qualitätsarbeit und Liebe zum Detail“, erklärte einer der ersten Gäste. Nicht nur die Zimmer sind bis ins Kleinste durchdacht, auch ein neu renovierter Erholungsbereich im zweiten Stock mit Schwimmbad und Sauna gehört ab dem Frühjahr 2015 zum Gegenbauer-Refugium. Zur gleichen Zeit wird im Außenbereich ein Terrassengarten für die Gäste und Mitarbeiter angelegt, so dass jeder Kräuter und Gemüse selbst ernten kann. Neben den Bienen auf dem Dach bringt Erwin Gegenbauer nach dem Frost sogar Hühner im Hof der Essigbrauerei unter, sie werden die Gäste täglich mit frischen Eiern versorgen. Die Buchung der vier Doppelzimmer und des Einzelzimmers ist ab sofort auf den Onlineportalen Airbnb, Wimdu und Booking möglich; weitere Informationen unter www.gegenbauer.at.
(c) Magazin Frankfurt, 2024