Rossini, Aureliano in Palmira
Im vergangenen Jahr kam es beim Rossini Festival in Pesaro zu einer mit Spannung erwartete Premiere im wahrsten Sinne des Wortes. Rossinis Jugendwerk war, da es davon keine historisch-kritische Edition gibt, noch nie in Pesaro aufgeführt worden. Ungewohnt schon die Ouvertüre, die Rossini drei Jahre auch für seinen populären Il Barbiere di Seviglia verwendete, die aber in elegischem, nahezu tragischem Ton gespielt wird. Verständlich für den erfolgsgewöhnten Vielschreiber Rossini, dass er recycelte, da Aureliano damals ein Flop war, den er ohne Scheu als Steinbruch für seine nächsten Opern verwendete. Heute würde die Oper vermutlich besser ankommen, denn es handelt sich dabei summa summarum um ein bedeutendes und gelungenes Werk. Nicht ganz glücklich sind viele Zuschauer auch heute mit dem Dirigenten Will Crutchfield, der die Partitur oft überdehnt und mit den langsamen, schleppenden Tempi wenig Freude bereitet. Die Sänger machen dafür einiges wett, besonders der Amerikaner Michael Spyres, der die Titelrolle virtuos übernimmt und die Partie des römischen Kaisers Marc Aurel, eines aufgeklärten Herrschers überzeugend verkörpert. Lena Belkina mit ihrem schön timbrierten Mezzo als persischer Prinz Arsace, einer Rolle, die Rossini eigentlich für einen Kastraten geschrieben hat und die australische Sopranistin Jessica Pratt als Königin Zenobia von Palmyra (das heute in Syrien liegt und in den Fängen des IS ist) mit den atemberaubenden Koloraturenläufen standen ihm dabei tadellos zur Seite. Die Inszenierung bewältigte Mario Martone, der die barock bunt kostümierter Protagonisten gut einsetzte.
(c) Magazin Frankfurt, 2024