Mit dem Pianisten Jean-Yves Thibaudet eröffnet das Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Charles Dutoit am ersten September-Wochenende die neue Saison der Frankfurter PRO ARTE Konzertdirektion in der Alten Oper.
Am Anfang des Programms stand die heimliche Nationalhymne Finnlands „Finlandia“, die Dutoit, der seit einigen Jahren Chefdirigent des US-Spitzenorchesters ist, gefühlvoll dirigierte. Sibelius, der das Werk 1899 komponierte, hatte ein gespaltenes Verhältnis zu der Komposition. Einerseits war sie in Finnland sehr beliebt, Teile davon wurden mit patriotischen Texten hinterlegt und brachte Sibelius zeitlebens sichere Tantiemen ein, auf der anderen Seite fühlte sich der Komponist verkannt. Als er im hohen Alter am Radio einem Europakonzert aus Deutschland zuhörte, sagte er resigniert, dass alle anderen Komponisten mit ihren besten Werken in dem Konzert vertreten waren - und er mit Finlandia. Vielleicht hätte es ihn gefreut, dass Dutoit und das Orchester den Abend mit seinem Valse Triste als Zugabe abschossen.
Thibaudet spielte als Solist des Abends sehr einfühlsam Ravels Klavierkonzert G-Dur. Man hört darin Ravels spielerischen Trieb, wenn er das Konzert mit einem Peitschenschlag und einem Trommelwirbel beginnen lässt und beim schnellen Allegramente und Presto Anleihen bei Strawinskys Petrouchka nimmt, während das in der Mitte liegende Adagio assai ruhig und fast mit Mozart'scher Klarheit daherkommt. Das Orchester ist mit dem Werk bestens vertraut, schließlich fand dort seine amerikanische Uraufführung statt.
Nach der Pause nahm sich Dutoit Berlioz frühes Meisterwerk, die autobiographische „Symphonie fantastique“ vor. Schuhmann war von der Musik zuerst schockiert und später begeistert, stelle sie doch das bisher bekannte quasi auf den Kopf und führte mit ihrer Programmatik die Romantik in der Musik ein.
Das Leitmotiv der verschmähten Liebe zieht sich durch alle fünf Sätze und kulminiert in einem orgiastischen Hexensabbath in dem die verschiedenen Gruppen des Orchesters eindrucksvoll demonstrieren konnten, dass sie einem der besten Klangkörper der Welt angehören. Mit dem Konzert schließt das Orchester an eine sommerliche Reihe von Auftritten in Nordamerika an. Der charismatische Jean-Yves Thibaudet konnte an diesem Abend zeigen, dass er einen Faible fürs Jazzfach hat, denn Ravel spielt auch mit diesen Elementen, deren Kenntnisse er besonders bei seiner Amerikatournee noch vertiefen konnte. Mit einer ungemein einfühlsamen Zugabe von Chopin verwöhnte er danach die Ohren der Traditionalisten.