Beethoven, Sinfonien, Mariss Jansons
Der in Bonn geborene Ludwig van Beethoven ist der erste Held des bürgerlichen Musiklebens. Joseph Haydn und Wolfgang Amadé Mozart ragen zwar bereits aus den älteren, feudal und kirchlich gebundenen Traditionen in die neue Kultur der öffentlichen Konzerte, Zeitschriften und des Laienmusizierens hinein, aber erst Beethoven verstand sich als Künstler, der in seiner Person diese bürgerliche Musikkultur selbst repräsentierte und nicht nur mit Stücken belieferte wie zuvor die Kirche oder den Adel. Er war ein Komponist zwischen Genie und Wahnsinn, Tradition und Moderne. Nicht umsonst gilt er als Vollender der Wiener Klassik und gleichzeitig als Wegbereiter der Romantik und kreierte Werke, deren Einfluss hinsichtlich formaler Strukturen auf die musikgeschichtliche Entwicklung mehrerer Gattungen kaum zu übertreffen ist. Einen großen Teil des Œuvres machen seine großorchestralen Kompositionen aus. Neun Sinfonien schreibt er innerhalb von 24 Jahren – die “Erste” im Alter von 29, die “Neunte” und letzte vollendet er fast völlig taub 1824. |
Die 1808 entstandene Fünfte Symphonie c-Moll op.67 ist nicht nur ein Meisterstück motivischer Konstruktion und erzählerischer Psychologie, sondern auch der Instrumentation. Mit der im selben Jahr komponierten Sechsten Symphonie F-Dur op. 68 „Pastorale“ schöpfte Beethoven die Möglichkeiten musikalischen Erzählens mit den Mitteln des Klangs für sich aus – die folgenden Symphonien schlagen wieder einen anderen Kurs ein. van Beethoven hatte in seinen ersten sechs Symphonien den Anspruch der Gattung von der gehobenen bürgerlichen Unterhaltung zum Ideenkunstwerk gesteigert. Die technischen Neuerungen, am deutlichsten in der Dritten, Fünften und Sechsten zu beobachten, waren stets mit einer Zuspitzung inhaltlicher Aspekte verbunden: „Eroica“ und „Pastorale“ geben als Werktitel der Dritten und Sechsten bereits Hinweise; wenn der Fünften ein von Beethoven autorisierter Titel fehlt, besagt das nicht, dass das Werk als „absolute Musik“ zu verstehen wäre, in der es lediglich um die Strukturierung von Intervallen und Rhythmen ginge. In seiner 1812 entstanden Siebenten Symphonie A-Dur op. 92 und der ein Jahr später folgenden Achten Symphonie F-Dur op. 93 nähert sich Beethoven einer solchen „absoluten Musik“ an. Eine Alleinstellung wird die überwältigende Neunte Symphonie d-Moll op. 125 immer für sich in Anspruch nehmen können, die mit 11 Jahren Abstand zur Vorgängersinfonie entstand. Nachdem Beethoven in der Siebenten und Achten außermusikalische Bedeutungen weitgehend außen vorgelassen hatte, kamen sie nun im großen Stil und in verbaler Eindeutigkeit zurück. Schon die ersten drei instrumentalen Sätze befleißigen sich großer Deutlichkeit. |
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(c) Magazin Frankfurt, 2024