Sensations, Music for Bandoneon
Bis vor ein paar Jahren wussten meist nur einige Wenige, was ein Bandoneon genau ist. Dabei hat es mit der 1821 in Krefeld lebenden Heinrich Band ein Deutscher erfunden. Nachdem er in dem von seinem Vater übernommenen kleinen Musikaliengeschäft anfangs nur mit Mühe 40- bis 56-tönige Akkordeons verkaufte, konstruierte er Mitte des 19. jahrhunderts das 68-tönige Bandonion, das später Bandoneón genannt wurde und sein Absatz stieg dadurch sprunghaft an. Eigentlich ist es eine Konzertina, die er mit kleinen, aber entscheidenden Änderungen zum Erfolgsinstrument machte. Das Gehäuse ist quadratisch und zwischen den beiden Stirnstücken ist ein Balg aus Holz und Ziegenleder befestigt. Durch Ziehen und Drücken entsteht Unter- oder Überdruck, der über Knöpfe an den beiden Stirnseiten als Ton entweicht. Die durchströmende Luft bringt dabei die auf Stimmstöcken angeordnete Metallzungen zum Schwingen. Im Unterschied zum Akkordeon besitzt das Bandoneon keine vorgefertigten Akkorde, sondern Einzeltöne wie das Klavier. Bei uns wurde es allmählich durch das einfachere Akkordeon verdrängt. Die größte Popularität kam mit dem Tango, der wohl populärsten Tanzart unserer Zeit, wo es schon früh prägender Bestandteil eines Orquesta Típica war. Auch im Tango Nuevo blieb es erhalten. In Tangos besungen, stiftet es bis heute Identität und wird in Südamerika liebevoll als beste deutsche Erfindung gepriesen. Im Zuge des Tango-Booms mit der Musik Ástor Piazzollas kam der Charakterklangs wieder nach Europa. Heute wird von vielen Piazzolla und Tango untrennbar miteinander verknüpft, doch der Argentinier war auch ein ernstzunehmender sinfonischer Komponist. In den „Five Tango Sensations“, die auf dem neuen Album zu hören sind, sind beide Seiten Piazzollas musikalisch vereint: Tango und Sinfonik. Der Italiener Roberto di Marino, der zweite Komponist, ist ein zeitgenössischer Vertreter sinfonischer Bandoneonmusik. Noch nicht so populär wie sein Vorbild Piazzolla, ist er mit dieser Weltersteinspielung musikalisch aber ebenso interessant. Gespielt werden die Stücke von dem international erfolgreichen Bandoneon-Spieler Cesare Chiacchiaretta und dem Croatian Philharmonic Orchestra unter Miran Vaupotic
(c) Magazin Frankfurt, 2024