Thomashoff, Mehr Hirn in die Politik

Hans-Otto Thomashoff arbeitet als Psychiater, Psychoanalytiker und Psychotherapeut in seiner eigenen Praxis in Wien und hat sich durch zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen zu psychodynamischen Verstehenszugängen von Kunst und Kreativität einen Namen gemacht. Das Ehrenmitglied des Weltpsychiaterverbandes ist Präsident von dessen Sektion für Kunst und Psychiatrie und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats in der Sinnstiftung Gerald Hüthers und des Aufsichtsrats der Sigmund-Freud-Privatstiftung. Als Autor hat er sich in Sachbüchern mit den gesellschaftlichen Konsequenzen einer Integration von aktueller Hirnforschung und Psychoanalyse beschäftigt, gibt darin aber zugleich auch praktische Tipps für den Alltag.

Jetzt meldet er sich mit einem Plädoyer für eine gehirngerechte Politik zu Wort, denn egal ob Wutbürger oder Protestierer, haben viele Menschen bei Uns das Gefühl, dass »die da oben« sie nicht ernst nehmen. Welche Ursachen liegen diesem weit verbreiteten Empfinden zugrunde? Was müssen wir konkret tun, um unsere Gesellschaft wieder auf Spur zu bringen?

Thomashoff bemüht sich Antworten auf diese Fragen zu finden, indem er die Erkenntnisse der Neurowissenschaften mit der politischen Praxis verknüpft. Er belegt anschaulich, wie kurzfristige Planung ohne langfristige Perspektive zu Wut und Dauerstress im Gehirn führt. Die Politik schafft es nicht, konsequent zu handeln. Corona-Chaos, Flüchtlingskrise und Klimakatastrophe sind nur die Spitze des Eisbergs.

Für den erfolgreichen Staat der Zukunft fordert Thomashoff die direkte demokratische Mitbestimmung, denn obwohl viele Politiker dem Wahlvolk Intelligenz und Verständnis absprechen, liegt der Schwarm mit seinen Annahmen meist gar nicht so falsch. Als Beleg zitiert Thomashoff Sir Francis Galton, einen Cousin Darwins, der auf einem Jahrmarkt im 19. Jahrhundert die Verlosung eines Ochsen analysierte. Wem es am besten gelänge, das Gewicht des Tiers zu schätzen, erhielte den Ochsen als Gewinn. 787 Menschen nahmen teil. Zwar gab es Ausschläge nach oben und nach unten, aber der Mittelwert der abgegebenen Schätzungen wich nur 0,8 Prozent vom tatsächlichen Gewicht des Tiers ab. Die Menge hatte also durchaus gesundes Augenmaß bewiesen. Natürlich sieht auch Thomashoff, dass man aufpassen muss, denn eine Menschenmenge lässt sich auch aufwiegeln und würde dann nicht mehr rational und verantwortungsbewusst entscheiden, doch ohne aufkochende Gefühle entscheidet die Menge mit durchaus brauchbaren Ergebnissen, wenn Transparenz, regionale Eigenständigkeit und konstruktive Konfliktlösung vorhanden sind. Wir haben es also in der Hand, unsere Zukunft besser und glücklicher zu gestalten. Wir müssen nur »gehirngerecht« handeln, um uns verantwortungsvoll der Aufgabe zu stellen, eine Weltgemeinschaft mündiger Bürger zu schaffen.

Hans-Otto Thomashoff, Mehr Hirn in die Politik - Gegen Unzufriedenheit, Polarisierung und Spaltung, Ariston, Broschur, 224 Seiten, ISBN 978-3424202304, 18 Euro

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