Adler-Olsen, Opfer 2117

Der achte Fall für Carl Mørck und das Sonderdezernat Q.

An Zyperns Küste wird eine tote Frau aus dem Nahen Osten angespült: Auf der "Tafel der Schande" in Barcelona, wo die Zahl der im Meer ertrunkenen Flüchtlinge angezeigt wird, ist sie "Opfer 2117". Doch sie ist nicht ertrunken, sondern ermordet worden. Kurz darauf beschließt der 22-jährige Alexander in Kopenhagen, Rache zu nehmen für "Opfer 2117", dessen Foto durch die Medien ging. Bis Level 2117 spielt er sein Game "Kill Sublime" − dann will er wahllos morden. Als Assad vom Sonderdezernat Q das Bild der toten Frau zu Gesicht bekommt, bricht er zusammen. Denn er kannte sie nur zu gut. Ein hochemotionaler Fall für Carl Mørcks Team, der nicht nur Assad an seine Grenzen bringt.

Der 69-jährige Kopenhagener Jussi Adler-Olsen ist als Autor von Krimis überaus erfolgreich. Dabei war ihm die Schreiberei nicht in die Wiege gelegt, denn er studierte erst einmal Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film und arbeitete bevor er 45-jährig mit dem Schreiben von Büchern begann, als Redakteur für Magazine und Comics, als Koordinator der dänischen Friedensbewegung, als Verlagschef im Wochenblatt TV Guiden und Aufsichtsratschef verschiedener Energiekonzerne. Als Hobby renoviert er gerne alte Häuser. Schon sein in die Zeiten des Zweiten Weltkriegs entführender Erstling ›Das Alphabethaus‹ stürmte in vielen Ländern die Spitze der Bestsellerlisten. 2007 begann er dann nach diversen anderen Bänden mit dem ersten Fall seines etwas sperrigen Ermittlers Carl Mørck, die umgehend international zu einem Riesenerfolg wurden. Die auf insgesamt zehn Teile angelegte Carl-Mørck-Serie wird seit 2012 im Rahmen einer europäischen Co-Produktion für Kino und Fernsehen verfilmt. Auch viele angesehene Literaturpreise konnte er dafür einsammeln. In seinem achten Fall

Viele Fans von Carl Mørck, Mitstreiter Assad und Sekretärin Rose haben sich schon auf den neuen Band gefreut, in dem es sich allerdings nicht um einem der sonst in den Zuständigkeitsbereich "Cold Cases" des Sonderdezernat Q gehörenden Fälle handelt, wir auch. Opfer 2117 nimmt uns zuerst mit ins Mittelmeer, wo die Flüchtlingsfrage, der Krieg und die Unruhen in Syrien und dem Irak ein Thema sind - sehr aktuelle Probleme.

Von einem spannenden Fall mit schmissigen Dialogen und einen oft durch Assad eingestreuten Hauch Situationskomik ist in dem neuen Band kaum etwas übrig. Auch der eigentlich unnötige Fall des mordlüsternen Alexander, der eigentlich nur dazu dient die andere Hälfte des winzigen Sonderdezernats zu beschäftigen, ist alles andere an ein Cold Case, denn schon seit Tagen nervt er den jungen Dezernats-Mitarbeiter Gordon mit seinen Anrufen, in denen er seine mörderischen Pläne avisiert. Leider nimmt die Handlung schon zu Beginn eine hanebüchen Wendung, die wohl auch große Fans Adler-Olsens schlucken lässt: Assads Herkunft. Zwar sind wir es mittlerweile gewohnt, dass uns aus den arabischen Staaten stammende Flüchtlingen hinsichtlich ihrer Identität und Herkunft nicht unbedingt die Wahrheit auftischeen, doch hätte dies wohl niemand bei dem zu eng in die Handlung der bisherigen sieben Bände verwobenen Assad vermutet, für den sich mit Opfer 2117 und ihren Mitreisenden plötzlich ein Familiendrama auftut, das sich in Richtung Mitteleuropa bewegt. Schon die eingestreuten Rückblicke in die Golfregion, auf Gefangenenbefreiungen, Flucht aus der Haft und das Rachestreben anderer Akteure erzeugt Magengrimmen. Als Frankfurter freut man sich zwar, dass das eigene Viertel auch in dem Band auftaucht und man sich so noch besser in die Handlung hereinversetzen kann, doch sind die Entwicklungen in dem Buch in vielen Punkten ein Aneinanderreihen von Unglaubwürdigkeiten, wenn es darum geht Terror und Rache zu instrmentalisieren. Die agierenden Personen sind dabei oft einfach trotz der ihnen angedicchteten Professionalität dilletantisch Oft ist man geneigt, das Buch noch vor dem Ende aus der Hand zu legen. Weniger wäre hier vermutlich mehr gewesen, zumal auch in dem zweitene Fall mit dem grenzdebilen Gamer Alexander, der ja durch dessen Eintreten für das Opfer 2117 mit der Haupthandlung verbunden ist, trotz massiv enigebundener Staatsmacht letztendlich auf das Eingreiefn und das Engagement des kleinen Sonderdezernat Q-Teams angewiesen ist. Puh! sagt man dann, wenn man das Buch nach der Lektüre aller 592 Seiten wieder aus der Hand legt und hofft, dass Jussi Adler-Olsen in seinem neunten und zehnten Band wieder auf ein Terrain zurückfindet, auf dem man ihn gerne begleitet.

Jussi Adler-Olsen, Opfer 2117, dtv, Hardcover, 592 Seiten, ISBN 978-3423282109, 24 Euro

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