Weinland Chile - Erkundungen am Rande der Anden

Chile – Ein Besuch in den Weinregionen zwischen Wüste und Gletschern und zwischen Anden und Pazifik. Unser Autor Michael Ritter hat das Land besucht, Winzer und Hoteliers besucht und die neuen Weine des beliebten Weinlandes verkostet.

Der Hockeschläger am Andenrand

Es liegt nicht gerade vor unserer Haustür . Wie ein Hockeyschläger bildet Chile mit einer Länge von 4300 Kilometern und einer Breite von oft nicht viel mehr als 150 Kilometern die Westküste des südlichen Südamerikas. Kein Wunder also, dass das Land ein breites Spektrum von Klimazonen zu bieten hat. Von der knochentrockenen Atacama-Wüste im Norden über das stark bevölkerte Zentrum rings um Santiago de Chile bis hinunter zur Insel Chiloé und den Fjorden Südchiles, wo riesige Gletscher kalben und das vom Sturm umtobte Kap Hoorn den südlichsten Punkt des Doppelkontinents markiert und der Osterinsel in den Weiten des polynesischen Pazifiks mit ihren kolossalen Moai-Statuen reicht das Spektrum.

Die meisten Besucher treibt es zu allererst in die Hauptstadt Santiago. Auch immer mehr Chilenen suchen dort ihr Glück. Mehr als sechs Millionen Menschen - fast die Hälfte der Bevölkerung- hat sich auf der Suche nach Arbeit in und um die Metropole angesiedelt. Ein Drittel davon haust mehr schlecht als recht in den durch die Kürzungen der Sozialleistungen entstandenen Armenvierteln. Wie eine Krake hat sich die Stadt über die Hänge der Anden und das nahe Maipo-Tal ausbreitet. Manche Weinberge, wie das traditionsreiche Vina Cousiño Macul mit seinem ausgewogenen Cabernet Sauvignon Antiguas Reservas sind ist inzwischen eingekreist von Einkaufszentren und neuen Wohnsiedlungen.

Mit LAN und Elan ins Reich der Reben

Fast 17 Stunden dauerte der Flug mit dem Airbus von Frankfurt über Madrid. Die chilenische LAN tut viel für den Ruf der Weine Südamerikas und wurde für ihre Weinauswahl, um die sich mit Héctor Vergara einer der führenden Sommeliers Südamerikas kümmert, schon oft ausgezeichnet. Die Passage der Anden sei immer von Turbulenzen begleitet, hatte der Kapitän vorgewarnt, als wir uns kurz vor der Landung den schroffen Kordilleren nähern. Der Flug geht direkt vorbei am Gipfel des Aconcagua, des mit 6962 Metern höchsten Bergs Amerikas. Zusammen mit anderen schneebedeckten Gipfeln und Vulkanen sorgt er für eine eindrucksvolle Kulisse des Valle Central, an dessen nördlichen Ende Santiago liegt. Oft sind die Kordilleren jedoch nur schemenhaft zu sehen, da meist eine dichte Smogglocke über der Stadt hängt.

Wegen der isolierten Lage des Landes haben Schädlinge wie die Reblaus das Land bisher verschont. Damit das auch so bleibt, führt Chile bei der Einreise rigide Kontrollen durch. Das kann ein vergessener Apfel schon mal knapp 200 Euro Strafe kosten. Pilar Valverde wartet auf mich am Ausgang und wird mich in den kommenden Tagen als Dolmetscherin begleiten. Sie ist Brand Ambassador für die Weine Chiles und hat zuvor für Wines of Chile, die Marketingorganisation 90 führenden Weingüter den europäischen Markt bearbeitet. Zuerst geht es über das gut ausgebaute Autobahnnetz, das in den Flusstälern ausgebaut und durch ein hochmodernes Mautsystem finanziert wird, zum Hotel im Zentrum von Santiago.

Kaum wiederzuerkennen Santiago de Chile

Die Stadt ist seit meinem ersten Besuch vor 20 Jahren fast nicht wiederzuerkennen. Nachdem 1990 ein Volksentscheid den 17 Jahre währenden Regime von General Augusto Pinochet ein Ende setzte, kehrt die Demokratie langsam in das Land zurück. „Desaparecidos“ nannte man die Tausende, die in den Jahren der Militärdiktatur vom Erdboden verschwanden und wie der populäre Sänger Victor Jara gefoltert und ermordet wurden.

Während die Menschenrechte auf der Strecke blieben, haben die wirtschaftsliberalen Reformen der sogenannten Chicago Boys, einer Gruppe in den USA ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler, dem Land mit Deregulierung und Privatisierung einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Einige der Superreichen des Landes profitierten kräftig davon. Auch der konservative Milliardär Sebastián Piñera, der 2010 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, begann seine Karriere unter Pinochet.

Deutsche Traditionspflege der ganz eigenen Art

Unübersehbar ragt die Baustelle des Gran Torre Santiago aus dem Häusermeer von „Sanhattan“. Der Wolkenkratzer des Argentiniers César Pelli ist mit 300 Metern das höchste Gebäude Südamerikas. Das riesige Costanera Center zu seinen Füßen ist von den anderen Malls dieser Welt kaum zu unterscheiden. Bauherr ist Cencosur, hinter dem der aus Kassel stammende Horst Paulmann steht. Auch der zweitreichste Mann Chiles, dessen sorgsam gehütete NS-Herkunft kürzlich enthüllt wurde, zählt zu den Profiteuren der wirtschaftsliberalen Politik des Landes. Bei Gesprächen merkt man schnell, dass Pinochet und Hitler in Chile immer noch einen großen Freundeskreis besitzen. Schlechte Aussichten wahre Demokratie!

Eine wenig vom intellektuellen Chile unter Salvador Allende spürt man im Bellavista -Viertel rund um die Universität, wo zahllose Restaurants und Bars allabendlich Studenten und Flaneure anziehen. Das Preisniveau kann man durchaus mit dem Deutschlands vergleichen. Unterhalb des Hügels Cerro San Cristóbal liegt am Ende der quirligen Calle Constitucion La Chascona, eines der Häuser von Literatur-Nobelpreisträger Pablo Neruda, das er für seine dritte Frau Matilde gebaut hat. Der Name bedeutet in der Indio-Sprache Quechua „Struwwelkopf“ - ein liebevoller Hinweis auf ihre Frisur. Die Gelage dort sind legendär. Fast wäre der krebskranke Dichter 1970 statt Allende zum Präsidenten gewählt worden. Als er wenige Tage nach dem Militärputsch von 1973 von Isla Negra, seinem geliebten Haus am Meer zurückkommt, ist das Haus geplündert und Neruda stirbt gebrochenen Herzens.

Schnuckelige Boutiquehotels im trendigen Bellavist

In der Nachbarschaft hat 2010 der Australier Mark Cigana zusammen mit seinem englischen Partner eine verfallene Villa und deren Nachbarhäuser mit viel Geschmack in das moderne kleine Boutique-Hotel The Aubrey mit sehr gutem Restaurant verwandelt, das sich schnell zum Treffpunkt der Trendsetter entwickelte. Nur ein kurzer Spaziergang ist es von dort über den Rio Mapocho ins historische Stadtzentrum, wo der Präsidentenpalast La Moneda an den Putsch erinnert.

Hier im alten Zentrum war die Stadt vor fast einem halben Jahrtausend durch den von Peru kommend spanischen Konquistador Pedro de Valdivia gegründet worden. Das Museo Chileno de Arte Precolombino vermittelt einen guten Eindruck der Kultur vor dieser Zeit. Von den Gebäuden aus der knapp 500jährigen Geschichte habe wegen der zahlreichen Erdbeben, die das Land immer wieder erschüttern, nur einige Kirchen und Paläste überlebt.

Die Erde wackelt zur Weinlese

Als am 27. Februar 2010 eine Erdbeben der Stärke 8,8 die Küste vor Maule erschütterte, hatten darunter auch die Winzer von Bio-Bio, die es am Härtesten traf, bis hinauf ins Maipo-Tal zu kämpfen. Man wollte gerade mit der Lese beginnen, als die Erde bebte und etliche Stahltanks wie Kinderspielzeug einknickten und sich in vielen Weingütern Tausende von Hektolitern Wein aus den geborstenen Tanks ergossen.

Zwei Wochen später wackelte die Erde bei der Amtseinführung von Präsident Piñera erneut und einige Seismologen befürchten, dass das Potenzial für weitere schwere Erdbeben eher gewachsen ist.

Zu Gast bei Mauricio Picciotto in Undurraga

Nur einige Kilometer außerhalb der Stadt liegt das Weingut Undurraga, das Jahr für Jahr zigtausende Weinfreunde besuchen. Zusammen mit anderen großen alten Weingütern im Maipo-Tal, wie Santa Rita und Concha y Toro hat Undurraga seine Tore für Weintourismus geöffnet. Mehrmals täglich fahren Busse aus der Hauptstadt von Weingut zu Weingut und bieten Gästen so die Chance gleich mehrere Weingüter am Tag zu besichtigen und deren Weine zu verkosten. Mitinhaber Mauricio Picciotto ist ein begnadeter Visionär mit einem Händchen fürs Marketing. Die aus Kolumbien stammende Familie war vor Jahren in das Traditionsweingut eingestiegen. Der Pinot in der bauchigen, an einen Bocksbeutel erinnernden Flasche, war einer der ersten chilenischen Markenweine für Jedermann. Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich dabei um Cabernet Sauvignon oder Carmenère, die beiden emblematischen roten Rebsorten des Landes.

In seiner französischen Heimat, war der einst weit verbreitete Carmenère durch die Reblaus fast ausgerottet. Die Kreuzung aus Gros Cabernet und Cabernet Franc liefert einen gerbstoffarmen schweren Wein, der reinsortig durch Einsatz von Holz hochinteressante Weine hervorbringt. Sein Verschwinden in Frankreich bot den Chilenen eine interessante und große Nische, Spitzenreiter bleibt allerdings - mit gut einem Drittel der Anbaufläche - der Cabernet Sauvignon.

Picciotto konzentriert sich aber stärker auf innovative Vorzeigeprojekte, mit denen das Weingut - nach Ausstieg der namensgebenden Gründer - an die Spitze der chilenischen Weinindustrie zurückkehrte. Mit dem Claim „The Sparkling People“ setzte man Maßstäbe für eine neue Sektkultur und wurde dafür kürzlich von Wines of Chile zum „Weingut des Jahres“ gekürt. Zwei Drittel des chilenischen Sekts kommen inzwischen aus dem Unternehmen - Tendenz steigend.

Auf der Suche nach dem optimalen Bedingungen der

Faszinierend ist ein Projekt, auf das uns LAN-Weinguru Héctor Vergara aufmerksam machte: „T.H.“ = Terroir Hunter. Picciotto hat dafür den talentierten Önologen Rafael Urrejola ins Boot geholt, der landauf, landab nach geeigneten Terroir sucht. Einer der neuen Weinberge liegt ganz im Süden in Patagonien, quasi ums Ecke von der Laguna San Rafael, in die der riesige Gletscher des Campo de Hielo seine Eismassen entlässt. Mit 46,5° S der südlichste Weinberg der Welt.

Während Rafael hier noch mit Pinot Noir experimentiert, ist T.H. in anderen Regionen schon weiter. Der wundervoll filigrane T.H. Sauvignon Blanc Casablanca 2011 konnte kürzlich in Brasilien als „Bester Weißwein der Neuen Welt“ durchsetzen und die Ergebnisse in den Cool Climate Regionen Casablanca und Leyda zeigen nicht nur bei Undurraga ein erstaunliches Potenzial, das an beste Qualitäten in Neuseeland erinnert. Rafaels T.H. Pinot Noir 2008 aus West Casablanca begeisterte sogar die Juroren des britische Decanter, die ihn zum besten Pinot Noir weltweit kürten. Respekt!

Neuordnung der Weinregionen - Statt Nord Süd zä

Während man früher die Weinregionen von Norden nach Süden betrachtete, erkennt man zwischenzeitlich, dass der Einfluss des Pazifiks oder der Kordilleren klimatisch viel stärker ist und sich auch die Böden von Ost nach West stärker unterscheiden als zwischen Nord und Süd. Mit einer neuen Klassifikation wird Wines of Chile diesen Unterschieden gerecht und spricht heute von Küstenregion, Andenregion und der Zone zwischen den Kordilleren. Die kalkhaltige Böden der Küstenregion mit den vom Humboldtstrom beeinflussten Morgennebel von Ovalle in nördlichen Limarí-Tal über Lolol im Colchagua-Tal bis hinunter ins Itata-Tal liefern nicht nur guten Sauvignon Blanc sondern auch eleganteren Chardonnay und Pinot Noir als aus dem dominierenden Zentrum.

Das mediterrane Klima und Sedimentgestein der Zone zwischen den Kordilleren war schon immer gut für den Ackerbau. Wenn früher der Ruf des chilenischen Weins unter billigen Massenwein litt, der in Tanks nach Europa gelange und dort abgefüllt wurden, so stammt dieser meist aus jener Zone, die fast zwei Drittel des chilenischen Weins hervorbringt.

Zu Gast bei Viña Errázuriz im Aconcagua-Tal

Am nächsten Morgen verlasse ich Santiago und das Maipo-Tal und fahre mit Pilar nach Norden. Über Bergkämme geht es vorbei an mächtigen Steinen vorbei ins Aconcagua-Tal. Nach Westen käme man in die Hafenstadt Valparaíso, die kulturelle Hauptstadt des Landes, deren historisches Zentrum Teil des UNESCO Weltkulturerbes wurde und in die mondäne Gartenstadt Viña del Mar. Nach Osten folgt die Straße dem Fluss und windet sich dann in Serpentinen am Aconcagua vorbei ins argentinische Mendoza. Ganz so weit brauchen wir nicht zu fahren, denn das 1870 von Don Maximiano gegründete Viña Errázuriz liegt nur wenige Kilometer östlich. Die Rebstöcke hatte er selbst aus Bordeaux mitbrachte und pflanzte auf den steinigen, kargen Böden seinen ersten Weinberg. Noch heute bringt er mit dem nach dem Gründer benannten Don Maximiano, einer Cuvée aus Cabernet Sauvignon mit je sechs Prozent Cabernet Franc, Petit Verdot und Shiraz einen der Spitzenweine des Weinguts hervor.

Doch auch einfachere Weine, wie der Cabernet Sauvignon Max Reserva oder der Carmenère Estate Reserva sind von hoher Qualität. Seit den 90er Jahren leitet Eduardo Chadwick, ein direkter Nachfahre des Gründers, das Gut und investierte in neueste Technologien und in die Pflege der Weinberge. Das merkt man ihnen deutlich an. Damals arbeitete Chadwick auch eng mit Robert Mondavi zusammen. Das Ergebnis war Seña, der erste Ultra-Premium-Wein Chiles.

Der Kauf vor Ort lohnt übrigens nicht, denn während er in Chile kaum unter 108.000 Pesos zu bekommen ist (rund 170 €) kostet er bei uns nur die Hälfte. Ein Phänomen, dass besonders bei Spitzenweinen zu beobachten ist. Der Zusammenarbeit beim Seña folgte 1996 die Gründung von Caliterra, einem gemeinsamen Joint Venture um erstklassig Weine international zu vertreiben. Zunehmend orientierte man sich dabei an ökologischen Kriterien. Seit 2004 ist das Unternehmen im Colchagua-Tal wieder vollständig im Besitz Chadwicks.

Die Bio-Ableger des Weinriesen Concha y Toro

Auch andere Unternehmen reagierten in den späten 90er Jahren auf die wachsende Nachfrage nach umweltfreundlich erzeugten Wein. Bei Betriebsgrößen über 1000 ha ist Chile mit seinen idealen klimatischen Bedingungen ein guter Ort dafür. Emiliana, ein Unternehmen des Wein-Riesen Concha y Toro, produziert Weine nach biologischen und biodynamischen Grundsätzen. Seit 1986 suchte man im ganzen Land nach geeigneten Weinbergen. Die Spanierin Noelia Orts ist als Winemaker für die Topweine und Coyam zuständig, die dicht und komplex das enorme Potenzial in diesem wachsenden Segment zeigen. Gê wurde von Demeter als erster lateinamerikanischer Biowein zertifiziert. Noelias Kollege Felipe Muñoz zeigt uns stolz das nachhaltige Weinberg-Management, das Emiliana als erstes Weingut ISO-zertifizieren ließ und führt durch den Bio-Garten, in dem jeder Mitarbeiter sein eigenes Biogemüse anbauen kann.

Ebenfalls zu Concha y Toro gehört Cono Sur. 1996 kaufte das Unternehmen in Chimbarongo im Colchagua-Tal das alte Santa Elisa Weingut. „Kein Stammbaum, keine verstaubten Flaschen, nur beste Qualität“ lautet das Motto der Gesellschaft, die heute zu den führenden Exporteuren von Flaschenwein gehört. Kellermeister Adolfo Hurtado stellte einen großen Teil der Weinberge auf biologischen Anbau um. Wichtig waren auch die Investitionen in den High Tech-Weinkeller in dem die Weine ohne Holzeinsatz ausgebaut werden. Die harmonische Bicicleta-Reihe mit dem Fahrrad auf den Etikett, steht für ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis. Passend dazu lädt Cono Sur Besucher gerne zur Erkundung der Weinberge mit dem Fahrrad ein. Der Ocio ist der Vorzeigewein, eine Pinot Noir, der ganz auf alte Traditionen Burgunds setzt und den Anspruch hat, der beste Spätburgunder des Landes zu werden.

Traditionspflege bei Casa Silva

Sehr traditionell geht es auch in der Nachbarschaft bei Casa Silva in Angostura zu. Das Weingut wird noch immer von Nachfahren Emile Bouchon geleitet, der 1892 aus Bordeaux ins Land kam. Die Pferdenarren haben das alte Herrenhaus, das direkt an den Weinkeller anschließt, in ein kleines Boutiquehotel mit sieben Zimmern verwandelt. Polo und Rodeo zählen zu den Attraktionen des Weinguts.

Altura, den besten Wein, gibt es nur in ausgesuchten Jahren und in geringer Menge. Die Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Carmenère stammt aus kleinen Parzellen mit 100-jährigen Rebstöcken. Gut, dass die Reblaus und der falsche Mehltau durch die rigiden Kontrollen nie den Weg nach Chile gefunden haben.

Rothschilds Ableger in Chile Los Vascos

Auf halben Weg zwischen San Fernando, der Hauptstadt der Provinz Colchagua, und dem Meer liegt Los Vascos, das Weingut des Hauses Rothschild (Lafite), das 1988 dort investierte und Maßstäbe in Sachen Qualität setzte. Das Angebot ist wie in der französischen Heimat stark reduziert. Am bekanntesten ist der Cabernet Sauvignon, der mit seinem Stil und seiner Klasse Chile weltweit einem breiteren Publikum bekannter gemacht hat.

Eleganter und voll schöner Frische ist Le Dix, ebenfalls ein reinrassiger Cab, für den Marcello Gallardo als Chief Winemaker verantwortlich ist. Bei der Fahrt durch die zusammenhängenden Weinberge, die 200 km südwestlich von Santiago und nur 40 km vom Pazifik entfernt liegend, zeigt uns Weinberg Manager Enrique Márquez die Schafherden, die sich an den Gräsern und Kräutern, die zwischen den Rebzeilen gedeihen, gütlich tun und wertvollen Naturdünger hinterlassen.

Steile Weinberge bei Luis Felipe Edwards

Eher Bergziegen bräuchte man in den Weinbergen von Luis Felipe Edwards. Sein Schwiegersohn Nicolas Bizzarri arbeitet seit 2002 als Chief Winemaker, nachdem er zuvor in Australien studiert und bei Robert Mondavi in Kalifornien erste Erfahrungen im Job gesammelt hat. Bizzarri sammelt uns am Parkplatz für eine Jeepfahrt durch die Weinberge auf. LFE 900 nennt sich das Projekt, in das die Familie viel Geld investiert hat. Statt in der Ebene hat Bizzarri seine neuen Weinberge in die steilen trockenen Berghänge bis hinauf zu den Gipfeln angelegt, die wir auf steilen Staubwegen erkunden. Entstanden ist ein Patchwork bis zu einer Höhe von 900 Metern.

Üblich waren bisher nur Höhen bis 750 Meter. Eine Herausforderung auch in Sachen Wasser-Management, denn 25 Kilometer Rohre mussten verlegt werden,um jede Pflanze zu versorgen. Fast nur rote Rebsorten stehen dort: Cabernet Sauvignon, Syrah, Carmenère, Merlot, Malbec, Petite Syrah, Mourvèdre, Petit Verdot, Grenache Noir und Viognier. Herausgekommen sind die neuen Spitzenweine LFE 900 und Doña Bernarda, den Edwards auf Basis von Cabernet Sauvignon zu Ehren seiner Frau aus den besten Trauben des Weinguts produziert. Die internationale Anerkennung der Weine freut Bizzarri und lässt ihn hoffen. „Die Reben sind noch sehr jung. Wir sind erst am Anfang“, lächelt er verschmitzt.

Apalta Armer Boden und volle Weine

Auf der anderen Seite des von Geröll aus den Anden überhäuften Tal des Colchagua liegt Apalta, eine kleine Unterregion. Oberhalb der Weinberge liegt dort die Casa Lapostolle von Alexandra Lapostolle- Marnier, deren Uropa mit dem Grand Marnier ein Vermögen machte. 1933 erwarb sie das Land mit heute zum Teil weit über 100 Jahre alten Reben. Das Weingut beherbergt auch ein komfortables Relais & Château. Nebenan liegt Viña Montes. Inhaber Aurelio Montes hält das kleine Apalta-Tal, das sich halbmondförmig zwischen felsig-schroffe Berge schmiegt, für das beste Rotwein-Terroir Chiles. Der Name bedeutet „armer Boden“ und eignete sich nicht für den Ackerbau. Doch die Reben, die sich hier ans Grundwasser kämpfen müssen, profitieren von diesem scheinbaren Mangel. Montes ist Visionär.

Seine Etiketten ziert ein Engel und wenn man durch’s Weingut streift, begegnet einen dieser in vielfältiger Form und Art. Montes hat schon oft die richtigen Entscheidungen getroffen. In den exklusiven Lagen, die am Hang des Bergs steil nach oben streben, gedeihen die Trauben für einige der Spitzenweine des Winzers, der auch in Argentinien und Kalifornien Wein produziert. Durch einen zum Teil extrem dichten Besatz verstärkt er den Wasserstress. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Der Purple Angel ist ein ausgezeichneter Carmenère mit etwas Petit Verdot und der Montes Alpha M ein großartiger klassischer Bordeaux-Mix . Sein im Curicó-Tal an den Hängen der Anden angebauter Montes Folly Syrah, den er aus einem 45° steilen Weinberg gewinnt, ist zu Recht einer der höchstbewerteten Kultweine des Landes.

Der Weintraum des Investmentbankers

Die guten Ergebnisse und der knappe Raum in Apalta haben auch andere Investoren angezogen. Nur ein paar Kilometer sind es über den Bergrücken nach Milahue zu Viña Vik im Cachapoal-Tal. Dort kaufte 2006 der norwegische Geschäftsmann Alexander Vik auf der Suche nach perfekten Bedingungen mehr als 4.000 Hektar Land, um seine Idee vom ganzheitlichen Weinbau zu verwirklichen. Mit einem internationalen Team aus Weinexperten gab er Hunderten von Menschen und deren Familien Arbeit und pflanzte Weinberge mit großer Dichte. Sechs Jahre später kann man den ersten Wein verkosten und in der exklusiven Lodge auf einem Hügel über Weinbergen und See wohnen. Derzeit entsteht im Tal das Weingut und auf der Hügelspitze ein Luxushotel, das Ende des Jahres fertig sein soll. Billig ist der Aufenthalt nicht. 400 bis 500 US-$ pro Person kostet die Nacht, doch dafür gibt es typische Gerichte, wie die beliebten Empanadas, mit Hackfleisch, Zwiebeln, Eiern und Rosinen oder mit Meeresfrüchten und Käse gefüllte Teigtaschen.

Auch der komplexe Wein wird serviert, der im Handel pro Flasche rund 130 US-$ kostet. Daneben stehen Radtouren, Ausritte und Wanderungen auf dem Programm. Der Vik 2009 ist ein Blend aus zwei Drittel Carmenère und einem Drittel Cabernet Sauvignon, zeigt schöne Beerenfrucht und eine elegante Holznote mit reifen, runden Tanninen. Für die Zukunft, verrät Winemaker Christian Vallejo, wird er mit der Zusammensetzung noch etwas experimentieren, um den besten Wein Chiles zu produzieren. Fassproben verschiedener Lagen und Klone des neuen Weins, zeigen, dass er dabei auf einem guten Weg ist. Der aus einer Winzerfamilie in Pomerol stammende Gonzague de Lambert kümmert sich derweil um das Marketing und den Aufbau des weltweiten Verkaufs.

Eintauchen in die Vergangenheit Zu Gast im Casa

Einen Ausflug in die chilenische Geschichte unternimmt man auf der Rückfahrt nach Santiago beim Besuch von Santa Rita. Fast 1.300 ha Weinberge liegen rund um das historische Weingut im Maipo-Tal. Santa Rita 120 steht für die Legende, das 120 Patrioten im Jahre 1814 nach hartem Kampf für die Unabhängigkeit des Landes im Keller des Anwesens Unterschlupf fanden. Die jungen, fruchtigen Weine der unterschiedlichen Rebsorten sind in Chile ein beliebter Wein für alle Tage. Der Medalla Real Gran Reserva ist einer seiner Prestige-Weine, ein reiner Cabernet Sauvignon, der mindestens ein Jahr in französischen Eichenfässern reifte.

Topwein ist der komplexe Casa Real Cabernet Sauvignon. Auf dem Etikett sieht man die Casa Real. 1996 hatte man das wahrhaft königliche Herrenhaus im pompejanischen Stil in ein Hotel mit 16 Zimmern verwandelt, doch inzwischen dient es nur noch der Beherbergung wichtiger Gästen. Schade, denn den wundervollen Park mit dem alten Baumbestand können so nur sehr wenigen Menschen besuchen. Hier steht das größte Weingut des Weinkonzerns. In der gelungenen Mischung aus alten Reifungskellern und modernster Technik lagern fast 20 Millionen Liter Wein. Unbedingt einen Besuch lohnt das benachbarte Museo Andino , das die große Sammlung präkolumbianischer Kunst des Santa Rita-Besitzers Ricardo Claro beherbergt.

Neue Hotels in Santiago de Chile

Nur ein Katzensprung ist es zurück nach Santiago. Unbedingt empfehlenswert ist dort das kleine Boutiquehotel Le Rêve im Stadtteil Providencia. Es verbindet exzellenten Service mit gemütlichen Zimmern und einer anheimelnden Atmosphäre. Über die ruhige Seitenstraße hinweg findet man zahlreiche angenehme kleine Restaurants und Bars. Ein bisschen weiter ist es zum supermodernen W-Hotel. Von der Dachbar hat man einen der schönsten Blicke über die Hauptstadt und auf der Restaurantebene ist die Weinbar El Mundo del Vino ein echter Hinseher.

Abgesehen davon, dass die Preise für chilenischen Weine in Deutschland deutlich günstiger sind, gibt es in Chile für Weinfreunde und Naturliebhaber eine Menge zu entdecken und es wird schnell klar, dass die besuchte Auswahl nur einen kleinen Ausschnitt des breiter werdenden Angebots widerspiegelt. Schön, dass man sich auch in Deutschland gut (und günstig) in die Weinwelt Chiles eintrinken kann.

(c) Magazin Frankfurt, 2024