Jetzt, Nicht

Jetzt, Nicht

(c) W-Film/Lighthouse

Sein Leben als Angestellter in der Marketingabteilung eines Kosmetikherstellers ist für den 45-jährigen Walter Stein (Godehard Giese) von jeder Menge Schufterei geprägt. Lang sind seine Arbeitstage, der Terminkalender quellt über, die Termine sind eng getaktet und Walter kommt kaum zur Ruhe. Völlig unerwartet für ihn ist deshalb auch die plötzliche Kündigung, die ihn in ein bodenloses Loch stürzt. Von einem Augenblick auf den anderen hat mehr als genug Zeit, um endlich über sein Leben nachzudenken, was ihn schnurstracks in eine Krise führt. Weil er damit nicht umgehen kann, erfindet er in seiner Not eine neue Identität für sich und gibt sich als ein anderer Mann aus. Doch das löst nur einen Teil seiner Probleme, denn er muss sich nach wie vor darüber klar werden, was in Zukunft das Wichtigste in seinem Leben sein soll. Arbeit und Leistung sind ja als Maßstäbe weggefallen. Aber hatten Walter und seine Frau Nicola (Loretta Pflaum) sich nicht ohnehin mal vorgenommen, ganz anders zu leben?

Anders als sonst, kommt der Film still und leise daher, denn er verzichtet völlig auf dramatisierende Untermalung durch Musik, wenn diese nicht gerade Teil der Szene ist. Regisseurin Julia Keller schafft sehenswerte Bildern im Breitbandformat, ein eher unterkühlter Seelenraum, in dem sich Walter fast schlafwandlerisch durch seine Welt zwischen Traum und Albtraum schleppt, der er so schwer entfliehen kann. Irgendwie schafft es der Film, Deutschland so zu zeigen, wie es sich ungern geben möchte: als ein eiskaltes Land, das von seinen Bewohnern größtmögliche Assimilation und Leistung erwartet und sie fallen lässt, wie eine heiße Kartoffel, wenn sie diese aus irgendeinem Grund nicht mehr erbringen. Godehard Giese gelingt es erstklassig diese gerissene Existenz zu verkörpern, der es nur schwer gelingt, aus ihrem Eispanzer auszubrechen.

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(c) Magazin Frankfurt, 2020