Stratford-on-Avon

Schon bei der Anreise nach Stratford-upon-Avon merkt der Besucher, dass Englands Herz irgendwo hier schlagen muss. Verschwenderisch blühende Gärten, Häuser im elisabethanischen Landhaus-Stil – man könnte meinen, Miss Marple biege gleich um die Ecke. Doch nicht um sie, sondern um einen ganz anderen berühmten Bürger des britischen Empires geht es, wenn man die Reise nach Stratford-upon-Avon unternimmt.

Das malerische Dorf in der Grafschaft Warwickshire ist die Geburtsstadt William Shakespeares. Der Geist des bedeutendsten Dramatikers der Weltliteratur wartet hier an jeder Ecke. Ob man zuerst durch die verwunschenen, mittelalterlichen Gassen Stratfords schlendert, seinem Geburtshaus einen Besuch abstattet oder sich eine Inszenierung der renommierten Royal Shakespeare Company ansieht: Dem mutmaßlich größten Genie des Mittelalters auf der Spur zu bleiben, könnte nirgendwo vielfältiger sein als hier! Am bequemsten erreicht man Stratford mit Stena Line von Hoek van Holland nach Harwich und fährt dann mit dem mitgebrachten Auto weiter. In Stratford angekommen, lässt es sich gut im Partnerhotel übernachten. Je nachdem, wie lange man dem „Meister der Sonette“ nahe sein möchte.

Ein wenig Ehrfurcht kommt schon auf, wenn man durch das 1196 gegründete Städtchen am Avon (das keltische Wort für Fluss) geht. Hier ist er also geboren, der große Literat, hierhin kehrte er immer wieder zurück und hier fand er auch seine große Liebe, die acht Jahre ältere Bauerntochter Anne Hathaway. Als Sohn des Bürgermeisters John Shakespeare und der aus dem niederen Adel stammenden Mary Arden war dies eine ungewöhnliche Wahl. Denn damals ziemte es sich nicht, sich außerhalb seines Standes zu verlieben oder gar zu verheiraten. Einige Widerstände seitens der Familie galt es vermutlich zu überwinden, ehe der gerade mal 18-jährige William seine Anne heiraten konnte. Doch ohne diese Widerstände wäre die Weltliteratur wohl um ihre bis dato berühmteste Liebesgeschichte gekommen: Romeo und Julia.

Auch wenn einen der Geist Shakespeares in Stratford nicht auf Schritt und Tritt verfolgte, würde sich ein Besuch lohnen. Zahlreiche, kleine Shops säumen Haupt- und Nebenstraßen und gemütliche Pubs wie Restaurants laden an jeder Ecke zu einer kleinen Pause ein. In den Parkanlagen Bancroft Gardens oder am Ufer des Avons sollen schon so manche Junggesellen von der Romantik in der Luft überwältigt worden sein und sich den 18-jährigen William zum Vorbild genommen haben.

Ob sie den Schritt später bereut haben, weiß niemand so genau, Shakespeare kam jedenfalls nach mehreren Jahren in London, die er dort erfolgreich als Darsteller, Stückeschreiber und Mitproduzent verbracht hatte, nach Stratford zurück und zog in das damals zweitgrößte Haus des Ortes.

Theaterfreunde kommen in Stratford mehr als auf ihre Kosten. In der Royal Shakespeare Company spielen die besten Schauspieler Großbritanniens. An jedem Tag außer Sonntag werden zumindest eine Komödie oder ein Drama des Meisters aufgeführt. Und um zu bestätigen, dass die Stücke, trotz ihrer vierhundert Jahre, manchmal aktueller wirken als die Zeitung von gestern, muss man nicht mal verliebt sein wie Romeo und Julia ...

(c) Magazin Frankfurt, 2024