Steinkohle war gestern - Parkstadt Limburg

Baumblüte

Baumblüte

Steinkohle war gestern die Parkstadt Limburg

Der südlichste Teil der Provinz Limburg ist nur einen Katzensprung von Aachen entfernt und grenzt südlich und westlich an Belgien. Im Zentrum des Dreiländerecks Niederlande - Deutschland – Belgien und der Euregio Maas-Rhein gelegen, bietet die einstige Kohleabbauregion zwischen Maastricht und Heerlen seinen Bürgern und Besuchern heuteeine Vielfalt an neu geschaffenen Attraktionen auf kleinem Raum an.

Wanderweg

Ravensbosjsjtraobaekwkped07

Ferienziel Süd-Limburg

Für die Niederländer hat sich Süd-Limburg in den letzten Jahren wieder zu einem beliebten Ferienziel gemausert. Es bietet Wanderern und Radfahrern ein breites Wegenetz durch eine abwechslungsreiche Landschaft und eine Vielzahl kleinerer und größerer Städte mit reicher Geschichte am Wegesrand an. Auch für deutsche Gäste wird die Region immer interessanter. Sie stellen inzwischen 44 Prozent der ausländischen Besucher.

Der Tourismus hat also eine große Bedeutung und schon vor 131 Jahren wurde hier einer der ältesten Tourismusverbände Europas gegründet, der jetzt mit eigener Repräsentanz in Köln und dem Slogan „Genieße Dein Leben“ auch das deutsche Publikum anspricht.

Vlaii

Kirsch-Vlario

Limburg als Ziel für Feinschmecker

Für Feinschmecker ist Limburg ein lohnendes Ziel, denn durch seine wechselhafte Geschichte, in der die Region wie eine Spielkarte von Hand zu Hand wanderte, sind Mentalität und Küche – ganz anderes als im Rest der Niederlande - stark burgundisch geprägt. Mit ihren gehaltvollen, würzigen Gerichten und der Verwendung von Wein, Butter und Sahne ist sie kulinarisch näher an Frankreich als an Holland, wo eher einfache Gerichte vorherrschen.

Die traditionellen Produkte der lokalen Landwirtschaft sind durchaus vielfältig. Man baut zahlreiche Obstsorten, Spargel und Wein an. Eine leckere Spezialität ist der original limburgische Vlaii, ein mit Pudding gefüllter Obstkuchen.

Kohlemine

Staatsmijnemma

Bergbau und die Zerstörung einer Landschaft

Dabei war es nicht immer so. Noch in den 1960er Jahren war die ganze Infrastruktur auf den Bergbau ausgerichtet. Dessen Schließung in den Jahren bis 1976 hinterließ sozialen Zerfall, eine vergewaltigte Landschaft und Massenarbeitslosigkeit. Vieles von dem, was in den folgenden zwei Jahrzehnten begonnen wurde scheiterte, weil es nur halbherzig die vom Bergbau geschlagenen Wunden kaschierte.

Kamen die Gäste früher gerne in die sanfte Hügellandschaft, so blieben sie nach und nach ganz aus. „Wer will denn bitteschön am hässlichsten Ort der Niederlande Urlaub machen?“ erkannten auch die örtlichen Politiker und setzen auf Schlechtwetter-Attraktionen, die man Stück für Stück auf den ehemaligen Bergbaugeländen errichtete.

Panorama

Panorama heuvelland Maurice van Bruggen

Neue Arbeitsplätze im Tourismus

Einen guten Eindruck von gelungener Neugestaltung konnten wir in der Parkstadt Limburg erleben. Es handelt sich dabei um einen Zweckverband aus acht Gemeinden im östlichen Teil des früheren Bergbaureviers, den so genannten „Oostelijke Mijnstreek“. Der 1999 gefundene Name „Parkstadt“ weist auf das neue Image der Region hin, die sich ab 1975 vom rußgeschwärzten Bergbaurevier zur attraktiven Tourismus- und Dienstleistungsregion entwickelte.

Mit Erfolg, wie nicht nur die Einnahmen aus dem Tourismus zeigen, die seit Ende des letzten Jahrtausends von 0 auf 368 Mio. Euro stiegen und 5.800 neu geschaffene Arbeitsplätze.

Der Lohn der Arbeit - Tourism for Tomorrow-Preis

Das blieb auch international nicht unbeachtet, wie der Gewinn des Tourism of Tomorrow-Preis 2016 des World Travel & Tourism Council bestätigte, die höchste touristische Auszeichnung der Welt. Südlimburg setzte sich dabei gegen 157 Einsender aus 62 Ländern durch, darunter die Schweizer Naturparks und die Victoria & Albert Waterfront in Kapstadt, die ebenfalls in die Finalrunde einzogen.

Allesamt keine Leichtgewichte. Man belohnte die Region damit für das einzigartige Beispiel einer gelungenen Transition von Schwarz zu Grün, die hoffentlich Schule machen wird.

Ski, Gärten und Zoos- die neue Attraktionen

Sogar Skifahrer kommen inzwischen auf ihre Kosten, wenn sie auf ein Alpenpanorama verzichten. Mit der SnowWorld entstand in Landgraaf 2002 zwar nicht die längste, aber mit ihren 35.000 Quadratmeter Pistenfläche die größte Skihalle Europas, die 2008 um ein eigenes Hotel mit 420 Betten erweitert wurde und seit 2012 über einen 25.000 Quadratmeter großen Outdoor- Park verfügt. 2004 folgte mit Mondo Verde ein Familienpark mit Tieren, Gärten und Kulturen aus aller Welt und zahlreichen Attraktionen, wie der größten europäischen Voliere, was vor allem Familien und Vogelfreunde anlockt.

2005 kam der attraktive Gaia Zoo dazu, in dem Besuchern in schön angelegten Landschaften ein breiter Einblick in die Welt der Tiere geboten wird - vom Affen bis zum Zebra - und in dem man in einem Tag quasi um die ganze Welt reisen kann, von der afrikanischen Savanne über die russische Taiga bis in den tropischen Regenwald. Im Totenkopfaffenwald klettern die Affen dem Besucher sogar direkt über den Köpfen von Ast zu Ast.

Das neue Kulturzentrum von Südlimburg

Doch auch Kulturfreunde kommen in Südlimburg nicht zu kurz. Mit dem Cube eröffnete am Museumsplein in Kerkrade gerade das erste Design-Museum der Niederlande. Es richtet sich an ein internationales Publikum, das sich für den Prozess der Gestaltung und Konstruktion interessiert. Es beleuchtet Ambitionen, große und kleine Bedürfnisse und neue Erkenntnisse und dient als permanentes Labor, in dem Studenten und Designer gemeinsam mit dem Publikum arbeiten.

Kinder lieben das benachbarte Entdeckungszentrum Continium, in dem ihnen die komplexen Geschichten unserer Welt auf spannende und unterhaltsame Art erklärt werden und sie die Welt aus überraschender Perspektive betrachten und dabei jede Menge erleben und lernen können.

Im Columbus Earth Theater präsentiert man eindrucksvolle 3 D-Filme, die zeigen wie schön und zerbrechlich die Erde ist. Es ist das erste National Geographic Theater über den Menschen Europas und die Erde. Genau das richtige für die einst zerschundene Region, die mit ihren Aktivitäten zeigt, dass sie es verstanden hat.

Rolduc

Abdij Rolduc Kerkrade

Zu Gast im Kloster - die Abtei Rolduc und ihr Bier

Neben dem Neubau von Freizeiteinrichtungen hat man die Angebote der Region auch durch die Instandsetzung alter Baudenkmäler, wie der 1104 gegründeten Abtei Rolduc erhöht. Zwar leben immer noch Priester in der ältesten und größten Klosteranlage der Benelux-Staaten, doch der größte Teil wird inzwischen als Tagungszentrum und Hotel genutzt. Dort gibt es sowohl Komfortzimmer mit eigenem Bad, als auch preiswerte Klosterzimmer. Wer fein säuberlich getrennt nach Männlein und Weiblein einmal im Kloster übernachten möchte, ist dort goldrichtig.

In der Klosterbrasserie „de Kanunnik“ serviert man zum eigenem Brot auch das Roldoc Abteibier. Schon im 12. Jahrhundert hatte man Wein angebaut und pflegt diese Tradition bis heute. Später kam auch Bier hinzu. Am besten schmeckt dieses einzigartige Bier im Innenhof, besonders nach einem ausgiebigen Spaziergang rund um die Klosteranlage.

Graffiti und neue Wohnquartiere in Heerlen

Im benachbarten Heerlen lädt man seit 2013 im Rahmen von Heerlen Murals, einem Projekt zur Förderung der Straßenkunst, niederländische und ausländische Graffiti-Künstler ein, einige Fassaden der Stadt mit Wandmalereien zu verzieren - mit sehenswertem Erfolg. Einen schönen Blick auf die ganze Stadt genießt man von der Brasserie Mijn Streek im obersten Stockwerk des „Schunk“ Glaspalastes im Stadtzentrum. Das ehemalige Warenhaus ist eines der bedeutendsten Bauwerke der Klassischen Moderne und beherbergt heute ein multidisziplinäres Kulturzentrum.

In gemütlich-legerer Atmosphäre kann man dort einen Snack oder Salat aus biologischem Anbau mit herrlicher Aussicht genießen.

Mit dem Maankwartier setzt man gerade ein neues Stadtviertel nach den Ideen des Künstlers Michel Huisman um – das eine gelungene Mischung aus dem Neubauprojekt des Bahnhofs mit Wohnungen, Büros, einem Hotel und Cafés bietet.

Mittelalter selbst erleben im Schloss Hoensbroek

Eine Reise in die mittelalterliche Zeit der Ritter kann man beim Besuch des nahen Schloss Hoensbroek unternehmen, eine der größten und schönsten Schlossanlagen der Niederlande. Der älteste Teil des Gebäudes stammt aus dem Jahr 1250. Das Schloss wurde aufwändig restauriert und präsentiert in mehr als 40 authentisch eingerichteten Räumen aus der Zeit vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert.

Die Besitzerfamilie von Hoensbroech verkaufte das verfallen Schloss, das später vom Kohleabbau förmlich eingekesselt war an eine Stiftung, die es bis heute pflegt. Der gegenwärtige Markgraf könnte Weinliebhabern ein Begriff sein könnte, da er im Kraichgau ein gleichnamiges VDP-Weingut betreibt, dass sich überwiegend dem Burgunder widmet.

La Fura dels Baus

La Fura dels Baus. Naumon. Exterior

La Fura del Baus beim Festival Cultura Nova

Schon vor 26 Jahren startete das einwöchige Festival Cultura Nova. Damals noch reines Straßentheater, lockt es heute jedes Jahr mehr als 55.000 Zuschauer an, die die rund 200 Musik- Tanz, Theater- und Akrobatik-Aufführungen an unterschiedlichen Orten in der Stadt sehen wollen, die teilweise kostenlos sind. Den spektakulären Anfang machte 2016 die Open-Air-Aufführung der katalanischen Theatertruppe La Fura del Baus. Die 1979 gegründete Gruppe hat durch aufsehenerregende Programme, wie Fausts Verdammnis bei den Salzburger Festspielen, Wagners Tannhäuser an der Mailänder Scala oder den Ring des Nibelungen in Calatravas futuristischen Palau de les Arts Reina Sofía in Valencia für Furore gesorgt.

Mit der großen Outdoor-Performance „Aphrodite und das Urteil des Paris” präsentierte sie den griechischen Mythos, in dem es um Macht, Gier, Eifersucht und Verführung geht. Alles Zutaten, die auch noch heute unsere Welt zu Verzweiflung, Neid, Streit und Krieg führen.

Rembrandts Nachtwache 3D im Schloss Strijthagen

Kunst bietet auch Schloss Strijthagen, der letzte vollständig erhaltene Adelssitz der Gemeinde Landgraaf. Die Schäden durch die bergbauliche Aktivitäten im vergangene Jahrhundert sind heute meist behoben und das Schloss, das heute im Besitz des russischen Künstlerpaars Alexander und Katja Taratynov ist, bietet als Kunstzentrum wechselnde Ausstellungen. Im weitläufigen Park stehen die Skulpturen des 60-jährigen Alexander Taratynovs. Wer möchte, kann dort zum Beispiel in einem museal eingerichteten VIP-Apartment übernachten. Dann bietet sich ihm auch ein gute Gelegenheit die Kätzchen, Hasen und 3 D-Figuren von Rembrandts Nachtwache des Künstlers aus Moskau genauer unter die Lupe zu nehmen.

Aber auch das Landgut Winseler Hof bietet Limburger Gastfreundschaft auf hohem Niveau und ein historisches Ambiente. Der Gutshof aus dem 16. Jahrhundert beherbergt heute ein luxuriöses Hotel mit 49 Zimmern, die sich um den charakteristischen Innenhof reihen und das italienische Gourmet-Restaurant Pirandello. Die ehemaligen Obst-, Blumen- und Kräutergärten und der Weinberg befinden sich im Wiederaufbau, denn Küchenchef Raoul Goovaerts verwendet mit Vorliebe Produkte aus eigenem Anbau.

Park Urbana

Die Internationale Bauausstellung IBA Parkstadt Li

So kurz der Besuch war, hat er uns einiges gezeigt, wie man eine Region nachhaltig und liebenswert neu gestalten kann. Manchmal kamen die Anregungen dazu sogar aus Deutschland, wo man schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine Internationale Bauausstellung (IBA) als Instrument der Stadtplanung und des Städtebaus ins Leben gerufen hatte. Damit sollten neuen Ideen und Projekten im sozialen, kulturellen und ökologischen Bereich Impulse setzen für einen in der jeweiligen Region als erforderlich angesehenen städtebaulichen bzw. landschaftlichen Wandel.

Parkstadt Limburg hat diese Idee aufgegriffen und in diesem Jahr Projekte wie den Park Urbana gefördert, einen vorübergehend eingerichteter Stadtpark auf dem Grunsvenplein, der die typischen Landschaften der Parkstadt in einer urbanen Umgebung präsentiert. Dafür legte man auf dem betonierten Vorplatz des Stadttheaters von Heerlen einen attraktiven Obsthain und einen Sandstrand an.

Der temporäre Park liefert einen ersten, symbolischen Impuls für ein grüneres Stadtzentrum in Heerlen und versucht, neue Verbindungen zwischen Grünflächen, Stadt, Kunst und Kultur herzustellen. Man ermutigt Bürger und Unternehmen Bäume zu adoptieren und an Orten anzupflanzen, die sie grüner gestalten wollen. Dieser Pop-up-Park steht für das „Placemaking“, bei dem öffentliche Räume neu entdeckt und gestaltet werden, um so die Verbindung zwischen Mensch und Umwelt nachhaltig zu stärken.

Doch der Park bildet nur den Beginn einer langfristigen Neugestaltung des Zentrums durch die IBA Parkstadt, bei der innerstädtische Grünflächen und urbane Kultur wichtige Schlüsselbegriffe sind. Bis 2020 soll das Projekt umgesetzt sein. Es lohnt sich also wiederzukommen.

© Nilgün Burgucu

(c) Magazin Frankfurt, 2024