Bahn verspätet? Wie erhalte ich eine Erstattung

Wohl jeder Zugreisende wird es schon einmal erlebt haben: Der Zug kommt zu spät am Umsteigebahnhof an und der Anschlusszug konnte nicht warten. In manchen Fällen kommt schon kurz darauf der nächste Zug zum Zielbahnhof und man erreicht ihn mit nur geringer Verspätung, manchmal ist es aber der letzte Zug des Tages und man bleibt mitten auf der Reise stecken. Noch immer wissen die wenigsten genau, welche Rechte ihnen als Fahrgast dann zustehen.

Manche sehen es ganz locker, wenn der Zug Verspätung hat, denn sie haben großzügig geplant. Doch wer zu einem Termin muss oder einen Flieger erreichen will, sitzt oft auf heißen Kohlen, wenn die Anzeigetafel am Bahnsteig eine größere Verspätung ankündigt. Darum ist es wichtig zu wissen, welche Rechte man als Bahnkunde geltend machen kann.

Wann bekomme ich eine Erstattung?

Wenn der Zug mal wieder Verspätung hat und man als Reisender statt um 10 Uhr erst um 11 Uhr am Zielort eintrifft, steht dem Bahnreisenden eine Entschädigung zu. Beträgt die Verspätung mindestens eine Stunde, bekommt er ein Viertel des gezahlten Fahrpreises zurück. Sind es mehr als zwei Stunden bekommt er die Hälfte – egal ob er ein ungebundenes Flexpreis-Ticket oder ein Sparticket nutzt oder eine Bahncard verwendet. Bei Rückfahrkarten gilt als Berechnungsbasis der halbe Preis, unabhängig davon ob bei Spartickets der Preis der Hin- und Rückfahrt unterschiedlich ist.

Anders sieht das bei Rail&Fly-Tickets, Rail Inclusive Tours-Tickets der Reiseveranstalter, der BahnCard100 und anderen Zeitkarten wie den Ländertickets oder dem Quer-durchs-Land-Ticket aus: Dort werden Pauschalbeträge erstattet werden, wenn der Zug mindestens eine Stunde Verspätung hat. Das startet beim Länderticket und Quer-Durchs-Land-Ticket mit 1,50 Euro und geht bei der Bahncard100 und Rail&Fly bis 15 Euro in der ersten Klasse. Da Beträge unter 4 Euro nicht erstattet werden, muss man bei verspäteten Reisen mit preiswerten Ländertickets oder günstigen Spartickets mit BahnCard-Rabatt mehrere Anträge bündeln.

Kann ich einen anderen Zug nehmen?

Schon wenn der beim Sparpreis gebuchte Zug mehr als 20 Minuten zu spät am Ziel ankommen wird, ist der Fahrgast nicht mehr an die eine bestimmte Verbindung gebunden und darf einen anderen Zug nehmen. Mit einer Fahrkarte für den Nahverkehr muss man sich allerdings zusätzlich erst einmal ein IC- oder ICE-Ticket kaufen, für das man das Geld auf Antrag zurückbekommt, wenn der vorgesehene Zug mehr als 20 Minuten verspätet am Zielbahnhof eintrifft.

Hat bei einer Umsteigeverbindung der Zug nur geringe Verspätung und man verpasst dadurch Anschlusszug, darf man ebenfalls mit einer anderen Verbindung fahren.

Wegen Verspätung Reise stornieren?

Manchmal ist schon vor der Abfahrt klar, dass sich der Zug über eine Stunde Verspätung haben wird – zum Beispiel bei länger geplanten Reisen nach Freiburg, wo unbefahrbare Gleise zwischen Rastatt und Baden-Baden das Umsteigen auf Busse erfordern. Wird die Reise dadurch unrentabel, bekommt der Bahnfahrer den kompletten Fahrtpreis zurück, wenn er die Reise nicht antritt. Wird nur eine Teilstrecke genutzt, gibt es bei mindestens einer Stunde Verspätung den Betrag für die nicht gefahrene Stecke zurück.

Hier sollte man aufpassen, denn wenn die Reise unterwegs abgebrochen wird, weil sie wegen der Verspätung sinnlos geworden ist, hat man auch Anspruch auf Erstattung des vollen Ticketpreises und erforderlichenfalls der Kosten der Fahrkarte für die Rückfahrt zum Ausgangsbahnhof der Reise.

Der letzte Zug ist weg. Was nun? Taxi? Hotel?

Solle mein Zug planmäßig zwischen Mitternacht und 5 Uhr am Ziel ankommen und es zu einer mindestens einstündigen Verspätung kommen oder sollte der letzte fahrplanmäßige Zug des Tages ausfallen und der Reisende seinen Zielbahnhof anders nicht mehr bis um 24 Uhr erreichen können, werden Kosten für ein Taxi bis maximal 80 Euro ersetzt, wenn das Eisenbahnunternehmen kein anderes Verkehrsmittel zur Verfügung stellt und kein zuständiger Bahnmitarbeiter erreichbar ist.

Auch angemessene Kosten für eine Hotelübernachtung können übernommen werden, wenn wegen eines Zugausfalls oder einer Verspätung die Fortsetzung der Fahrt am selben Tag nicht möglich oder zumutbar ist.

Auch hier sollte zuvor versucht werden, einen zuständigen Bahnmitarbeiter zu kontaktieren. Alternativ kann die Bahn dem Kunden ein Taxi organisieren, sofern dies preisgünstiger ist. Grundsätzlich sollte man versuchen, sich bei einer Verkaufs- oder Informationsstelle der Bahn einen Voucher für ein Taxi oder ein Hotel ausstellen zu lassen, damit es hinterher keine unangenehmen Überraschungen gibt, denn deren Nutzung hat grundsätzlich Vorrang vor einer selbst organisierten Alternative.

Wie mache ich mein Recht geltend?

Sie müssen Unterlagen für ihre Verspätung bei der Deutschen Bahn einreichen. Lassen Sie sich dafür am besten die Verspätung des Zuges bestätigen. Die erforderliche Bestätigung kann Ihnen sowohl ein Mitarbeiter im Zug, an der DB Information oder im DB Reisezentrum ausstellen. Es reicht aber auch ein entsprechender Vermerk auf der Fahrkarte. Bis fünf Tage nach Reisetag kann man sich im DB Reisezentrum die Verzögerung bestätigt lassen, wenn die Daten noch vorliegen.

Zurück von der Reise muss man dann das Fahrtgastrechteformular ausfüllen. Das bekommt man entweder direkt von einem der Bahn-Mitarbeiter, der darauf gleich die Verspätung bestätigen kann oder barrierefrei auf der Website der Deutschen Bahn zum Ausfüllen und anschließenden Ausdrucken. So wird sichergestellt, dass man keine wichtigen Angaben vergisst, um seine Rückerstattung zu erhalten. Als erforderlichen Nachweis dient bei Entschädigungen eine Kopie der Fahrkarte. Bei Rücktritt von der Reise ist es der Originalbeleg erforderlich. Ansprüche können bis zu einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der Fahrkarte gestellt werden.
Ticket und Antrag kann man dann entweder selbst bei einem DB Reisezentrum abgeben oder man schickt es per Post an das Servicecenter Fahrtgastrechte in Frankfurt am Main. Bei Bestätigung der Verspätung und Einreichen der Originalfahrkarte kann oft schon das DB Reisezentrum die Entschädigung auszahlen, sonst erfolgt die Entschädigung ausschließlich über das Servicecenter. Das Formular ist übrigens nicht verpflichtend, erleichtert aber die Bearbeitung. Der Nachteil bei dieser Regelung: eine Einreichung per Fax und Online ist nicht möglich, was auch Stiftung Warentest kritisiert.

Seit einiger Zeit bieten deshalb Dienstleister wie www.zug-erstattung.de und www.bahn-buddy.de die Erledigung der Anträ-ge via Internet an. Dieser Service kostet aber Geld. Die privaten Internetdienste bietet an, sich um den entsprechenden Papierkram zu kümmern, nachdem Kunden ihren Anspruch rein elektronisch geltend gemacht haben. Dafür muss zusätzlich zu den Angaben über die Details der Verspätung ein Foto des Tickets hochgeladen werden, das ausgedruckt und im Namen des Kunden an das Servicecenter Fahrgastrechte geschickt wird. Für diesen Service verlangt zug-erstattung.de 0,99 Euro, bahn-buddy.de 1,99 Euro, wobei bei zugerstattung.de ein Antrag pro Jahr und Kunde kostenfrei ist.

Das hat für Kunden den Vorteil, nicht selbst am Bahnschalter anstehen zu müssen, um seinen Entschädigungsantrag abzugeben oder ihn selbst auszudrucken und per Post zu verschicken. Der Nachteil ist der Preis, den der Kunde bei zug-erstattung.de auch dann zahlen muss, wenn sich der Antrag als unbegründet herausstellen sollte. Bei bahn-buddy.de wird der Betrag rückerstattet, wenn der Antrag erfolglos ist. Auch geht man ein Risiko ein, dass die elektronische Kopie schlecht lesbar und deshalb nicht vom Servicecenter Fahrgastrechte bearbeitet werden kann. In einigen Fällen, wie bei Auslandsreisen oder Rücktritt von der Reise, wenn die Originalfahrkarte vorliegen muss, kann der Dienst nicht genutzt werden.

Wir haben zug-erstattung.de getestet und waren mit dem Ablauf zufrieden. Nach einer abgebrochenen Reise haben wir auf der Website das Ticket mit der Bestätigung hochgeladen. Die Bearbeitung dauerte knapp einen Monat. (c) Michael Ritter, Prägnant

(c) Magazin Frankfurt, 2020