Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg

"Lähmende Langeweile auf der ganzen Linie" meinte Manuel Brug von DIE WELT und fragte sich "warum es eine flache und redundante Inszenierung geworden ist". "Die großartigste Gewaltorgie" titelte Eleonore Büning für die FAZ und findet, dass in Stefan Herheims ins Bedermeier verlegten Inszenierung voller "Putzigkeiten, Locken und Borten" die Nacht- und Schattenseiten zu kurz gekommen sind. Noch während Wagner den zweiten Aufzug der Meistersinger komponierte, schrieb Hans von Bülow, der Uraufführungsdirigent, in Briefen an Freunde, das entstehende Werk werde Wagners „Gipfelpunkt“ und Wagners enger Freund und Kollege Peter Cornelius lobte sie kurz vor der Uraufführung als „deutsche Nationaloper“. Dabei hatte Wagner eigentlich vor ein komisches Spiel zu kompinieren, was durch die Einschätzung der Freunde belastet wurde. Verheerend war auch die Rezeption des Werkes, die für nationalistisch-reaktionäre Werte herhalten musste und im Dritten Reich von Hitler zur Eröffnung der Reichsparteitage missbraucht wurde. Damit lag man damals wie heute nicht ganz richtig, denn Wagner bezieht sich zwar auf historische Vorlagen, aber in anderer Weise. Man schließt damit im 19. Jahrhundert an das Mittelalter an, wo die Deutschen nach glanzvoller Vergangenheit suchten. Damit unterschied man sich nicht sehr von den Romantikern, die das mittelalterliche Nürnberg als eine Idylle gezeichneten, durch Handel reich, geprägt von freien, kunstsinnigen Bürgern und Heimat berühmter Künstler wie Sachs und Dürer. Das hatte auch Wagner im Sinn, „ein komisches Spiel, das als beziehungsvolles Satyrspiel meinem ‚Sängerkrieg auf der Wartburg‘ sich anschließen konnte.“ Mit der leichten Komödie hoffte er endlich auf den großen Erfolg, doch dann entwickelten sie die Meistersinger zum Lehrstück über die Rolle der Kunst. Die Stadt ohne politischen Institutionen zeigt nur berufliche Gruppierungen, die Stände, die die Festwiese bevölkern. Beim Meistergesang geht es um exakte Erfüllung uralter Vorgaben ohne Abweichungen. Traditionspflege als Selbstzweck. Abschreckend für fühlende Menschen wie Stolzing, der nur deshalb Meister werden will, um Eva als Braut zu gewinnen. Man schätzt die Kunst und sogar der reiche Pognerverspricht als Preis die Hand seiner Tochter Eva, deren Einverständnis vorausgesetzt. Stolzing gelingt dann mit seinem Preislied schließlich die rechte Balanz zwischen Tradition und Fortschritt und das Volk e3rklärt ihn zum Sieger. Die verschiedenen Handlungsstränger der Oper verflechtet Wagner kunstvoll miteinander. Sachs, der geachtete „Schuster und Poet“ und Primus inter pares unterstützt Stolzing, ist aber auch selbst nicht uninteressiert an der Beziehung zu Eva. Letztendlich kommt alles, wie es kommen soll und zwar will der Junker Stolzing nicht mehr Meister werden, aber in der längsten Oper Wagners isnd dennoch alle glücklich über ein gutes Ende. In der Rolle der Eva ist in der Einspielung von der Salzburger Festspielen 2013 Anna Gabler zu hören,den Part des Hans Sachs übernahm Michael Volle, Roberto Saccà sang die Partie des Walther von Stolzing und Georg Zeppenfeld war als Veit Pogner und Markus Werba als Sixtus Beckmesser zu hören. Bei Naxos kam jetzt die EuroArts-Aufnahme als DVD und Blu-Ray auf den Markt.

(c) Magazin Frankfurt, 2024