Herbert von Karajan, Maestro for the Screen

"Statisten auf die Plätze! Herrn von Karajan, Sie können beginnen". Während der erste Satz des Aufnahmeleiters ein wenig ruppig herüberkam, hatte man bei der Ansprache des Maestros den Eindruck, er hätte Kreide gefressen. Ein wenig hatte ich vor mehr als 30 Jahren selbst die Chance Teil der Obsession Herbert von Karajans zu werden, die Macht der Medien für den Aufbau seiner Karriere zu nutzen. Wie kein Dirigent vor ihm, hatte er sein Ohr immer am Puls der Zeit und nutzte für seine Einspielungen immer den neuesten Stand der Aufnahmetechnik. Filmisch reichte sein Interesse noch weiter, interessierte ihn außer der technischen Komponente auch die Präsentation, Regie, Umsetzung von Konzertfilmen. Das hatte zwar nicht bei allen Medien Zukunft, denen der Maestro seine Aufmerksamkeit schenkte, denn die beiden Tage, an denen ich als Statist angeheuert wurde, um mich mit einem Grüppchen anderer Musikfreunde an verschiedene Plätzen der Berliner Philharmonie zu setzen, um dort - je nach Position der Kamera - den Hintergrund seiner Einspielung des Beethoven-Violinkonzerts mit der noch blutjungen Anne Sophie Mutter zu bilden.

Damals spielte es Karajan als Teil seines Vermächtnisses auf Bildplatte ein. Die Bildplatte ist Schnee von gestern, doch das Konzert kann man heute auf DVD immer noch verfolgen. Darüber hinaus entstanden in dieser Zeit zahlreiche, bis heute legendäre, teilweise nicht unumstrittene Konzertmitschnitte, bei denen Karajan sich und sein Orchester, die Berliner Philharmoniker, auf bislang nicht gekannte Weise in Szene setzte. Diese Dokumentation von Georg Wübbolt, der Zeitzeugen befragte und historisches Filmmaterial auswertete, geht der Frage nach, welche Beweggründe Karajan zu einer Leinwandkarriere trieben und wie genau seine zahlreichen Konzertfilme entstanden. Als großes „Extra“ für Fans gibt es die Erstveröffentlichung einer 32-minütigen Konzertaufzeichnung der Berliner Philharmoniker unter Karajan mit zweien der bekanntesten Werke Johann Sebastian Bachs.

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(c) Magazin Frankfurt, 2024