Händel-Festspiele in Göttingen

Die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen präsentierten mit der diesjährigen Festspiel-Oper eine Rarität in einer bemerkenswerten Inszenierung: „Imeneo“ feierte am 6. Mai am Deutschen Theater Göttingen Premiere. Regie führt die belgische Regisseurin, Tänzerin und Choreografin Sigrid T’Hooft, die mit ihrem Ensemble Corpo Barocco die selten aufgeführte Oper mit barocken Kostümen, historischer Gestik und Kerzenlicht auf die Bühne bringt. Die Hauptrollen übernahmen William Berger (Imeneo), James Laing (Tirinto), Anna Dennis (Rosmene), Stefanie True (Clomiri) und Matthew Brook (Argenio). Laurence Cummings dirigierte das FestspielOrchester Göttingen, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum feiert, und den eigens dafür gegründeten Projektchor. Fünf Folgevorstellungen standen an den folgenden Tagen auf dem Programm - alle ausgebucht oder so gut wie ausgebucht.

Für Sigrid T’Hooft wurde ihre Inszenierung von Händels „Radamisto“ bei den Händel-Festspielen Karlsruhe 2009 zum Durchbruch, der ihre neuartige, auf der historischen Aufführungspraxis basierende Theatersprache international bekannt machte. Ihm folgten Inszenierungen am Goethetheater Bad Lauchstädt, beim Pariser Opernensemble Opera Fuoco, drei viel beachtete Produktionen am Schlosstheater Drottningholm, Schweden. 2012 inszenierte Sigrid T‘Hooft mit „Amadigi di Gaula“ erstmals bei den Internationalen Händel-Festspielen Göttingen. Sie steht für einen am Entstehungsumfeld des jeweiligen Werks orientierten Zugriff: „Ich inszeniere wie das Orchester spielt: historisch“, sagt die Regisseurin, die dafür in Göttingen die barocke Körpersprache rekonstruiert und mit Kerzenlicht ein sehr typisches technisches Mittel verwendet. Mit Kerzenlicht, aufwändigen barocken Kostümen und Perücken setzte die diesjährige Opernproduktion bewusst auf opulente Sinnlichkeit. Auch die Investition in zwei zusätzliche Ensembles, den Opernchor und das Tanzensemble Corpo Barocco, zahlte sich nicht nur in punkto Qualität aus, sondern auch im Hinblick auf eine überragende Resonanz bei Presse und Publikum

Inhaltlich konzentriert sich Sigrid T’Hooft auf ein nicht nur zu Händels Zeiten bekanntes Problem: die Piraterie. Die Oper erzählt die Geschichte von Rosmene, die mit ihrer Vertrauten Clomiri von Piraten entführt wurde. Imeneo, der Gott der Hochzeit, verlangt für ihre Befreiung Rosmenes Hand, die ihm von Clomiris Vater versprochen wurde. Doch Rosmene liebt Tirinto und muss sich entscheiden. „Imeneo“ ist Händels vorletzte Oper, bevor er sich ganz dem englischsprachigen Oratorium verschrieb. Uraufgeführt wurde sie am 22. November 1740 am Theatre Royal in Lincoln’s Inn Fields in London, mit nur einer Folgeaufführung im Dezember 1740.

Die erste „Imeneo“-Produktion der Neuzeit feierte 1960 im Landestheater Halle/Saale Premiere und lief dort an 24 Abenden. Der britische Dirigent und Cembalist Laurence Cummings ist seit 2012 Künstlerischer Leiter der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen. Er gehört zu den interessantesten und vielseitigsten Protagonisten der historischen Aufführungspraxis. Neben seinen Verpflichtungen in Göttingen ist er seit 1999 Künstlerischer Leiter des London Handel Festivals. Darüber hinaus ist er Musikdirektor des Orquestra Barroca Casa da Musica Porto und Kuratoriumsmitglied des Händel-Hauses London. Derzeit ist er auch am Opernhaus Zürich zu erleben, wo er die Neuproduktion von Henry Purcells Oper „King Arthur“ dirigierte, die jüngst ihre Premiere feierte, unter anderem mit der Schauspielerin Corinna Harfouch als Merlin. Die kommenden Monate führen Cummings nach Schweden, an die Göteborgs Operaen, für die Neuproduktion von Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“ (ab September 2016) und im Juli zum britischen Buxton Festival.

Die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen läuteten 1920 die Händelrenaissance des 20. Jahrhunderts ein. Ziel ist es, bis zum 100. Jubiläum im Jahr 2020 alle diejenigen 42 Opern Händels zu präsentieren, die bisher noch nicht in Göttingen zu erleben waren. 2016 fanden die Festspiele unter dem Motto „Verbindungen – Connections“ statt. Zu den weiteren Höhepunkten zählten das Oratorium „Susanna“ und ein Galakonzert anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Göttinger FestspielOrchesters . Rund 19.000 Gäste aus aller Welt konnte man damit nach Göttingen und in die Region locken. „Als Festspielintendant freut man sich natürlich, wenn die Programmplanung aufgeht“, freute sich Festival-Intendant Tobias Wolff. „Dies zeigt sich insbesondere darin, dass die Nachfrage für unsere Veranstaltungen gleichmäßig hoch war. Wir haben ganz offensichtlich den Geschmack der Zuschauer getroffen. Es ist ein deutlicher Vertrauensbeweis für Laurence Cummings und mich, dass unser Publikum die Konzerte unbekannter Ensembles oder der Stipendiaten des europäischen Nachwuchsprogramms ‚eeemerging‘ genauso eifrig besucht, wie Konzerte mit großen Namen. Dies bestärkt uns in unserem Mut, immer wieder Neues zu wagen.“ Dies gilt auch für die vielen neuen außergewöhnlichen Formate, wie das Sunrise!-Konzert zum Sonnenaufgang, das Opern-Café, den Händel-Brunch oder das vergnügliche „Im Bett mit …“, bei dem Künstler im Schaufenster eines Bettengeschäftes mit dem Festspielintendanten plauderten.
Zu den traumhaften Spielstätten in der Region kamen mit dem Kursaal in Bad Lauterberg, Graf Isang am Seeburger See, dem Landhaus Biewald in Friedland und dem Theater der Nacht in Northeim vier weitere attraktive Orte hinzu.



Mehr Informationen und das komplette Festspielprogramm unter www.haendel-festspiele.de

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