Vivaldi, Vier Jahreszeiten, Concerto Köln

„In jedem Moment etwas Neues.“ – Glaubt man Shunske Sato, dem Konzertmeister des Concerto Köln und Solisten in dieser fulminanten Neueinspielung von Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, so ist es die Idee der Freiheit, die im Mittelpunkt der Aufnahme steht. Und das in vielerlei Hinsicht: Ganz im Sinne der Historischen Aufführungspraxis erkundet das Ensemble die Lebendigkeit des spontanen Spiels in Vivaldis Musik. Kompromisslos und unverfälscht wird die Freiheit dieser Spielsituation in einer Aufnahme ohne Schnitte abgebildet. Und schließlich ist es die Musik selbst, die von der Freiheit kündet. Vivaldi hat mitunter nur melodische Skelette notiert, um die herum der Solist zu improvisieren hat. „Haargenau folgen, was auf dem Blatt steht: Das ist eine Vorstellung, die den Musikern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts komplett fremd war. Fantasie, Persönlichkeit und eine eigene Meinung über ein musikalisches Werk wurden erwartet“, so Sato hierzu.

1985 in Köln gegründet und seitdem ununterbrochen auf den großen internationalen Konzertpodien der Welt zu Gast, hat das Concerto Köln mittlerweile einen ganz eigenen Sound entwickelt, der weltweit gerühmt wird. Ein großes Musikmagazin schrieb einmal, das Ensemble spiele antiken Rock’n’Roll – „fetzig, rauh und herzlich“. Und das hört man auf dieser Aufnahme! Es kracht und blitzt und funkelt und strahlt, ganz so, als wenn Vivaldi selbst zur Geige greifen würde. So zupackend hat man den „Sommer“, so torkelnd die Betrunkenen im „Herbst“, so klirrend hat man den „Winter“ wohl selten gehört! Kombiniert werden die „Vier Jahreszeiten“ mit zwei weiteren Werken Vivaldis, die andere Facetten des Komponisten zeigen und so ein ganzheitliches Bild von ihm zeichnen – die tieftraurige Karfreitagsmusik „Al Santo sepolcro“ und das Concerto RV 156, das wohl schönste Konzert Vivaldis überhaupt. Letzteres begleitet das Concerto Köln seit vielen Jahren auf seinen Konzerten, ist eine Lieblingszugabe des Ensembles.

Die brillante Aufnahmetechnik rund um eine spezielle Mikrofonkonfiguration des Audioherstellers MBL unterstreicht den improvisatorischen Ansatz von Sato und dem Concerto Köln. „Musik arbeitet im Raum. Musik entsteht im Raum. Nur durch die bewegte Luft und die Wirkung der unterschiedlich reflektierenden Wände entsteht ein Klang, der trägt, fließt und uns berührt. Deshalb haben wir die für ihre Akustik berühmte Paterskirche in Kempen für unsere gemeinsame Aufnahme mit Concerto Köln gewählt“, so Jürgen Reis, verantwortlicher Klangtechniker der Aufnahme. Keine Schnitte, kein Absetzen und Neuanfangen, nur ein Take, keine Kompressoren oder künstlicher Hall – die Aufnahme dokumentiert ein zusammenhängendes Spiel von Musikerinnen und Musikern in höchster Konzentration – eine Herausforderung nicht für das Ensembles, sondern auch für die Aufnahmetechnik. Als Hauptmikrofon-Paar wurden Sennheiser MKH 8040 Kleinmembran HF Kondensator Mikrofone eingesetzt, akustisch unsichtbar, die das Geschehen so aufnehmen, wie es ist, die Dynamik des Spiels so nachzeichnen, wie sie gespielt wurde. Als ganz leicht zugemischte Spot-Mikrofone wurden leicht modifizierte MXL V6 Großmembran Kondensator Mikrofone verwendet. MBL und Concerto Köln verbindet seit 2009 eine enge Partnerschaft, die es dem Ensemble seitdem ermöglicht, neue Erfahrungen mit dem Klang und der Wiedergabe von Aufnahmen zu sammeln, die wiederum dem eigenen Spiel zugute kommen. Mit dieser Aufnahme von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ und weiteren Werken des Meisters geht Concerto Köln neue Wege und schließt eine Lücke in seiner Diskographie. Denn knapp 30 Jahre nach Gründung des Orchesters, nach über 60 CD-Einspielungen ist es nun tatsächlich das erste Mal, dass das Concerto Köln Vivaldis bekanntestes Werk einspielt. „Concerto Köln und die Vier Jahreszeiten passen einfach gut zusammen“, so viel verspricht Sato vorweg – vor allem wenn die Musik so unverfälscht und unmittelbar erklingt, als hörte man sie live im Konzert.

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(c) Magazin Frankfurt, 2024