Strawinsky, Sacre de Printemps/Feuervogel, HR

Auf dieses Album haben viele gewartet, denn es markiert einen der frühen diskografischen Höhepunkte des Jahres. Andrés Orozco­Estrada hat bei seinem Antritt als neuer Chefdirigent des Frankfurter Radiosinfonieorchesters des Hessischen Rundfunks enorm viel (und durchweg positive) Presse bekommen. Viele konnten es daher kaum erwarten, dass auch die erste Album­Einspielung des für kompromisslose Perfektion bekannten Traditionsklangkörpers mit seinem neuen Leiter erscheinen würde. Nun ist die Zeit des Wartens endlich vorbei, und Orozco­Estrada betritt auch diese Bühne mit einem Knalleffekt! Strawinskys Le Sacre du printemps und Der Feuervogel geben OrozcoEstrada und seinen Frankfurtern reichlich Gelegenheit zu brillieren.

„Das ‚Sacre‘ ist ein Meisterwerk, ein Muss für jeden Dirigenten“, sagt der Dirigent zu der Einspielung, die er 2015 in Frankfurt aufgenommen hat. Er freut sich sehr über seine erste Produktion mit dem hr-Sinfonieorchester: „Die CD ist sehr schön geworden, vor allem, weil sie mit viel Kraft, viel Präzision und viel Freude beim Konzert entstanden ist. Und das kann man hören. Da es eine Liveaufnahme ist, klingt alles sehr lebendig.“

Es passiert in der Geschichte der Kunst nicht oft, dass der ästhetische Rang und die historische Bedeutung eines Kunstwerks zusammenfallen, sich quasi gegenseitig bedingen. Für Strawinskys „Le sacre du printemps“, jene „Bilder aus dem heidnischen Russland“, die 1913 für Sergej Diaghilews berühmtes „Ballets Russes“ vollendet wurden, trifft dies jedoch in erstaunlichem Maße zu. Kaum ein anderes Werk der musikalischen Moderne hat nach seiner Entstehung so schnell ein breites Publikum erreicht und sich im Konzertleben weltweit durchgesetzt – nicht trotz, sondern aufgrund seiner Radikalität.

Auch Orozco-Estrada bezeichnet das Werk als „große Herausforderung“: „Es ist ein komplexes Werk, nicht immer einfach zu dirigieren.“ Vor allem sei es schwierig, aus der musikalischen Struktur des Stückes das Intelligente, Logische und Intensive zu erkennen und herauszuholen. Auch deshalb zählt er das „Sacre“ zu einem seiner Lieblingswerke.

Die Suite aus dem Ballett „Der Feuervogel“, in der Fassung von 1919, schätzt Andrés Orozco-Estrada ebenfalls besonders und beschreibt sie als eine „sehr farbige Musik, sehr auf den Punkt gebracht, richtig perfekt.“ Strawinsky selbst hingegen hat sich sein Leben lang über den beispiellosen Erfolg seines „Feuervogels“ gewundert, markierte das Werk doch erst den Anfang seiner musikalischen Entwicklung. Sergej Diaghilew hatte die Ballettmusik beim jungen Strawinsky in Auftrag gegeben. Die Pariser Premiere im Juni 1910 geriet dann zur großen Sensation und bedeutete den Beginn einer Komponistenkarriere ohnegleichen. Nach Paavo Järvis eher auf Werke des klassischen und romantischen Repertoires ausgerichteten Zeit in Frankfurt erinnert Orozco­Estradas Debüt beim HR­Orchester auf's Angenehmste daran, dass dieses Orchester unter Leitung seines damaligen Chefs Hugh Wolff eine Speerspitze in der Aufführung der Musik des 20. Jahrhunderts war.

Eine fantastische Leistung und ein furioser Auftakt, der Lust auf mehr macht ­ dies zumal im fantastischen SACD­Klang des niederländischen Pentatone-Labels. Wer Lust auf mehr von Orozco-Estrada hat, kann zum Beispiel am 11. und 12. Februar 2016 um 20 Uhr auf die Website des Orchesters gehen, wo ein Livestream aus der Alten Oper unter anderem mit Beethovens 1.,3.,4. und 5.Sinfonie zu erleben ist.

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