Palmer, Wir können nicht allen helfen

Es war ein gelungener Auftritt. Als der grüne Oberbürgermeister Tübingens diese Woche vor die Presse trat, um sein Buch vorzustellen, war ihm ein riesiges Medieninteresse sicher. Als Grüner vertritt er schon seit einiger Zeit Positionen, die manchen seiner Parteigenossen Verdruss bereiten, aber auch bei weiten Teilen der grünen Wählergruppen durchaus auf offene Ohren treffen. Schon im Vorfeld schürte er das Interesse auf seinem Blick auf Integration und die Grenzen der Belastbarkeit. Öffentliche Kritik an "Idealisten" in der eigenen Partei sorgt natürlich kurz vor der Bundestagswahl für die gewünschte Aufmerksamkeit. Für die einleitenden Worte hatte sich mit Julia Klöckner ein prominentes Mitglied der CDU bereitgefunden, Palmers Buch noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und lobt es als "Plädoyer gegen die Schubladenpolemik". Mutig, denn Palmer kritisiert in seinem Buch auch Klöckners Chefin Angela Merkel, die die Flüchtlingspolitik zur Frage von Gut und Böse verklärt habe, was Palmer als einen schweren Fehler ansieht. Nachdem die Kanzlerin hunderttausende Flüchtlinge ins Land ließ, stellt sich nun die Frage: Wie kann es uns gelingen, die riesige Herausforderung der Integration zu meistern? Palmer zeigt, dass wir bei aller Hilfsbereitschaft auch offen über die Grenzen der Belastbarkeit sprechen müssen – etwa über Bildungs- und Jobchancen, über Wohnungsnot, den Umgang mit Gewalt und Abschiebung oder Fragen von Ordnung und Sicherheit.

Denn nur wenn wir die Probleme offen benennen, können wir den Rechtspopulisten das Wasser abgraben. Bei unseren Kollegen von der Zeit kommt solche Kritik nicht gut an. "Alles Geisterfahrer außer ihm", titelt das Blatt. Andere werfen ihm vor, dass sein Buch widersprüchlich ssei, wenngleich konsequent. Es steht außer Frage, dass Palmer mit seinem Buch als Politiker sich hervorragend darauf versteht zu provozieren und zu polemisieren. Die Gefahren der hunderttausenden von Flüchtlingen im Land, die unsere Freiheit und unseren Wohlstand gefährden. "Wir können nur sehr wenigen helfen. Unsere Freiheit und unseren Wohlstand können wir nur erhalten, wenn wir sie einer sehr großen Zahl von Menschen, die danach streben und in unser Land kommen wollen, vorenthalten."

Machen wir uns nichts vor. Das meiste von dem, was Boris Palmer schreibt ist bekannt, Palmer hat sich bereits in den letzten Jahren in Interviews oder bei Facebook-Posts darüber verbreitet, dass es der Politik gelingen muss, sich von Populisten abzugrenzen aber dennoch die Missstände beim Namen zu nennen. In dem Buch zeigt sich Palmer als Politiker, der gern problematisiert - im Buch etwas abgemildert als in den schnellen sozialen Medien. Leider bleibt er uns aber Lösungsvorschläge schuldig.

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(c) Magazin Frankfurt, 2020