Musikstreaming übers Netz - auch für Klassikfans

Erstmals hat der deutsche Musikmarkt im vergangenen Jahr wieder einen Zuwachs von knapp 5 Prozent verzeichnen können. Der Grund dafür sind allerdings nicht Platten- und CD-Käufe sondern die Zunahme von Streaming-Abonnenten, den man mit mehr als 100 Prozent in 2016 nur mit rasend bezeichnen kann. Kürzlich meldete der Streamingdienst Spotify einen neuen Meilenstein. Über 60 Millionen Nutzer zahlen demnach seit Juli 2017 für das Musikstreamingangebot des Anbieters – ein Zuwachs von 10 Millionen Zahlkunden innerhalb von rund 4 Monaten. Damit hat man beispielsweise Apple weit abgeschlagen, die mit Apple Music gerade einmal 27 Millionen Kunden erreichen. Doch auch andere Anbieter berichten von einem neuen Streaming Boom. Doch nicht jeder möchte für das Angebot zahlen. Amazon bietet seinen Kunden im Rahmen des Prime-Angebots gut 2 Millionen Songs zu einem Jahrespreis von 69 Euro an, wobei dort allerdings noch eine Fotocloud, ein Filmprogramm und die schnelle und kostenfreie Zusendung von bei Amazon gekauften Artikeln eingeschlossen ist.

Doch meist gehen Klassikfreunde bei den kostenfreien oder kostengünstigen Angeboten leer aus beziehungsweise werden meist mit Mainstream und Archivmaterial abgespeist. Ein Blick auf die Playlist Klassischer Meisterwerke bringt ein gut vierstündiges Programm ans Ohr, das an Klassikradio ohne Werbung erinnert. Wer ein umfangreiches Angebot will kommt dann um Amazon Unlimited nicht herum, die nochmals mit 79 Euro im Jahr zu Buche schlägt, dafür aber das Angebot verzwanzigfacht und werbefrei auch Hörspiele und Bundesliga live einschließt und die offline-Speicherung zulässt. Über einen Echo Dot oder Amazon Echo verringert sich dieser Betrag auf bis zu 4 Euro pro Monat.

Wir haben uns die die auf Klassik spezialisierten Portale Idagio und Qobuz näher angeschaut.


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Idagio - die Produzenten-Plattform

Idagio hat sich auf klassische Musik festgelegt und unterscheidet sich dadurch von den meisten Wettbewerbern. 2015 in der heutigen Form auf den Markt gebracht, sieht sie sich als Plattform auf der Musiker ihre Aufnahmen weltweit verbreiten können und so ihre klassische Community optimal erreichen. Einige Weltklasse-Ensembles und Musiker nutzen dieses Angebot bereits und erreichen so Klassikfreunde in über 70 Ländern weltweit. Einige, wie der Pianist Ivo Pogorelich bieten gar neue Einspielungen wie Beethovens Klaviersonaten, die im vergangenen Jahr nach 18 Jahren Pause seine Rückkehr mit Neuveröffentlichungen darstellen, exklusiv bei Idagio und nicht auf CD oder Vinyl angeboten. Der Grund dafür mag auch in der Freiheit von sonstigen Zwängen liegen, denn mit knapp einer halben Stunde wären die Sonaten sonst für die klassische CD zu kurz und Longplayer sind Klassikfans nicht gewohnt. Für Idagio ist das ok.

Beim Hineinklicken taucht eine auf Klassikfreunde zugeschnittene Bildergalerie der neuesten Aufnahmen auf, die nach Instrumenten, Epochen und Ensemblegröße unterscheidet und sich dadurch wohltuend von den Allroundern unterscheidet. Auch einige andere Exklusivangebote findet man im Angebot. Das Design ist ideal für etwas ältere Musikliebhaber. Die meisten Angebote von Idagio machen auch die Buchung des Premiumangebots zum Monatspreis von 8 Euro notwendig. 14 Tage kann man allerdings das gesamte Angebot kostenlos auf Haut und Nieren prüfen.

Da Idagio noch recht jung ist, ist das verfügbare Angebot noch nicht allumfassend. Mit es Unternehmen, das erst im letzte Jahr gegründet wurde. Zwar wächst das Angebot monatlich und umfasste im Frühjahr 2017 schon gut 30.000 Aufnahmen von mehr als 600 Labels, doch sind bei weitem noch nicht alle Künstler im Angebot und man vermisst einige der großen Namen wie Jonas Kaufmann, der zum Beispiel mit einer breiten Auswahl im Amazone Prime–Angebot vertreten ist.

Die Bedienung isst einfach. Über die Plattencover gelangt man zur Playlist mit den einzelnen Stücken, die man bei Interesse auch als Favoriten kennzeichnen kann. Dabei kann man einzelne Stücke auch nach Stimmungen auswählen oder finden. Durch die starke Kooperation mit klassischen Musikern und Dirigenten bekommt das Angebot einen weniger kommerziell geprägten Charakter. Anders als bei den meisten kommerziellen Angeboten gehen bei Idagio faire 70 Prozent der Einnahmen an die Musiker. Manche von ihnen haben den Wunsch, dass ihre Musik für alle User zugänglich sein soll, was ein auch werbefinanziertes attraktives Gratisangebot ermöglicht. Mit der Premiumversion bekommt der Nutzer mit dem verlustfreien FLAC eine bessere Klangqualität, keine Werbung und kann die Werke auch im Offline-Modus hören. Mit der persönlichen Playlist kann man Musik nach Geschmack zusammenstellen und Favoriten mit Freunden im Netz teilen. Für Liebhaber klassischer Musik ist das Angebot sehr gut und absolut empfehlenswert.



Qobuz - breite Auswahl und 1a-Qualität

Hatten wir bei Idagio die fehlende Auswahl an einigen der großen Namen des Musikgeschäfts bemängelt, so findet man diese bei Qobuz problemlos. Streaming gibt es da ab 10 Euro im Monat oder 100 Euro im Jahr. Doch zu diesem Preis ist bei Qobuz nur MP3 mit 320 kbps drin, etwas mehr als die durchschnittliche Qualität bei Amazon. Wer verlustfrei in FLAC CD-Qualität lauschen möchte ist mit 20 Euro pro Monat oder 200 Euro im Jahr dabei. Für 220 Euro gibt es Rabatte beim Download spezieller Stücke in Hi-Res 24-Bit-Qualität, die man als Flatrate zum Jahrespreis von 350 Euro bekommt. Das Angebot ist mit 40 Millionen Titeln und 70.000 Alben in 24 Bit-Qualität beindruckend. Zudem findet man bei allen Aufnahmen redaktionelle Rezensionen und kann auf Millionen von Booklets der Aufnahmen zugreifen. Über den Import kann man auch hier die Musik offline anhören. Ein Gratisangebot wie bei Idagio gibt es nicht, doch kann man auch hier das Abonnement in MP3- und FLAC-Qualität 14 Tage lang kostenfrei testen.

Auch gefragte und begehrte brandneue Aufnahmen findet man meist schon zum Erscheinungstermin bei dem französischen Streaming-Dienst, der sich als einer der größten Anbieter für klassische Musik auf dem Markt etabliert hat.

Ursprünglich stammt Qobuz von einem Klassik-Label, doch inzwischen hat man auch ein großes Angebot an Rock- und Popmusik. Für Liebhaber von Klassik und Jazz auf höchstem Niveau gibt es praktisch keine Alternative, denn das Angebot bündelt in seiner High End-Version auch das Topangebot. Klassikhörer bietet Qobuz mit dem digitalen Booklet, ein im Online-Angebot keinesfalls selbstverständliches Plus an und Streaming in 24 Bit Auflösung ist bisher weltweit einzigartig. Wer das nötige Geld also hat, wird mit Qobus sicherlich glücklich und kann sich den individuellen CD-Kauf sparen.


(c) Magazin Frankfurt, 2020