Dvorák/Varèse, Symphonie No. 9/Ameriques

Das Programm ist vielversprechend, denn wir haben es hier mit "Immigranten" zu tun, die musikalisch auf das Land blicken, in das sie ihr Lebensweg geführt hat. Dvorák war Direktor des National Conservatory of Music of America, als er 1893 mit seiner neunten Sinfonie ein Werk schuf, das die Musik der Indianer und der schwarzen Sklaven mit der Kunstmusik Europas verband. Seine "Sinfonie aus der Neuen Welt" war ein musikalisches Händereichen zwischen Europa und den USA - und ist beeinflusst von den "pastoralen" Eindrücken der ländlichen USA. Anders ist der Eindruck, den Varèse in "Ameriques" zum Ausdruck bringt. Der Werktitel steht für die Doppelbödigkeit, die Gespaltenheit des Landes, das Varèse als eine einzige "Musik der Großstadt" zum Klingen bringt.

Keine Spur von Landidylle, stattdessen Sirenengeheul, unverkennbare "Sacre"-Einflüsse und der Soundtrack einer neuen Zeit, eines neuen Jahrhunderts. Dazu das Album mit fantastischem Sound und einer gelungene Interpretation des Seattle Symphony Orchestra, unter der Leitung seines neuen Chefdirigenten Ludovic Morlot, das jahrzentelang unter Leitung von Gerard Schwarz unter seinen Möglichkeiten aufspielte und jetzt einen zweiten Frühling erlebt. Der Franzose Morlot hebt das Orchester auf das schlummernde Weltniveau und erweist sich als scharfsinniger Partiturfeinmechaniker, der die zahlreichen Mezzoforte-Partien in Dvoráks Partitur angenehm halbstark klingen lässt. Man sieht, es hat sich etwas Gutes in der "neuen Welt" getan. Auch für Wein- und Gastronomiefreunde lohnt ein Besuch vor Ort.

(c) Magazin Frankfurt, 2024