Waugh, Ohne Furcht und Tadel

Evelyn Waugh führte ein unstetes Leben. 1903 als Sohn eines Verlegers im Londoner Nobelviertel Hampstead geboren, brach er sein Geschichtsstudium in Oxford ab, um sich zum Maler ausbilden zu lassen. 1928 heiratete er Evelyn Gardner, die jüngste Tochter des Lord Burghclere. Da er und sie denselben Vornamen trugen, nannten Freunde sie He-Evelyn und She-Evelyn. Er war eine kurze und unglückliche Ehe, die keine zwei Jahre später geschieden wurde. Nachdem Waugh zum Katholizismus konvertiert war, stellte die Kirche auf seinen Antrag fest, dass seine Ehe von Anfang an null und nichtig gewesen sei, was ihm ermöglichte, die ebenfalls katholische Laura Herbert kirchlich zu heiraten und mit ihr bis zu seinem Tod 1966 sieben gemeinsame Kinder zu haben. Waugh war Lehrer, Reporter und Kunsttischler, bis er in der Schriftstellerei sein Metier fand und zu einem der wichtigsten englischen Autoren des 20. Jahrhunderts wurde. Seit dem Studium neigte er zu dandyhafter Extravaganz und provozierte gerne ddurch kontroverse Äußerungen. Er war zeitlebens kein einfacher Mensch. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau und seiner Konversion wurde Waugh zunehmend isoliert. Das Schicksal teilte er mit seinem Freund, dem Schriftsteller Graham Greene. Waugh war ein Anhänger Francos und Mussolinis und lehnte die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ebenso ab wie die sozialen Reformen in seiner Heimat.

Schon früh war Waugh mit seinem Interesse für Bildende Kunst, seinem Gespür für Dialoge und dem oft makaberen Humor als Autor erfolgreich und beeinflusste andere Schriftsteller wie den Literaturnobelpreisträger V. S. Naipaul, der als junger Mann so schreiben wollte wie Waugh. Außerhalb Großbritanniens wurde er vor allem bekannt durch die Verfilmung seines Romans "Wiedersehen mit Brideshead" mit Jeremy Irons und Laurence Olivier. Auch die unglückliche Geschichte seiner ersten Ehe wurde wurde mit Alec Guinness verfilmt, der Waugh bewunderte. Die Weltliteratur beschreibt ihn meist als radikalkonservativen Zyniker und Kulturpessimist, der in "oft überdeutlicher, farcenhafter Satire die Kuriositäten des modernen Lebens enthüllt."

In seinem fast 1.000 Seiten dicken Roman "Ohne Furcht und Tadel" , der in den 50er Jahren entstand und jetzt in revidierter Übersetzung neu erschien, der die Geschichte von Guy Crouchback, einem britischem Katholiken aus altehrwürdiger Familie, erzählt, der 1939 voller Idealismus in den Kampf gegen Nazi-Deutschland zieht – und zunehmend vom Chaos, Leerlauf und moralischen Schlendrian des Soldatenlebens desillusioniert wird. Dabei liegen weltgeschichtliche Tragödie und schwarze Komödie sehr dicht beieinander, wenn Guy Crouchback auf die Schlachtfelder Europas zieht und zwischendurch auch zurück ins gar nicht so ungefährliche Gesellschaftsleben von London, wo immer wieder seine flatterhafte Exfrau Virginia seinen Weg kreuzt. Waugh schöpft in diesem großen Weltkriegsroman aus seinen Erfahrungen als Soldat und ist wie stets mit der Satire bitterernst, doch es ist nicht leicht, in den Wirren des Zweiten Weltkriegs ein Offizier und Gentleman zu bleiben. An der Front, auf Kreta und in Jugoslawien, entdeckt er in sich nicht Heldentum, sondern Menschlichkeit.

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(c) Magazin Frankfurt, 2024