Nesser/Polanski, Strafe

Für seinen 2015 als Hardcover erschienenen verwirrenden Roman "Strafe" hat Hakan Nesser eine Mitautorin gefunden, die zugleich eine der Protagonistinnen ist. Darin erhält der Schriftsteller Max Schmeling einen Brief von einem ehemaligen Schulkameraden, der ihn zunächst unangenehm berührt, denn schon in der Schule konnte er diesen Tibor Schittkowski nicht leiden. Jetzt bittet ausgerechnet der ihn um Hilfe. Doch verweigern kann er schlecht, denn Tibor hatte ihn damals zweimal aus einer heiklen Situation gerettet. Deshalb macht sich Max auf den Weg nach Gimsen, wo der inzwischen todkranke Schulkamerad wohnt. Tibor ist relativ wortkarg, sagt nicht, worum es ihm eigentlich geht, sondern drückt Max ein autobiographisches Manuskript in die Hand, mit der Bitte es zu lesen, da er dann wissen, was er für Tibor tun kann. Tibors Text führt ihn zurück in die eigene Jugend, erzählt von einer leidenschaftlichen Liebschaft mit seiner Jugendliebe Kristina in Barcelona, von deren unglücklicher Ehe und von einem mörderischen Plan. Bis dahin scheint Nessers Roman noch klare Strukturen aufzuweisen, ein depressiver geschiedener Autor, ein Rätsel, das gelöst werden muss.

Doch je tiefer er in das Manuskript einsteigt, umso klarer wird es ihm, dass dies kein normaler Krimi ist, denn in Tibors Geschichte tauchen genau die Orte auf, die auch in Max' neuem Roman, an dem er noch arbeitet, eine Rolle spielen. Was möchte Tibor von ihm?

Im zweiten Teil des Manuskripts taucht auch Nesser Koautorin Paula Polanski auf. Ein echtes literarisches Verwirrspiel, bei dem die verschiedenen Erzählungen genial ineinander verbunden sind. Immer wieder tritt die Romanhandlung in die Realität des Lesenden. Die trügerischen Erinnerungen, nicht zufällige Zufälle und die Frage nach dem Sinn und um eine zu begleichende Schuld.

Nicht alles wird am Ende aufgelöst und selbst das überraschende Ende lässt noch jede Menge Fragen offen - wie die nach Paula Polanski. Ist sie NUR eine Romanfigur oder eine, wie der Verlag mitteilt, deutsche Publizistin, die anonym bleiben möchte? Die Frage bleibt unbeantwortet, doch das macht nichts, denn Nesser hat wieder einmal ein fein gesponnenes Labyrinth entworfen, in dem man sich leicht aber auch gerne verirrt.

bei Amazon.de bestellen

(c) Magazin Frankfurt, 2024