Häuser der Weisheit, Wissenschaft im Islam

„Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim.“ und „Wer auf der Suche nach Wissen hinauszieht, der ist auf dem Wege Allahs, bis er wiederkehrt.“ Diese Aussprüche werden dem Propheten Mohammed zugeschrieben und zeigen, dass der Islam den Wissenschaften keineswegs feindlich gegenübersteht, sondern im Gegenteil sogar zur wissenschaftlichen Betätigung aufruft. Wenn die ganze Welt als Gottes Schöpfung aufgefasst wird, ist jede forschende Beschäftigung mit ihr letztlich auch eine Beschäftigung mit Gott selbst.

Vielfach geht diese weise Betrachtung ansichtlich der blindwütigen Massaker einiger sich selbst als Islamischer Staat bezeichnenden Terroristengruppen bei uns unter. Doch auch abgesehen von theologischen Überlegungen waren es aber auch die ganz realen Bedürfnisse der Menschen – seien es die Frage nach der korrekten Gebetszeit, der Wunsch nach einer besseren Versorgung der Kranken oder einfach die Freude an der Erkenntnis um ihrer selbst willen – die dazu führten, dass der Abbasiden-Kalif al-Ma’mūn im 9. Jahrhundert in Bagdad das „Haus der Weisheit“ gründete. Der Sohn Hārūn ar-Raschīds forderte von besiegten Gegnern Bücher aus deren Bibliotheken, die er im „Haus der Weisheit“ von den besten Übersetzern seiner Zeit ins Arabische übertragen ließ.

Während seiner Regierungszeit ließen sich daher Gelehrte aus allen möglichen Ländern in Bagdad nieder. Dabei handelte es sich nicht nur um Muslime, sondern vielfach auch um Juden und Christen.

In dieser Phase des sogenannten Goldenen Zeitalters des Islam waren die Gelehrten vorrangig mit Übersetzertätigkeiten befasst; alle wissenschaftlichen Schriften, derer man habhaft werden konnte – vor allem griechische, persische und indische Texte – wurden ins Arabische übertragen und verbreitet. Es blieb jedoch nicht allein bei der Übersetzung der Texte; die hier niedergelegten Ideen und Erkenntnisse wurden mit Hilfe eigener Beobachtungen und Experimente verfeinert und weiterentwickelt. Ärzte wie Ibn Sīnā (lat. Avicenna), Mathematiker wie al-Chwarizmi (auf den die Algebra zurückgeht), Geographen wie al-Idrīsī und viele weitere herausragende Gelehrte legten die Fundamente bzw. erweiterten das bereits vorhandene Wissen zahlreicher heutiger Disziplinen.

Auf verschiedenen Wegen gelangte dieses Wissen nach Europa. Eine besondere Rolle bei der Vermittlung spielte im 12. und 13. Jahrhundert Andalusien. Hier wurden die arabischen Werke ins Lateinische übertragen und den hiesigen Gelehrten so überhaupt erst zugänglich.

Darunter befanden sich Schriften von Euklid, Ptolemaios und Aristoteles, der nun zu neuer Bedeutung gelangte.

Darüber hinaus befanden sich unter den Texten auch zahlreiche genuin arabische Schriften aus verschiedenen Disziplinen. Diese Schriften stellten für die europäischen Gelehrten einen kaum fassbar großen Schatz dar! Bis heute sind einige Worte in den europäischen Sprachen arabischen oder persischen Ursprungs, da sie im Zuge dieser Übersetzungsphase übernommen wurden, etwa ‚Alkohol’, ‚Algorithmus’ und ‚Kiosk’ sowie die Benennung zahlreicher Sterne.

Der Fokus einer Ausstellung über diese "Häuser der Weisheit,, die noch bis zum 20. März 2016 im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg zu sehen ist, und für die im Nünnerich Asmus-Verlag der sehr lesenswerte 80-seitige Katalog erschienen ist, liegt auf der Zeit vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, darüber hinaus verfolgt sie die Wege, auf denen die arabisch-persischen Erkenntnisse nach Europa gelangten und in welcher Form sie dort in der Renaissance aufgegriffen wurden. So beruhen etwa die Arbeiten von Leonardo da Vinci, Johannes Kepler, Nikolaus Kopernikus und Gerhard Mercator maßgeblich auch auf dem, was von arabischen und persischen Wissenschaftlern erarbeitet wurde.

(c) Magazin Frankfurt, 2024